Infrastruktur Ausbau

Österreichs Infrastruktur – die größte Baustelle des Landes

Die hoch emotional geführte Diskussion um das vorläufige Aus des Lobautunnels spült ein viel größeres Problem an die Oberfläche: den schleppenden Ausbau unserer Infrastruktur. Denn hier brennt ganz offensichtlich der Hut!

Es hat fast den Anschein, als würde just die so emotional geführte Lobautunneldiskussion auf überraschende Art und Weise endlich den Fokus auf eines der für Österreich wohl relevantesten Themen lenken: den Infrastrukturausbau. Ein sperriger Begriff, unter dem man sich auf Anhieb auch gar nicht so viel vorstellen kann. Dabei verbirgt sich hinter diesem Wort nicht bloß die eine oder andere Straße, die vielleicht gebaut wird. Oder bloß der wirtschaftliche Erfolg der Alpenrepublik.

Im Grunde sind ohne einen dringend beschleunigten Ausbau unserer Infrastruktur weder Mobilitäts- noch Energie- und Klimawende möglich. Und schon gar keine echte Digitalisierung. Warum das so ist, wird deutlich, wenn man sich die einzelnen Bausteine, aus denen unsere Infrastruktur besteht, genauer ansieht. Das haben wir gemeinsam mit den beiden Infrastrukturexpertinnen Monika Schuh und Judith Obermayr-Schreiber getan.

Kraftwerke die 27 Terrawattstunden Strom erzeugen müssten bis 2030 gebaut werden.

Infrastrukturbaustelle 1: Kraftwerke & Stromnetz

Hierbei kumulieren gleich zwei große Themengebiete und ergeben in Summe eine kaum noch überschaubare Baustelle. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Nachdem sich Österreich selbst das extrem ambitionierte Ziel gesteckt hat, bis zum Jahr 2030 seinen gesamten Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen beziehen zu wollen, geht es in Sachen Kraftwerks- und Netzausbau ans Eingemachte.

Oder, besser gesagt, sollte er ans Eingemachte gehen. Denn die Realität sieht leider gänzlich anders aus, wie Judith Obermayr-Schreiber von der Industriellenvereinigung bestätigt. Sie rechnet vor: Um das Ziel erreichen zu können, müssten 27 Terrawatt-Stunden zugebaut werden. Davon wiederum sollten über zwei Drittel auf sogenannte volatile Erneuerbare entfallen, also auf Photovoltaik oder Windkraft. Eine konstante und verlässliche Stromerzeugung wird wiederum durch Wasserkraftwerke bzw. Pumpspeicher gesichert: Kurzfristige Schwankungen im Strombedarf können ausgeglichen werden und garantieren so die Versorgungssicherheit.

Flaschenhals: Genehmigungsverfahren

Allein: Derzeit sind in keinem dieser drei Bereiche ausreichend viele neue Kraftwerke in Bau. Und das liegt nicht unbedingt daran, dass es zu wenig ambitionierte Projekte gäbe. Vielmehr sind es extrem lange Genehmigungsverfahren, die zum Flaschenhals werden. „Fünf bis zehn Jahre oder mehr sind etwa für Wasserkraftwerke zur Regel geworden“, so die Fachfrau.

Stromnetz
Der Ausbau des Stromnetzes wird in Kombination mit fehlenden Kraftwerken zum immer größeren Problem.Foto: APG

Noch dramatischer stellt sich die Situation beim zweiten Teil des Stromproblems dar – dem Ausbau des Netzes. Hier hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Verfahren durch grobe Ineffizienzen in der Strukturierung, sowie durch mehrere Rechtsgänge aufgrund von Beschwerden seitens der Projektgegner, zu jahre- bzw. jahrezehntelangen Verzögerungen führten. Das Ergebnis ist ein Stromnetz, das selbst, wenn wir beim Kraftwerksausbau in die Gänge kämen, den Strom nicht ausreichend weitertransportieren könnte.

Zu wenig Strom. Zu schlechte Netze

Auf den Punkt gebracht kann man das Problem so darstellen: Wir produzieren besonders im Winter zu wenig Strom, könnten mehr Strom aber nicht verarbeiten und wissen gleichzeitig, dass wir in naher Zukunft noch viel mehr Strom brauchen werden. „Denn“, so Expertin Monika Schuh, „um die Mobilitätswende und die Klimawende herbeiführen zu können, bedarf es Strom. Und zwar grünen Strom!Schließlich machen E-Autos nur Sinn, wenn sie mit Grünstrom betrieben werden. Und langfristig gesteckte Ziele, wie etwa das autonome Fahren öffentlicher Verkehrsmittel, wird wiederum nur dann möglich sein, wenn unser Telekommunikationsnetz auf dem letzten Stand ist. Und das braucht dann auch weit mehr Energie als derzeit. Abgesehen davon ist es allein schon aus aktueller Sicht besonders relevant, das Stromnetz mit all seinen Facetten auf Stand zu bringen, um ein drohendes Blackout-Szenario wieder in weite Ferne rücken zu können.

