Katrin Zorn

„Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich jeden Tag etwas Neues lerne“

Katrin Zorn hat sich nie die Frage gestellt, warum sie etwas nicht tun sollte, nur weil sie eine Frau ist. Mit 14 besuchte sie die Chemie-HTL in Wels, nach ihrem TU-Studium wechselte sie zum Technologieführer Miba. Weder den Schritt in die Technik noch den in die Industrie hat sie je bereut. Sie wünscht sich nur, dass mehr Frauen ihrem Beispiel folgen.

Es gibt wohl nur wenige Berufsbezeichnungen, die so vielversprechend klingen wie die von Katrin Zorn: Seit letztem Jahr ist die Oberösterreicherin Development Managerin für Future Products bei der Miba Bearing Division, entwickelt also gemeinsam mit ihrem Team Produkte für die Zukunft. Ein Schwerpunkt liegt auf Anwendungen im Bereich Erneuerbarer Energien. Ein weiterer auf der Reduktion von Schadstoff- und Geräuschemissionen. In diesem Bereich hat sie auch schon zwei Patente angemeldet. Für uns hat Katrin Zorn ausnahmsweise in die Vergangenheit geblickt, aber auch analysiert, warum sie in den vergangenen zwölf Jahren nur zwei Frauen anstellen konnte und weshalb sie Scheitern als Erfolg ansieht.

Katrin Zorn
Katrin Zorn hat nie darüber nachgedacht etwas zu tun oder nicht zu tun, nur weil sie eine Frau ist. Genau diese Einstellung möchte sie weitergeben, damit sich in Zukunft mehr Mädchen und Frauen in die Technik wagen.Foto: beigestellt

Wie sind Sie zur Technik gekommen? Was waren die ersten Berührungspunkte?

Katrin Zorn: Ich habe zwei Brüder, mit denen war ausgemacht, dass sie mit mir Puppenspielen und ich im Gegenzug zum Beispiel mit ihnen Lego oder mit Autos spiele. Technik war also von klein auf ein Thema für mich. Ich wollte wissen, wie die Dinge funktionieren. Und umgekehrt war es nie Thema, warum ich mich nicht dafür interessieren sollte, nur weil ich ein Mädchen bin. Das ist meiner Meinung nach auch der Schlüssel, um langfristig mehr Mädchen in die Technik zu bringen, und zwar indem man die klassischen Rollenbilder möglichst früh aufbricht.

Wenn man sich Ihren Lebenslauf durchliest, fällt auf, dass Sie schon während Ihres Studiums an der TU Wien und während Ihrer Zeit als Universitätsassistentin am Institut für Materialchemie viel Erfahrung im Ausland gesammelt haben. Wo waren Sie? Und wie haben diese Auslandsaufenthalte Sie geprägt?

Katrin Zorn: Ich komme aus einem kleinen Dorf in Oberösterreich. So klein, dass der Bus nur einmal pro Tag in die nächstgrößeren Städte gefahren ist, und das hat mich sicherlich geprägt. So war mir schon früh klar, dass ich mehr von der Welt sehen wollte. Daher habe ich jede Gelegenheit und Möglichkeit genutzt, um andere Institute kennenzulernen. Während meiner Zeit an der Uni war ich zum Beispiel in Spanien, der Schweiz, in Ungarn oder auch in Dänemark. Und während dieser Aufenthalte durfte ich an speziellen Techniken und Großgeräten forschen. Das war sehr spannend für mich, wobei ich dazusagen muss, dass es später, als ich dann für Miba gearbeitet habe und auch in Übersee – in China und den USA – tätig war, noch spannender war. Aber schon damals habe ich durch diesen kulturellen Austausch gelernt, Dinge aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und meine eigenen Ansichten immer wieder zu hinterfragen.

Was hat Sie dazu bewogen, 2010 von der Universität in die Industrie zu Miba zu wechseln?

Katrin Zorn: Das Forschen an der Uni war spannend, keine Frage, aber ich war schon immer sehr anwendungsorientiert. Mir war wichtig, die Forschung auf die Straße zu bringen. Deshalb stand für mich bald fest, dass ich in der Industrie besser aufgehoben bin. Ich habe aber auch das große Glück, dass Miba als Technologieführer am Puls der Zeit entwickelt. Und da ich von Anfang an in der Entwicklungsabteilung angesiedelt war und wir eng mit den Unis zusammenarbeiten, habe ich nach wie vor den Draht zur Forschung. Für mich ist das die perfekte Kombination.

Ich komme aus einem kleinen Dorf in Oberösterreich. So klein, dass der Bus nur einmal pro Tag in die nächstgrößeren Städte gefahren ist, und das hat mich sicherlich geprägt. So war mir schon früh klar, dass ich mehr von der Welt sehen wollte.

