Anfang des Jahres ließ Professor Hubert Fechner mit einer spannenden Studie zum Thema Photovoltaik aufhorchen. Heute ortet er zusätzliche Probleme: Die für den Ausbau der Photovoltaik aufgewendeten Geldmittel fließen fast alle ins Ausland ab!
Man merkt, wenn Menschen in einem Thema wirklich zu Hause sind. Man merkt das an der Art, wie sie über ihr Fachgebiet sprechen. Wie sie erklären. Welche Zusammenhänge sie herstellen können. Und so wie Professor Hubert Fechner über das Thema Photovoltaik referiert, wird gleich klar, dass dieser Mann von der Energie der Sonne regelrecht beseelt ist.
Eben aus diesem Grund ist er als stellvertretender Leiter des weltgrößten Photovoltaikprogramms bei der Internationalen Energieagentur (IEA-PVPS) tätig und bekleidet viele weitere Positionen in seinem Fachgebiet. Vor allem aber ist er auch Obmann der Technologieplattform Photovoltaik (TPPV) und als solcher immer wieder im medialen Fokus. Besonders Anfang des Jahres, als der international hoch angesehene Wissenschafter eine Studie präsentierte, die hohe Wellen schlug. Denn: Fechner kommt in seiner Expertise zu dem Schluss, dass Österreich seine hochgesteckten Energieziele nur mithilfe von großflächigen Photovoltaik-Anlagen erreichen kann, mit sogenannten Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Eine Tatsache, die man bis dato definitiv nicht am Radar hatte und die gerade bei der Erarbeitung des nun in Prüfung befindlichen Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) nicht unwesentlich sein sollte.
Was wurde aus Hubert Fechners Masterplan-Idee?
Aber kurz ein Sidestep zum Verständnis, was die Energieziele betrifft: Diese besagen, dass Österreich bis zum Jahr 2050 durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen die sogenannte Klimaneutralität zu erreichen hat. Dass Strom also ausschließlich aus erneuerbaren Ressourcen gewonnen werden muss. Und als erster großer Marker wurde hier die #mission2030 ausgegeben. Diese gilt als erstes Etappenziel und besagt, dass Österreich bilanziell 100 % auf erneuerbaren Strom umstellt und unter anderem bis 2030 zusätzlich elf Terawattstunden aus Photovoltaik kommen sollen. Zum Vergleich: Derzeit sind es 1,5 Terawattstunden (TWh).
Es ist also offensichtlich noch einiges zu tun. Eben deshalb rief Fechner im Zuge der Veröffentlichung seiner Studie die Bundespolitik und alle an der Erarbeitung des EAGs beteiligten Seiten dazu auf, einen konkreten Masterplan zu erstellen, der eine ganzheitliche und keine eindimensionale Lösung anbieten sollte. Sonst würden Chancen auf eine optimale Gestaltung der Energiewende im systemischen und industriepolitischen Bereich vergeben.
Heute, fast ein Jahr nach dieser Forderung, gibt es mit dem EAG zumindest einen Gesetzesentwurf. Aber: Wie sieht es mit der Realität außerhalb politischer Gremien aus? Eine Bestandsaufnahme.
Was hat sich seit Ihrem Ruf nach einem konkreten Masterplan getan, wo stehen wir heute in Sachen Photovoltaik in Österreich?
Hubert Fechner: Was wir jetzt sehen, ist die Situation, dass es beim weiteren Ausbau der Photovoltaik (PV) einfach um eine Minimierung der Kosten geht. Also nach wie vor geht es darum, die billigste Kilowattstunde Strom aus Erneuerbaren Energien, insbesondere aus der PV, zu erzeugen. Dabei stellt sich aber keiner die Frage, ob die billigste auch die beste Kilowattstunde für Österreich ist!
Aber warum ist eine günstige Kilowattstunde nicht automatisch auch die beste für uns?
