Joe Biden

Joe Biden – die ersten 100 Tage: Bleibt alles besser?

Ende Jänner wurde Joe Biden als US-Präsident angelobt. Seither hat er im Vergleich zu seinem Vorgänger mit wenig Aufsehen viel verändert. Aber stimmt die Richtung?

Die USA sind der wichtigste Handels- und strategische Partner Europas. Umso entscheidender ist der Kurs, den die größte Volkswirtschaft der Erde gegenüber der EU einschlägt. Seit Joe Biden Ende Jänner die Nachfolge des eher auf Konfrontation denn Kooperation ausgerichteten Donald Trump angetreten hat, hat sich das Klima zumindest verändert. Es ist ruhiger, konstruktiver, planbarer geworden, sagen BeobachterInnen. Gut für die USA. Aber auch gut für Europa?

Was ging von den Ängsten? Was bleibt von den Hoffnungen? Was kommt von den Ankündigungen? Nach den ersten einhundert Tagen seiner Administration stehen auf der Haben-Seite von Joe Biden schon viele Punkte.

Joe Biden zwischen Konfrontation und Kooperation

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind die USA von einem globalen Krisenherd dank einer offensiven Impfstrategie zu einem Vorbild für Europa geworden. Das Auf-Distanz-Gehen der USA in der internationalen Klimaschutzpolitik hat Joe Biden in ein Wiederaufeinanderzugehen verwandelt. Die Rückkehr ins Pariser Klimaschutzabkommen und die Abhaltung eines virtuellen Klimagipfels mit China und Russland zeugen von dieser radikalen Richtungsänderung.

Grafik Handelsbeziehungen USA EU
Die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Österreich: Bei den Direktinvestitionen auf Augenhöhe.Foto: IV

Apropos China und Russland: Da war von „Sleepy Joe“, wie Biden von seinem Vorgänger verächtlich bezeichnet wurde, nicht viel zu spüren. Biden zeigt „klare Kante“ gegenüber den beiden weltpolitischen Konkurrenten. Parallel ist er aber um ein möglichst kooperatives Verhältnis bemüht. Rückt Europa damit ins Abseits?

US-Firmen sichern Jobs in Österreich 

Nein, sagt Michael Löwy, Experte für internationale Beziehungen. Man dürfe diesbezüglich vor allem die Relationen nicht aus den Augen verlieren. „Die Investitionen von EU-Unternehmen in den USA sind achtmal so hoch wie in China und Indien zusammengenommen“, rechnet er vor. Umgekehrt sind amerikanische Investitionen in der EU dreimal so hoch wie in ganz Asien. 

Michale Löwy
Michael Löwy, Experte für Internationale Beziehungen: „Die USA sind Österreichs zweitwichtigster Handelspartner.“Foto: IV

Man braucht einander also auf beiden Seiten des Atlantiks, wobei das Netz der Abhängigkeiten dichter ist, als es auf den ersten Blick scheint. So sind die USA allein für Österreich der zweitwichtigste Exportmarkt. Bei Investitionen im jeweils anderen Land agiert man mit jeweils rund elf Milliarden Euro auf Augenhöhe. Diese Ausgaben US-amerikanischer Firmen sichern in Österreich rund 16.500 Arbeitsplätze, umgekehrt sind 700 heimische Unternehmen in den USA aktiv. Zudem partizipiert aber Österreich auch von den engen Handelsbeziehungen der USA mit Deutschland – Letzteres ist ja Österreichs wichtigster Auslandsmarkt.

Fokus bleibt auf Pazifik gerichtet

Bestärkt werden die Verflechtungen durch die positiven Aussichten auf die Konjunkturentwicklung in den beiden wichtigsten Volkswirtschaften der Welt. Die Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds gehen für die USA von 6,4 Prozent aus, für die EU von 4,4 Prozent. Auch diesbezüglich braucht man einander, steht diesen Werten doch ein achtprozentiges Plus beim größten Konkurrenten China gegenüber.

