Ilse Burgstaller

Ilse Burgstaller: Diese Managerin bietet Arbeitszeitmodelle nach Maß

Ilse Burgstaller führt das Innviertler Softwareunternehmen RZL in Teilzeit. Jedem und jeder Mitarbeiter:in stellt sie das passende Arbeitszeitmodell zusammen. Wie das funktionieren soll? Das verrät sie im Interview.

Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass ich an der Johannes-Kepler-Universität Linz studieren werde“, erinnert sich Ilse Burgstaller. Doch dann erzählten ein paar Burschen aus ihrer Klasse, dass es eine Fachhochschule in Hagenberg gibt, die sie sich ansehen möchten. „Da bin ich mitgefahren.“ Es war ein sonniger Tag. Ein paar Studierende, die gerade unterrichtsfrei hatten, lagen entspannt in der Wiese. 

Die Stimmung und die Umgebung sprachen die junge Oberösterreicherin sofort an. „Hier möchte ich lernen“, beschloss sie. Also bewarb sie sich, bestand die Aufnahmsprüfung mit Bravour und entschied sich für den Studienlehrgang „Software Engineering“. „Der war am mathematiklastigsten.“

Familie und Förderer

Vorbilder aus der IT-Branche hatte sie damals keine. „Ich komme aus einer Unternehmerfamilie – mütterlicher- und väterlicherseits. Wir haben gelernt, was es bedeutet, wenn das Geschäft gut oder weniger gut läuft. Und obwohl wir nicht reich waren, haben wir alles bekommen, was wir gebraucht haben.“ Vor allem habe sie die ständige Unterstützung ihrer Eltern erfahren, sowie die ihrer Tante und Taufpatin. „Wenn ich mir nicht sicher bin, ob etwas gescheit ist oder nicht, spreche ich nach wie vor mit ihnen darüber – das ist sehr wertvoll.“

Ilse Burgstaller
Ilse Burgstaller wusste schon früh, dass sie einen technischen Beruf ergreifen würde. Nach ihrem Studium sammelte sie bei Comneon in Linz, einer Tochterfirma von Infineon, erste Erfahrungen im Bereich Software-Qualitätssicherung.Foto: RZL Software

Mit ihren Lehrkräften, speziell in den Fächern Mathematik und Darstellende Geometrie, hatte sie ebenfalls Glück. Sie ließen sie machen, glaubten an sie und schufen eine Umgebung, in der die wissbegierige Schülerin sich voll entfalten konnte. So entwickelte Ilse Burgstaller in der Oberstufe ein Faible für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften) und wusste schon früh, dass sie später einen technischen Beruf ergreifen würde.

Zweimal probiert – beim ersten Mal ist nix passiert

Mit 22 hatte sie die Fachhochschule in Hagenberg abgeschlossen und begann ein Praktikum bei Comneon in Linz, einer Tochterfirma von Infineon, wo sie erste Erfahrungen im Bereich Software-Qualitätssicherung sammelte. Für kurze Zeit verschlug es sie auch nach München, um für Siemens zu arbeiten. „Doch München und ich – das hat nicht funktioniert.“ 

Zurück in Österreich bewarb sich die gebürtige Riederin bei RZL in Ried, einem Unternehmen, das effiziente und einfach zu bedienende Software-Lösungen im Bereich Rechnungswesen anbietet. Allerdings wurde sie nicht zurückgerufen. „Damals hat das Recruiting noch nicht so gut funktioniert“, schmunzelt sie. „Deshalb bin ich zu einer Firma in Traun gegangen, wo wir uns mit RFID-Technologie beschäftigt haben. Das war etwas, womit ich davor noch nie zu tun hatte, und total spannend, weil wir Hardware und Software entwickelt haben.“ Doch das Umfeld sei nicht unbedingt frauenfreundlich gewesen. Deswegen kündigte sie nach eineinhalb Jahren und gab RZL eine zweite Chance. Diesmal klappte es sofort mit einem Rückruf.

Ich komme aus einer Unternehmerfamilie – mütterlicher- und väterlicherseits. Wir haben gelernt, was es bedeutet, wenn das Geschäft gut oder weniger gut läuft.

Ilse Burgstaller

Vereinbarkeit von Studium und Beruf

Während sie bei RZL Software zu arbeiten anfing, begann sie auch ein berufsbegleitendes Management-Studium in Steyr. „Zuerst ein bisschen Berufserfahrung sammeln und dann noch einmal ein berufsbegleitendes Studium anhängen“ – diesen Karriereweg könne sie nur empfehlen, weil man dadurch Themen ganz anders miteinander verknüpfen könne. Nach einem Jahr wurden Vollzeitjob und Studium allerdings zu viel und schlugen auf die Gesundheit. Ilse Burgstaller überlegte, das Studium für ein Jahr zu unterbrechen, doch ihr Studiengangsleiter stellte ihr einen individuellen Studienplan zusammen, damit sie beides vereinbaren konnte und auf nichts verzichten musste. 

