Energiepreise Notfallshilfe

Hohe Energiepreise: Ein „Notfallkoffer“ für Unternehmen soll helfen

Die hohen Energiepreise gefährden zunehmend Arbeitsplätze und damit den Wirtschaftsstandort. Die Industrie fordert rasche Hilfe und schlägt konkrete Maßnahmen vor, um Unternehmen zu entlasten.

Der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing kündigte kürzlich an, die Produktion an seinem Standort in Heiligenkreuz im Südburgenland zurückfahren zu müssen. Zwei der drei Produktionslinien sollen demnach heruntergefahren werden. Aufgrund der hohen Energiepreise sei es derzeit nicht möglich, dort profitabel zu produzieren, heißt es.

Tatsächlich werden die Alarmsignale aus der Wirtschaft angesichts der explodierenden Energiekosten immer lauter. Eine Verzehnfachung der Gas- und Versechsfachung der Strompreise binnen eines Jahres, dazu eine sehr labile Situation, was die Verfügbarkeit von Erdgas angeht: „Die Situation ist mehr als dramatisch“, warnt Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung.

Fünf Maßnahmen gegen hohe Energiepreise

„Beispielsweise steht ein mittelgroßes Industrieunternehmen mit Energiekosten von rund einer Million Euro pro Jahr nun vor der Herausforderung, im kommenden Jahr zwölf Millionen Euro für die benötigte Energie zu stemmen – das geht sich einfach irgendwann nicht mehr aus“, rechnet Knill vor. 

Daher brauche es rasche und unbürokratische Hilfeleistungen. Wie diese aussehen könnten? Die Industrie schlägt eine Art „Notfallkoffer“ mit fünf konkreten Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise vor. Welche, wie sie funktionieren und was sie bringen? Hier ein Überblick.

1 Strompreiskompensation & Energiekostenzuschuss

Diese Hilfsinstrumente gibt es bereits. Es bräuchte allerdings eine Ausweitung beziehungsweise Verlängung. Gefordert wird eine Anhebung des Energiekostenzuschusses für energieintensive Unternehmen von derzeit 450 Millionen auf 2,5 Milliarden Euro und eine Verlängerung über 2023 hinaus. Denn viele Unternehmen beziehen derzeit auf Basis von Langzeit- und Fixpreisverträgen noch relativ günstig Energie. Laufen sie aus, wirkt der Preisschock zeitverzögert.

Zudem müsse die Strompreiskompensation dauerhaft umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Beihilfen, um Wettbewerbsnachteile der stromintensiven Großverbraucher im internationalen Standortvergleich abzufedern. So können Kosten, die durch den Kauf von CO2-Zertifikaten anfallen, laut EU-Richtlinie teilweise rückerstattet werden. Ziel ist es, das sogenannte Carbon Leakage, also die Verlagerung stromintensiver Produktionsschritte in Länder mit weniger strengen Umweltanforderungen, zu verhindern. In vielen anderen europäischen Staaten gibt es eine derartige Kompensation bereits. In Österreich bisher nicht.

2 Staatliche Garantien

Um Unternehmen bei der Beschaffung und Absicherung der notwendigen Energie zu unterstützen, braucht es staatliche Garantien wie während der Akutphase der Covid-Pandemie. Zudem fordert die Industrie eine dauerhafte Einführung eines dreijährigen Verlustrücktrags. Diese Maßnahme soll helfen, die Liquidität der Unternehmen abzusichern, denn aktuell fressen die steigenden Energiekosten die Reserven auf.

3 Gemeinsamer Einkauf

Aus Sicht der Industrievertreter braucht es zudem einen gemeinsamen strategischen Gaseinkauf in Europa. Durch die engere Kooperation können auch Projekte wie die Erschließung neuer Gasfelder oder der Bau von LNG-Terminals beschleunigt werden.

LNG ist die englische Abkürzung für „liquefied natural gas“, also verflüssigtes Erdgas. Um es zu verflüssigen, wird das Erdgas unter hohem Energieaufwand auf Temperaturen zwischen minus 161 und minus 164 Grad abgekühlt. Damit wird das Gas äußerst kompakt, leicht und sicher transportierbar. Der Vorteil: Für den Transport sind keine Pipelines notwendig. Flüssigerdgas kann in Spezialbehältern via Straße, Schiene und Wasser angeliefert werden. Um die russischen Gasimporte zu kompensieren, bräuchte es allerdings die rund 1,4-fache Kapazität aller derzeitigen europäischen LNG-Terminals.

4 Reform des europäischen Strommarkts

Die Preisbildung auf dem Energiemarkt funktioniert nach sehr speziellen Regeln. Grundlage für den Strompreis ist nämlich ein besonderes Auktionsverfahren an der Strombörse, die sogenannte Merit-Order. Damit wird – vollautomatisiert – jede Viertelstunde der Preis für die Megawattstunde Strom ermittelt. 

Erst kommen dabei die Kraftwerke mit dem günstigsten Stromangebot zum Zug. Dann wird stufenweise „aufgefüllt“, bis zuletzt die teuerste Energiequelle den Rest des aktuellen Strombedarfs abdeckt. Damit findet Strom aus ökologisch nachhaltigen Technologien wie Wasser, Wind und Sonne immer AbnehmerInnen. Gut für die Umwelt. Allerdings bestimmt für die Viertelstundentaktungen immer das teuerste Kraftwerk den gesamten Preis. Derzeit ist dies meist ein Gaskraftwerk, weshalb der Gaspreis auf die Strompreise durchschlägt. Schlecht für die KonsumentInnen.

Es brauche daher – „ohne das Grundprinzip der marktbasierten Strompreisbildung zu verwerfen“ (Knill) – eine Anpassung, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen abzusichern. Alleingänge von Einzelstaaten sind auch hier wenig zielführend. Würde beispielsweise nur in Österreich die Preisbildung geändert werden, würde zwar der heimische Strom billiger werden. Der günstigere Strom würde aber in weiterer Folge verstärkt exportiert werden – und käme heimischen Haushalten und Unternehmen erst wieder nicht zugute. 

5 Vorbereitungen für Kurzarbeit treffen

Auch hier geht es nicht nur um möglichst schnelle, sondern vor allem um zielgerichtete Hilfeleistungen, sollte sich die Lage nicht entspannen. Darauf muss auch die Verwaltung vorbereitet sein, um im Notfall wertvolle Zeit nicht verstreichen zu lassen. „Denn sollte es aufgrund unbezahlbarer Energiekosten oder einer Energiemangellage zu Produktionsdrosselungen in den Betrieben kommen, droht eine Kurzarbeitswelle, ähnlich jener in den Corona-Jahren 2020 und 2021“, warnt Knill.

Credits Artikelbild: adobe stock | Kings Access

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