Durch die neuen Mehrheitsverhältnisse in den USA – die Demokraten halten jetzt auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit – hat Joe Biden einen wesentlichen Entscheidungsspielraum, um diese transatlantischen Beziehungen zu gestalten. Auch wenn der eigentliche wirtschaftspolitische Fokus der USA auf Asien und den prosperierenden pazifischen Raum gerichtet bleibt. Diesen Schwerpunkt wird Biden fortsetzen, glaubt Löwy.

„Chance für eine bessere Agenda“ 

Positiv wertet er aber die Bemühungen der Biden-Administration in der Welthandelsorganisation (WTO), die Handelsbeziehungen wieder auf rechtlich sicherere Beine zu stellen – „weil es nicht funktionieren kann, wenn jeder unter fairen Beziehungen etwas anderes versteht“. Löwy hält die nächsten vier Jahre daher für eine Chance, „zu einer besseren Agenda mit den USA zu kommen, die wieder mehr Stabilität bringt“. 

Keine Abkehr von Barack Obamas „Buy American“- und Donald Trumps „America first“-Linie erwarten BeobachterInnen allerdings bezüglich der Regeln für Investitionen in den USA. Auch für Biden wird die Stärkung der nationalen Wertschöpfung zentrales Thema bleiben. Allein dafür hat er ein Zwei-Billionen-Dollar-Infrastrukturpaket für die kommenden acht Jahre präsentiert, mit dem er die US-Wirtschaft nach Corona wieder in Schwung bringen will. Dazu kommen enorme Ausgabenvorhaben für den Sozial- und Gesundheitsbereich, die vor allem eines schaffen sollen: neben den Standards auch die Stimmung im Land zu heben.

FacharbeiterInnenmangel auch in den USA  

Ein nachvollziehbarer Schritt für einen Markt, der hauptsächlich von der eigenen Konsumdynamik und weniger vom Export lebt, findet Volker Amman. Der österreichische Wirtschaftsdelegierte in den USA sieht aber dennoch ein hohes Potenzial für österreichische Exporteure. Chancenreich seien vor allem Zukunftstechnologien im Bereich von Green Tech und in der Bauindustrie, beispielsweise in der Sensortechnologie für Brücken oder der Steuertechnologie für Energienetze. 

Denn in ihrem Wiederaufbauprogramm stehen die USA teilweise vor größeren Herausforderungen als Europa, spielt Ammann auf ein auch in Österreich nicht unbekanntes Problem an: den FacharbeiterInnenmangel. Zum einen fehlt in den USA eine Lehrlingsausbildung, wie man sie in Österreich kennt. Zum anderen ist es noch deutlich schwieriger, dafür junge Menschen zu finden, auszubilden und auch in Produktionsprozessen zu halten. Dieses Manko spielt umgekehrt österreichischen Exporteuren in die Hände. „Know-how ist einer der Schlüsselvorteile, die österreichische Unternehmen in den USA haben“, sagt Ammann. Darunter werde sich auch unter Biden nichts ändern.

GUT ZU WISSEN

Die USA sind nach Deutschland die zweitbedeutendste Exportdestination für österreichische Waren, die sechstwichtigste für Dienstleistungen und der drittgrößte Investor in Österreich.

  • Heimische Betriebe schaffen in den USA rund 48.500 Arbeitsplätze.
  • Von den 700 österreichischen Unternehmen mit Präsenz vor Ort sind ca. 200 produzierend tätig.
  • In Österreich sind etwa 335 US- Firmen aktiv
  • US-Investitionen in Österreich sichern ca. 16.500 Arbeitsplätze.
  • Mit einem täglichen Warenhandelsvolumen von 1,7 Milliarden Euro sind die USA und die EU  die am engsten miteinander verflochtenen Wirtschaftsräume der Welt.
Credits Artikelbild: Facebook | Joe Biden

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