Hubert Fechner: Das ist recht einfach: Wenn ich nur die billigsten Anlangen installiere, riskiere ich die hohe Akzeptanz dieser Technologie in Gefahr zu bringen und habe kaum österreichische Produkte, die verbaut werden. Und dann wird die heimische Wirtschaft davon kaum profitieren. Das ist insofern paradox, als dass wir in Österreich zudem ein großartiges Angebot solcher Bauteile haben. Allein die Firma Energetica baut gerade in Kärnten die größte Modulfabrik Europas! Hier existieren also jedenfalls Produktionskapazitäten, die zumindest dem vierfachen österreichischen Markt entsprechen würden. Außerdem gibt es mit Kioto-Sonnenkraft, DAS-Energy und Ertex-Solar bereits heute drei weitere Firmen, die hier angesiedelt sind.
Aber wäre nicht jetzt noch Zeit, hier einzugreifen oder Anreize zu schaffen, die heimische Produkte forcieren?
Hubert Fechner: Ja. Deshalb haben wir das auch von der österreichischen Technologieplattform als Stellungnahme zum Gesetzestext des EAGs ganz klar formuliert. Die Sache geht gerade in eine Richtung, die für die Wirtschaft in Österreich langfristig kaum einen Effekt haben wird. Ich habe mit österreichischen Produzenten von Modulen und von Wechselrichtern gesprochen, und die alle sagen: „Wir kommen da ganz sicher nicht zum Zug! Da werden nur asiatische Produkte verwendet!“ Jetzt muss man sagen, dass diese nicht grundsätzlich schlechter sind, aber sie sind natürlich etwas niederpreisiger. Und somit liegt die Sache auf der Hand: Regionale Wertschöpfung wird es da nicht geben.
Und wie sieht es mit den Arbeiten vor Ort aus, werden hier nicht zumindest Arbeitsplätze geschaffen?
Hubert Fechner: Das wird immer wieder argumentiert: die Anlageninstallation. Das ist auch ein großer Punkt, aber hier darf man zu Recht befürchten – und gerüchteweise passiert das bereits –, dass für den Bau solcher Photovoltaik-Großanlagen, um die es hier vorwiegend geht, ausländische Billigarbeitskräfte mit Bussen herangekarrt werden. Die montieren dann die Module und sind schon wieder weg. Das bedeutet also, dass sich nicht einmal die österreichischen Installationsunternehmen, von denen wir viele hunderte haben, davon etwas erwarten können. Die werden da auch nicht zum Zug kommen. Das heißt: Der österreichischen PV-Wirtschaft mit ihren aktuell fast dreieinhalbtausend Beschäftigen wird diese Entwicklung sehr wenig bringen. Und das ist eine große Gefahr, die ich sehe.
Es wird bislang nicht einmal irgendwie überlegt, in welcher Form man die Photovoltaik nun ausbauen möchte.
Professor Hubert Fechner
Gibt es im nun vorliegenden Gesetzesentwurf hier gar keine korrigierenden Elemente?
Hubert Fechner: Diesbezüglich ist im Gesetz eigentlich sehr wenig adressiert. Es gibt ein paar gute Tendenzen, zumindest den Wunsch, dieses Million-Dächer-Programm als vorrangig zu betrachten. Also dass man wirklich versucht, die Dächer für Photovoltaik zu nutzen, aber auch andere bereits gebaute Strukturen wie Parkplätze, Schallschutzwände oder die Überdachung von Straßen und Wegen – das geht ganz klar in die richtige Richtung. Aber da vermisse ich im Gesetz Anreize dafür. Und das führt mich wieder zum Thema des von mir schon vor Monaten angesprochenen Masterplans.
Gibt es diesen nun oder ist das EAG einfach etwas ganz anderes?
Hubert Fechner: Den gibt es noch immer nicht. Es wird bislang nicht einmal irgendwie überlegt, in welcher Form man die Photovoltaik nun ausbauen möchte. Also: In welcher Form will ich als Land Österreich diese notwendigen elf Terrawattstunden, und bis 2040 dann noch weitere 15–20 TWh ausbauen? Und: Was für Effekte wollen wir damit erzielen? Eben inklusive der Effekte der Beschäftigung …
Also: Sie meinen, es ist noch nicht klar, ob man einfach Freiflächen baut oder nur Dächer bestückt oder wie und wo man was am besten macht?