Arbeitszeitmodelle für alle

Fast 15 Jahre ist das nun her. Seit 2021 ist Ilse Burgstaller Geschäftsführerin von RZL Software, gemeinsam mit Eigentümervertreter Gerald Stürzlinger. „Ich arbeite 30 Stunden, Gerald Stürzlinger aktuell ein bisschen weniger. Wir ergänzen und vertreten einander, können uns austauschen und auch die gefühlte Last aufteilen“, zählt sie einige der Vorteile auf. Flexibilität wird aber groß geschrieben. „Inzwischen wissen wir alle, dass der Präsentismus Unsinn ist. Ich muss da sein, wenn ich gebraucht werde und Prioritäten setzen. Immerhin gibt es Smartphones und mobiles Internet. Und sollten alle Stricke reißen – ich wohne ja nur zwei Kilometer von der Firma entfernt – packe ich meine beiden Kinder ein und komme ins Büro. Hier bin ich auch bestens mit vielen Spielsachen ausgerüstet“, lacht sie.

Das Um und Auf seien aber die „sehr vielen, sehr fähigen Mitarbeiter:innen“. 110 sind es insgesamt. Ihnen will sie die Unterstützung und Flexibilität, die sie in der Vergangenheit selbst erfahren hat, auch bieten. Denn es gäbe immer wieder Phasen, sagt sie, egal, ob man zum Beispiel Kinder betreuen oder Angehörige pflegen muss, in denen man die Arbeitszeiten an den Alltag anpassen muss. Wenn Mitarbeiter:innen ihr sagen, was sie gerade benötigen, versucht sie es, dank der hauseigenen Software, auch umzusetzen. Bei ihr bekomme jede und jeder das Arbeitszeitmodell, das er oder sie braucht. Sie selbst hatte, als ihr erster Sohn in den Kindergarten kam und öfter krank war, in einem Jahr fünf verschiedene Arbeitszeitmodelle, ohne sich dafür rechtfertigen oder entschuldigen zu müssen.

Evolution in kleinen Schritten

Auch die Holokratie, eine spezielle Managementform, die RZL vor knapp sieben Jahren einführte, kommt ihr entgegen, „weil es eine Evolution in kleinen Schritten ist, die pure Flexibilität sozusagen“, schwärmt die Geschäftsführerin. Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um ein modernes Organisationsmodell, bei dem ein Unternehmen Hierarchien reduziert und alle Mitarbeiter:innen in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden. 

„Ein bisschen ist es so, als würde man sich unbekleidet vor den Spiegel stellen. Bei der Holokratie kann man nichts verstecken, jedes Thema kommt auf den Tisch. Die Frage ist natürlich, ob man eingreift oder nicht, aber man kann im Nachhinein nicht behaupten, dass man etwas nicht gewusst hätte.“ Dadurch bleibt das Unternehmen dynamisch und kann schnell und flexibel auf Änderungen reagieren.

Und damit wären wir wieder beim Thema Flexibilität, das sich wie ein roter Faden durch Ilse Burgstallers Leben zu ziehen scheint. „Anders als viele meiner Studienkolleg:innen hatte ich nie einen fixen Plan, bis wann ich was erreicht haben muss. Denn wäre mir das nicht gelungen, wäre ich zu sehr von mir enttäuscht gewesen. Vielmehr habe ich mich vor jedem Schritt gefragt, ob mein Leben dadurch besser wird oder nicht, und wenn ich die Chance gesehen habe, dass sich dadurch etwas zum Positiven wendet, bin ich diesen Weg gegangen.“

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Ilse Burgstaller ist sich sicher: „Das Um und Auf sind die sehr vielen, sehr fähigen Mitarbeiter:innen.“Foto: RZL Software

„Aus Verletzungen gelernt“

Ilse Burgstaller wirkt zufrieden und gelassen. Sie scheint den Spagat zwischen Familie und Karriere geschafft zu haben. Statt sich zu verbiegen, hat sie Strukturen angepasst, neue Wege gefunden, aber auch auf Menschen bauen können, die sie dabei unterstützt haben – allen voran ihr Mann. „Ich habe mir schon einen Mann ausgesucht, mit dem ich das alles machen kann und habe von Anfang an zu ihm gesagt: „Ich will eine Familie haben, aber ich will auch arbeiten, und wenn du dein Leben mit mir verbringen möchtest, musst du mithelfen. Dann müssen wir das miteinander machen, sonst geht’s nicht. Aber das war der einzige rationale Aspekt“, lacht sie, „der Rest war Liebe.“

Aber auch in ihrem Leben habe es natürlich Situationen gegeben, die ihr zu schaffen machten oder in denen sie unfair behandelt wurde. Etwa als sie sich für einen Tutor-Posten an der FH bewarb, den letztendlich ein Mann bekam, oder eingangs erwähnte Firma, in der man als Frau nicht gewürdigt wurde. „Doch auch wenn es weh getan hat, war jede Verletzung im Nachhinein gesehen wichtig, weil ich daraus gelernt habe“, meint sie rückblickend.

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