Energiepreis Kontrolle

Hohe Energiepreise: Europas Industrie unter Druck

Die gestiegenen Energiepreise schwächen Europa als Industriestandort. Österreichische Unternehmen können sich zwar in Nischen am Weltmarkt behaupten, geraten im internationalen Wettbewerb aber ebenfalls in Bedrängnis.

Kaum eine Woche vergeht in jüngerer Vergangenheit ohne einen Warnruf aus der Wirtschaft. Die hohen Energiepreise seien für den Standort existenzgefährdend, man gerate gegenüber der starken internationalen Konkurrenz immer mehr unter Druck. Eine Deindustrialisierung drohe, heißt es. Alarmismus oder berechtigte Angst? Eine Studie gibt Antworten.

Die Fallhöhe ist nicht unbeträchtlich. Fast 30 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung werden im produzierenden Bereich (Industrie und Bau) erarbeitet. Die seit Monaten sprunghaft angestiegenen Gas- und Strompreise könnten dieses Erfolgsmodell allerdings ins Wanken bringen. Als Produktionsstandort verliert Europa an wirtschaftlicher Attraktivität und globaler Wettbewerbsfähigkeit. Kommt es zum Kollaps?

Schleichendes Ende droht

Eine Studie der Unternehmensberatung PwC gibt zumindest keine Entwarnung. Die hohen Energiekosten in Verbindung mit einer partiellen Rohstoffknappheit und noch immer spürbaren Lieferengpässen bedrohe Schlüsselindustrien, wird analysiert. Das Ergebnis wäre im schlimmsten Fall eine schleichende Deindustrialisierung Europas.

Bis vor einem Jahr waren die Kosten für Gas in Europa zehnmal höher als in den USA. Das traf auch Österreich massiv.

Das Motiv der Unternehmen ist naheliegend: Europäische Unternehmen, die sich vervielfachten Energiekosten und damit der Gefahr von dauerhaft unrentabler Produktion gegenübersehen, könnten nach und nach abwandern. Zieladresse für Neuinvestitionen? Entweder in für sie günstigere Gegenden in Europa wie Spanien, wo die Energie- und damit Produktionskosten vergleichsweise nur moderat gestiegen sind, oder überhaupt ins außereuropäische Ausland.

Energiepreisgefälle in Europa

So lagen die Gaspreise in Europa und den USA bis zum Sommer 2021 noch auf Augenhöhe. Im Schlagschatten des Ukrainekrieges kam es jedoch zu einer regelrechten Preisexplosion. Allerdings nur in Europa. Am Weltmarkt entstand eine Schieflage. So waren vor einem Jahr die Kosten für Gas in Europa bis zu zehnmal höher als in den USA. Das traf vor allem industrieintensive Staaten. So trägt die Industrie in Tschechien 23 Prozent zum BIP bei, in Slowenien 21 und in der Slowakei, Ungarn und Deutschland 19 Prozent. In Frankreich seien es dagegen nur neun Prozent.

Österreich habe diesbezüglich eine Sonderstellung, analysiert PwC: Die überdurchschnittlich vielen kleineren Unternehmen, die sich in internationalen Nischen behaupten, seien zwar krisenresistenter und weiterhin agil. Umgekehrt fehle in der Kleinstrukturiertheit aber eine kritische Masse an großen, de facto „systemrelevanten“ Großunternehmen, die aus eigener Kraft und entsprechender Finanzstärke Impulse setzen können. „Es droht eine Kernschmelze im österreichischen industriellen Mittelstand und damit in den Lieferketten“, schlug Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, im vergangenen Herbst Alarm.

USA locken mit Förderungen

Mittlerweile scheinen die allgemeinen Erzeugerpreise ihren oberen Wendepunkt zwar überschritten zu haben, was auf einen allmählichen Rückgang des Kostendrucks, insbesondere für die Industrie, hindeutet. Die Vergünstigungen kommen aber beim Großverbraucher nicht in voller Höhe an. Noch immer liegen die Energiekosten drei- bis viermal so hoch wie vor Corona.

Ölraffinerie Kalifornien
Ölraffinerie in Kalifornien: Die amerikanische Wirtschaft kann auf billigere Energie zurückgreifen als ihre Konkurrenz in Europa.Foto: adobe stock | justtheletterk

Demgegenüber steht eine ungebremst stärker werdende Konkurrenz. So bieten die USA weiterhin deutlich günstigere Energiepreise, zudem winken großzügige staatliche Förderungen für „Green Investments“ im Rahmen des Inflation Reduction Act-Programms. Europa droht indes eine Schwächung von für die Konservierung des Wohlstands wichtigen Sektoren sowie ein Verlust an Arbeitsplätzen, was sich in Österreich beispielsweise negativ auf die Finanzierung des ohnehin wackeligen Pensionssystems auswirken würde.

Investitionen als Krisenschutz

Umso wichtiger sei eine strategische Energieplanung, ein Technologie-Mix und die Förderung heimischer Energiereserven, drängen Expert:innen. Sie rechnen erst 2024 mit einer spürbaren Entspannung am Energiemarkt. „Um wichtige Industrien im Land zu halten, muss die Politik daher jetzt die richtigen Anreize setzen, um die Inflation zu drücken und die Energietransformation zu beschleunigen“, mahnen die PwC-Studienautor:innen.

Außerdem bestehe für Unternehmen derzeit die Chance, mit der Erhöhung der Energieeffizienz und dem Ausbau erneuerbarer Energien neben der Energiekrise auch den Klimawandel zu adressieren und die Dekarbonisierung voranzutreiben. Gerade durch Investitionen in den Strukturwandel und in Innovationen ließe sich die Widerstandsfähigkeit für künftige Krisen ausbauen.

Credits Artikelbild: adobe stock | agnormark

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