Der Lösungsansatz:

Auf den ersten Blick sieht die Sache einfach aus: Die Genehmigungsverfahren verkürzen! Allein, das ist kein ganz triviales Unterfangen. Schließlich würde das zwangsläufig bedeuten, dass in bestehendes Recht eingegriffen wird. So können – vereinfacht gesagt – aktuell etwa alle an einem Projekt beteiligten Parteien zu jedem Zeitpunkt zu jedem Aspekt Einwände einbringen. Eine Tatsache, die teilweise sehr bewusst genutzt wird, um Verfahren viele Jahre in die Länge zu ziehen. Vor allem aber auch eine Umsetzung von Unionsrecht, die weit über den EU-Richtlinien liegt. Hier wird seitens der Wirtschaft auf Hochtouren an konkreten Lösungen gearbeitet und es werden bestehende Forderungen aktualisiert.

Infrastrukturausbau
Eine langfristige und verklässliche Planung im Straßenbau ist für Unternehmen besonders wichtig.Foto: Symbolbild: Adobe Stock | Anton Gvozdikov

Infrastrukturbaustelle 2: Die Straßen

Genauso, wie es für die ÖBB ein langfristiges Bauprogramm gibt, verfügt auch die Asfinag über eine Planung, die viele Jahre in die Zukunft reicht. Das macht naturgemäß Sinn, da sich nur so Unternehmen orientieren können. Gleichzeitig aber geht es dabei auch darum, dass gewisse Wohngebiete langfristig vom Verkehr entlastet werden und sich eben auch darauf einstellen können. Diese Tatsache wurde nun mit dem vorläufigen Aus des Lobautunnels in großem Stil konterkariert, weshalb es auch zu derart emotionalen Diskussionen kommt. „Betriebe sind darauf angewiesen, dass ihre Güter von A nach B kommen“, holt Fachfrau Monika Schuh aus. „Sie müssen wissen, was wo kommt, um konkrete strategische Entscheidungen treffen zu können.“ Das gilt eben nicht nur für das Lobautunnelprojekt, sondern ist auf alle nun ins Wanken geratenen Straßenprojekte umlegbar.

Auch „Fachkräfte, die sich vielleicht im jeweiligen Ballungszentrum ansiedeln wollen, werden von schlechten Verkehrsverbindungen nicht zwingend angezogen“, fügt Judith Obermayr-Schreiber hinzu. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine zusätzliche Erschwernis. Vor allem aber sei die Sache in Anbetracht des Klimaschutzes mehr als fragwürdig, sind sich Schuh und Obermayr-Schreiber einig. Schließlich würden erhöhte Stauzeiten zwangsläufig zu einem erhöhten CO2-Ausstoß führen. Und das langfristig.

Der Lösungsansatz:

Abgesehen davon, dass die Rechtslage schlussendlich wohl kein endgültiges Aus für den Lobautunnel zulassen dürfte, gilt es auch hier, die Grundlagen zu verbessern, also die Genehmigungsverfahren. Bei Schienen- und Straßenprojekten sind nämlich sowohl die Länder als auch der Bund für unterschiedliche Teilbescheide, die allesamt einzeln beeinsprucht werden können, verantwortlich. Hier wäre eine Zentralisierung der Genehmigungsverfahren beim Bund nicht nur ressourcenschonender, sondern auch zeitsparender.

Der 5G-Ausbau bildet aus Industriesicht die wichtigste technologische Basis für die Energie- und Mobilitätswende!Foto: Symbolbild: Adobe Stock | kanpisut

Infrastrukturbaustelle 3: Die Telekommunikation

Was man landläufig nicht so auf dem Radar hat, ist die Tatsache, dass flächendeckend schnelles Internet eher für die Industrie als für Privatpersonen relevant ist. „Der 5G-Ausbau bildet aus Industriesicht die wichtigste technologische Basis für die Energie- und Mobilitätswende“, erläutert Expertin Monika Schuh. Schließlich ist 5G jene Technologie, die erstmals nur noch eine vernachlässigbare Verzögerung bei der Datenübertragung (Datenlatenz) aufweist. Eben das ist der springende Punkt, wenn es etwa um automatisierte Mobilität geht. Um flächendeckende Drohnentransporte oder um die Kommunikation innerhalb von Produktionsstätten oder Produktionseinheiten.

Hier ist man im Grunde auf einem guten Weg, wie Schuh betont: „Es wurden für die Netzbetreiber im Wesentlichen gute Grundlagen geschaffen.“ Allerdings betont sie: „Die voranschreitende Digitalisierung wird aller Voraussicht nach das Wachstum beschleunigen. Das wiederum bedeutet auch einen erhöhten Energiebedarf.“ Und das Thema Energie-Infrastruktur ist bekanntlich unsere größte Baustelle (siehe Punkt 1).

Erst kürzlich wurden 18 Milliarden Euro für den weiteren Ausbau des Schienennetzes beschlossen.

Infrastrukturbaustelle 4: Die Schiene

Dieses Problem ist schnell erklärt: Es gibt im Grunde keines. Bekannterweise ist die Schiene der präferierte Verkehrsträger von Bundesministerin Leonore Gewessler. Erst kürzlich wurden 18 Milliarden Euro für den weiteren und auch durchaus sinnvollen Ausbau des Schienennetzes beschlossen. „Eine Tatsache, die einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten kann“, so Monika Schuh. Nur vor einem Aspekt mahnt die Expertin: „Zu glauben, dass man tatsächlich alles von der Straße auf die Schiene verlagern kann, wäre ein Fehler.“ Schließlich macht gerade die berühmte letzte Meile in nicht urbanen Gebieten hierbei schon jetzt Probleme.

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