Lehre Elektrotechnik

Karriere mit Lehre wird wieder populärer

Das Interesse an einer Lehrausbildung wächst wieder. Vom Zehnjahreshoch profitiert vor allem die Industrie. „Green Tech“ steht bei den Jugendlichen hoch im Kurs.

Es ist eine der erfreulicheren Meldungen rund um den vielbeklagten Fachkräftemangel. Demnach haben im vergangenen Jahr bundesweit 35.223 junge Menschen eine Lehre begonnen. Das ist immerhin der höchste Wert seit zehn Jahren. Allein gegenüber dem Jahr 2021 gab es ein Plus von 8,5 Prozent.

Zahlenmäßig die höchsten Zuwächse an Lehranfänger:innen gab es in der Industrie (plus 17 Prozent oder 684), gefolgt vom Bereich Tourismus und Freizeitwirtschaft (plus 28 Prozent oder 605) sowie dem Sektor Gewerbe und Handwerk (plus 3 Prozent oder 405).

Initiative soll Lehre pushen

Dank dieser Zuwächse dürfte in den kommenden Jahren auch die Gesamtzahl der Lehrlinge in Österreich wieder steigen. Ende 2022 lag sie bei 108.085 – und damit im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre. Vor zehn Jahren gab es dagegen noch 120.579 Lehrlinge.

Um mittelfristig wieder dieses Niveau zu erreichen, hat sich vor fünf Jahren die Initiative „Zukunft.Lehre.Österreich“ gegründet. Es ist ein branchenübergreifender und überparteilicher Zusammenschluss von über 250 Unternehmen und Interessensvertretungen. Ziel sei es, „die Vorteile, Möglichkeiten und Chancen einer Lehre hervorzustreichen und damit das Ansehen der Lehre in der Gesellschaft zu verbessern“.

Lehre: Mehr Anerkennung erwünscht

Damit trifft man einen wunden Punkt. Denn laut einer aktuellen Market-Umfrage würden sich zwar 74 Prozent „jederzeit wieder“ für eine Lehre entscheiden. Allerdings würden sich 47 Prozent von der breiten Öffentlichkeit „mehr Anerkennung und Respekt für die Lehre als Ausbildung wünschen“.

Machtlinger
Robert Machtlinger, CEO von FACC und Präsident von „Zukunft.Lehre.Österreich“: „Wir wollen die Lehre am Puls der Zeit weiterentwickeln.“Foto: FACC

„Wir wollen diese Ausbildung am Puls der Zeit weiterentwickeln“, umreißt Robert Machtlinger daher die Stoßrichtung. Machtlinger fungiert seit Kurzem als Präsident von „Zukunft.Lehre.Österreich“, ist CEO des Maschinenbauunternehmens FACC und hat selbst am Beginn seiner beruflichen Karriere eine Lehre zum technischen Zeichner absolviert.

11.000 Lehrstellen nicht besetzbar

Das Modell der österreichischen Lehre als duale Berufsausbildung, die aus einem berufsspezifischen Schulunterricht sowie der Praxisausbildung im Unternehmen besteht, ist international hoch angesehen. In Österreich wurde das Angebot um eine Lehre mit Matura beziehungsweise Lehre nach der Matura erweitert, dennoch waren zuletzt Nachwuchssorgen die prägende Herausforderung.

Zwei Drittel der Unternehmen spüren den Fachkräftemangel beziehungsweise haben Schwierigkeiten bei der Suche nach Mitarbeiter:innen mit einem geeigneten Lehrabschluss. Allein im Jahresschnitt 2022 konnten rund 11.000 Lehrstellen rein rechnerisch nicht besetzt werden, weil es zu wenige Bewerber:innen gab.

Corona-Folge: Schule statt Lehre

Und das, obwohl eine Untersuchung der „Zukunft.Lehre.Österreich“-Initiative schon vor zwei Jahren aufzeigte, dass die Lebenseinkommen von Lehrberufen im Vergleich zu einigen akademischen Berufen gleich hoch oder sogar höher ausfallen. So weist beispielsweise der Lehrberuf Systemtechniker mit 1,88 Millionen Euro ein höheres Lebenseinkommen auf als der Beruf des Psychologen mit Universitätsausbildung (1,66 Millionen Euro).

ZAHLENSPIELE

Gäbe es eine Stadt, in der ausschließlich die derzeit in Österreich in Ausbildung befindlichen Lehrlinge wohnen würden, wäre das mit rund 108.000 Einwohner:innen die sechstgrößte Stadt – nach den Landeshauptstädten Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck, aber deutlich vor Klagenfurt.

Würden sich nur die aktuell Lehranfänger:innen zu einer eigenen Stadt zusammenschließen, wäre es die 13.-größte Stadt in Österreich, beispielsweise gleich groß wie Feldkirch und deutlich größer als die beiden Landeshauptstädte Bregenz (rund 29.300) und Eisenstadt (15.200).

1980 gingen noch knapp 200.000 Jugendliche einer Lehre nach – das entsprach damals der Einwohnerzahl der drittgrößten Stadt Österreichs, Linz.

Zuletzt bremste auch noch die Corona-Pandemie den Zustrom zur Lehre spürbar ein. Schuld daran war eine spezielle Aufstiegsklausel in den Schulen, die während der von Lockdowns und Homeschooling geprägten Zeit galt. Schüler:innen durften demnach auch mit einem oder mehreren „Nicht genügend“ in die nächste Schulstufe aufsteigen. Viele Jugendliche blieben als Folge trotz negativer Beurteilung weiter in den Schulen, anstatt eine Berufsausbildung zu starten. Dadurch blieben viele Lehrstellen unbesetzt.

Weg von den „Klassikern“

„Die Berufsorientierung ist auf allen Längen zu kurz gekommen und Betriebe hatten nicht die Möglichkeit, sich ausreichend bei potenziellen Lehrlingen zu präsentieren“, klagte man damals. Tatsächlich waren die direkte Kontaktaufnahme und Informationsveranstaltungen durch die pandemiebedingten Zugangsbeschränkungen nicht möglich. Es gab weder Berufsinformationsmessen noch Betriebspräsentationen in den Schulen oder Schnuppertage in den Unternehmen. Auch die konkreten Bewerbungsprozesse wurden durch Corona erschwert. 

Angesichts der aktuellen Zahlen an Lehranfänger:innen scheint sich diese Situation etwas zu entspannen. Auch ein besseres Ausnützen der Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten ist zu registrieren. Längst entscheiden sich Jugendliche nämlich nicht mehr für „klassische“ Lehrberufe wie Mechaniker oder Frisörin.

Technische Lehrberufe im Aufwind

Zu den gefragtesten Berufen im ersten Lehrjahr zählt aktuell demnach mit 2.699 Lehrlingen die Elektrotechnik (plus 7 Prozent mehr Anfänger:innen), mit 866 neuen Lehrlingen die Mechatronik (plus 29,8 Prozent) oder die Informationstechnologie mit 502 Lehrlingen, was einer Steigerung um 23,6 Prozent entspricht. Außerdem rücken Ausbildungen mit „Green Skills“ stärker in den Fokus der Jugendlichen. 75 Prozent der Schüler:innen interessieren sich demnach für Jobs mit Umweltfokus.

Die Lehre wird also nicht mehr als jobmäßige Einbahnstraße empfunden, sondern als eine Art „Highway“ in Richtung berufliche Zukunft. Staugefahr gibt es auf diesem Karriereweg zwar keinen, aber das Verkehrsaufkommen nimmt deutlich zu.

Credits Artikelbild: adobe stock | kzenon

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