In Liezen werden Waggons produziert, mit denen Güter einfach von der Straße auf die Schiene verlagert werden können. Dafür entsteht ein Kompetenzzentrum mit einer der größten Schweißroboteranlagen Mitteleuropas.
Von der Straße auf die Schiene: ein vielgepredigter Leit- und Zielsatz im Güterverkehr. Allein die Umsetzung stockt. So lag der Anteil der Bahn am EU-weiten Güterverkehr 2021 bei mickrigen 17 %. Damit setzt sich ein seit Jahren anhaltender Rückgang fort. Der Transport auf der Straße nahm hingegen weiter zu. Wurden 2011 rund 74 % des Güterverkehrs auf der Straße abgewickelt, waren es 2021 bereits 77 %.
Österreich fällt diesbezüglich unter den westeuropäischen Staaten zumindest positiv auf. Mit einem Anteil von 30 % liegt der schienengebundene Güterverkehr hier deutlich über dem EU-Schnitt (17 %) und weit vor Deutschland (19 %), Italien (13 %), Frankreich (11 %) und Spanien (4 %). Am höchsten war der Anteil 2021 in den drei baltischen Staaten Litauen (63 %), Lettland (53 %) und Estland (40 %). Slowenien wickelt rund 34 % des Güterverkehrs mit Eisenbahn-Waggons ab.
MFL: Neue Verladetechnik ohne Kran
Am Schnittpunkt von Bahn- und Straßentransport, dort, wo Container von einem auf das andere Verkehrsmittel umgeladen werden, reüssiert die Maschinenfabrik Liezen (MFL). Sie liefert hochmoderne Güterwaggons, mit denen LKW-Transporte einfach von der Straße auf die Schiene verlagert werden können.
Über 95 Prozent der LKW-Sattelauflieger in Europa benötigen nämlich eigene Terminals, um auf Güterzüge umgeladen zu werden. Der in Liezen gefertigte Trailerwagen löst dieses Problem, indem die Auflieger durch ein neuartiges Schwenksystem aufgeladen werden. So können die Sattelauflieger mit einer Zugmaschine auf den Waggon geschoben werden – ganz ohne Terminal und Kran. Auf die Trailerwagen passen jeweils zwei Sattelauflieger. Ein Zug besteht aus 20 dieser Wagen.
Millionenvertrag mit Verlängerungsoption
MFL produziert diese High-End-Güterwagen für den deutschen Bahnlogistiker Helrom. „Dass wir als Komplettzulieferer auf ein hohes Maß an Erfahrung im Schienenfahrzeugbau zurückgreifen können, ist in dieser Projektphase von großem Vorteil“, sagt MFL-Geschäftsführer Herbert Decker. Ziel ist es, das „westeuropäische Zentrum zur Herstellung innovativer Güterwaggons zu werden“.
„Mit diesem spektakulären Auftrag ist der Grundstein dafür gelegt“, so Decker. Rund 40 der Güterwagen werden in der Produktionsanlaufphase bis zum Sommer 2024 gefertigt. Das Auftragsvolumen liegt im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Läuft die Produktion gut, gibt es die Option auf weitere Aufträge. Damit würde bei der MFL bis 2033 eine Viertelmilliarde Euro Wertschöpfung auslösen. Decker spricht von einem „Jahrhundertauftrag“.
Größte Schweißanlage Mitteleuropas
Die Großorder führt jedenfalls schon jetzt zu massiven Investitionen am obersteirischen Standort. So wird in Liezen bis Ende des Jahres um sechs Millionen Euro ein Kompetenzzentrum für automatisiertes Schweißen entstehen. Unter anderem kommt in eine neue Halle mit einer Nutzfläche von über 1.000 Quadratmetern eine der größten High-End-Schweißroboteranlagen Mitteleuropas mit einer Gesamtlänge von 46 Metern. Auf dieser Anlage können künftig Werkstücke mit einer Länge von bis zu 28 Metern und einem Gewicht von bis zu 20 Tonnen geschweißt werden.
Die ersten Wagen sollen rund um den Jahreswechsel, der erste Zug vielleicht schon im Frühjahr 2024 fertig produziert sein. Ein Prototyp ist bereits zwischen Wien und Düsseldorf unterwegs. Allein dieser eine Zug mit seinen 306 Fahrten im Vorjahr habe rund 10.000 Tonnen CO2 eingespart, indem er mehr als 16.000 LKW-Trailer transportiert hat, rechnet man bei Helrom vor. Für MFL-Chef Decker ist es daher ein „historischer Auftrag – nicht nur wegen der Größe, sondern auch wegen der Innovation und Nachhaltigkeit“.
Apropos Nachhaltigkeit: Diesbezüglich ist die MFL auch auf einem anderen Geleis federführend. man hat Federtöpfe für die Drehgestelle von Hochgeschwindigkeitszügen entwickelt, die um ein Fünftel leichter sind. Die Rechnung ist einfach: Weniger Gewicht bedeutet weniger Material bedeutet weniger CO2-Emissionen. Der Zug selbst fährt ebenfalls klimafreundlicher, weil er insgesamt weniger wiegt und dadurch weniger Energie verbraucht. Dazu kommt, dass die Schienen nicht so stark verschleißen.
GUT ZU WISSEN
- Die Maschinenfabrik Liezen und Gießerei (MFL) ist seit 1939 am Standort in Liezen tätig und liefert etwa für den Schienenverkehr sowohl einzelne Bauteile als auch ganze Fahrzeuge.
- Zuletzt wurde mit rund 700 Beschäftigten ein Umsatz von knapp 102 Millionen Euro (2021) erwirtschaftet.
- Mitarbeiter:innen wurden zuletzt mit einem Einsteiger-Bonus angelockt: Wer mindestens sechs Monate im Unternehmen bleibt, bekommt 1.000 Euro.