Hubert Fechner: Ja. Und aufgrund der aktuellen Situation, dass man eben vor allem möglichst günstige und großflächige Anlagen errichtet, die man mit billigen Bauteilen aus Asien am besten hinstellen kann. Diese haben auch ihre Berechtigung, aber nicht in der Ausschließlichkeit. Vor allem auch deshalb, weil so der Aspekt der Dezentralisierung der Energieversorgung völlig verlorengeht. Und dabei sollte die Energiewende, von der alle reden, auch eine Wende hin zum Dezentralen sein!
Wie meinen Sie das genau, was können wir uns unter einer Dezentralisierung des Stroms vorstellen?
Hubert Fechner: Der Strom muss seine Anonymität verlieren! Diese Idee, dass der Strom aus der Steckdose kommt, das muss einfach gestern gewesen sein. Heute können wir sogar selbst etwas dazu beitragen, dass der Strom in unserer Nähe erzeugt wird. Dabei geht es um eine Demokratisierung der Stromerzeugung. Dass man wirklich Bürger und Bürgerinnen in die Pflicht nimmt und sagt: Schaut einmal selber, wie viel Strom ihr in eurem Umfeld wirklich selbst schon mal generieren könnt. Wenn wir das ausloten, können wir immer noch den Rest mit großen Kraftwerken abdecken, aber die Möglichkeiten der Erneuerbaren Technologien haben viel Potenzial erschlossen, um wirklich kostengünstig einen großen oder signifikanten Teil des Stromes vor Ort zu produzieren.
Reden wir da von Einfamilienhäusern oder hat das auch andere Facetten?
Hubert Fechner: Wir reden vom Privaten genauso wie vom Gewerbeunternehmen, das an seinem Standort Strom am Dach oder in seiner Nähe selbst erzeugt. Und aufgrund der Charakteristik der PV kommen da jedenfalls gleich noch weitere Facetten hinzu: Brauche ich vielleicht einen Speicher, und sollte ich meine Prozesse im Betrieb dahingehend adaptieren? Da kommen dann Energiemanagement-Überlegungen ins Spiel und so das Verständnis, für die eigene Energieproduktion mitverantwortlich zu sein. Vielleicht will ich mich auch in Sachen Mobilität neu aufstellen, den Fuhrpark elektrifizieren und eine E-Tankstelle integrieren? All diese Aspekte gehen verloren, wenn es weiter in die Richtung geht. Wir denken ein bisschen die alte Energiewirtschaft weiter mit Großprojekten, Großkraftwerken, die auf der grünen Wiese stehen. Das nun eben auf der Basis der Erneuerbaren Energien. Aber im Prinzip ist es das alte Denken der alten Energiestrukturen, einfach linear fortgesetzt.
Es wird also nach wie vor nicht nach einem Masterplan gearbeitet, sondern kurzfristig vorgegangen?
Hubert Fechner: Ja, der erste Schritt ist richtig gedacht worden. Wir brauchen mehr Strom aus Erneuerbaren, das steht außer Frage. Und die Größenordnung mit elf Terrawattstunden bis 2030 anzugeben, ist sicher sinnvoll. Es weiß aber auch jeder, obwohl kaum jemand darüber spricht: Wenn jetzt in Richtung Klimaneutralität der zweite Schritt getan wird, wenn wir bis 2040 Klimaneutralität erreichen wollen, wie es sich die Regierung ambitioniert vorgenommen hat, machen diese elf Terrawattstunden erst den Anfang. Wir werden irgendwo in Richtung 25, 30 vielleicht sogar 35 Terrawattstunden an Photovoltaik brauchen. Somit kann man heute noch deutlicher sagen als je zuvor: Wir müssen uns jedenfalls etwas überlegen!