Katrin Zorn

Bei Miba sind Sie Development Managerin für Future Products. Was kann man sich darunter vorstellen?

Katrin Zorn: Ich bin für die Miba Bearing Division verantwortlich, das ist eine der größten Divisionen bei Miba. Und die Miba Bearing Division entwickelt und produziert Schlüsselkomponenten in Verbrennungsmotoren. Momentan noch in Großmotoren, denn diese Branche ist, anders als die Automobilbranche, noch nicht so stark weggebrochen. Aber auch hier ist, wenn man in die Zukunft blickt, klar, dass der Markt zurückgehen wird. Meine Aufgabe als Entwicklungsleiterin für Future Products ist es daher, unsere Kernkompetenzen zu analysieren und zu nutzen, um neue Produkte in nachhaltigen Märkten zu entwickeln. Ein großer Schwerpunkt liegt auf Anwendungen im Bereich der Erneuerbaren Energien, und Produkte, mit denen wir bereits in Serie gegangen sind, sind zum Beispiel Komponenten für Windturbinen.

Was reizt Sie an Ihrem Job besonders?

Katrin Zorn: Ich wollte immer schon Nachhaltigkeit mitgestalten. Das mag schräg klingen, weil ich am Anfang meiner Karriere viel mit Verbrennungsmotoren zu tun hatte, doch selbst da war es mein Ziel, CO2-Emissionen zu senken, die Leistungsdichte zu steigern und Gewicht einzusparen. Dafür ist es jetzt umso schöner, dass ich mich um wirklich nachhaltige Themen kümmern kann. Das stiftet für mich sehr viel Sinn.  

Spielt Kreativität eine Rolle in technischen Berufen?

Katrin Zorn: Auf jeden Fall, das ist auch etwas, was mir an meinem Beruf besonders gefällt. Ich glaube, es gibt kaum einen Beruf, bei dem man sein Leben lang so kreativ sein kann, wie in der Technik und speziell in der Entwicklung. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass ich jeden Tag etwas Neues lerne. Immerhin muss ich mich ständig damit auseinandersetzen, wo wir unsere Technologien unterbringen können oder wie etwas funktioniert. Da gibt es keinen bestimmten Ablauf, den man jeden Tag einhalten oder durchführen muss. Und genau das motiviert und fasziniert mich jeden Tag aufs Neue.

Katrin Zorn
Burschen spielen mit Lego und Mädchen mit Puppen? Nicht bei Katrin Zorn. Technik war für sie von klein auf ein Thema. Auch wenn es damals nur ums Spielen mit Autos ging.Foto: adobe stock | Polkadot

Gehört Scheitern dazu, wenn man neue Produkte entwickelt?

Katrin Zorn: Unbedingt. Wir haben den Bereich Future Products vor eineinhalb Jahren aufgebaut. Und eigentlich war die ganz große zentrale Frage, wenn wir eine neue Idee gehabt haben, wie wir sie, wenn sie denn schon versagen muss, so schnell wie möglich zum Scheitern bringen. Einer der Ansätze ist, dass wir uns die Themen herauspicken, die am kritischsten sind, und uns diese zuerst anschauen. Das kann aus den verschiedensten Ecken kommen, z. B. aus der Technik, aber auch aus der Wirtschaft, also vom Markt. So gesehen kann man sagen, dass wir versuchen, das Projekt so schnell wie möglich zu Fall zu bringen. Das mag absurd klingen, aber es ist leichter, ein Projekt gleich am Anfang abzudrehen, als wenn es schon drei Jahre läuft. Und das muss man auch dem Team klarmachen: Wenn ich etwas entdecke, woran das Projekt scheitern wird, ist es ein Erfolg. Denn dann investiere ich nicht fünf Jahre und viel Geld in etwas, das nie funktionieren wird. Diese Ansichtsweise in unserer Kultur, die oft erfolgsverwöhnt ist, unterzubringen, ist aber sehr schwierig.  

Worauf achten Sie, wenn Sie ein Team zusammenstellen?

Katrin Zorn: Ideal wären natürlich Teams, die in Hinsicht auf Geschlecht, Herkunft, Erfahrung usw. divers sind. Aber meistens hat man nicht die Möglichkeit, aus so einem großen Topf zu schöpfen. In den letzten zwölf Jahren bei Miba konnte ich zum Beispiel nur zwei Frauen rekrutieren. Nicht, weil ich nicht mehr einstellen wollte, ganz im Gegenteil, sondern weil es kaum Bewerberinnen gibt.

Woran kann das liegen?

Katrin Zorn: Generell ist es so, dass immer noch viel weniger Frauen als Männer eine technische Ausbildung beginnen. Chemie ist da noch ein recht stark besetztes Fach. Ich habe aber auch Maschinenbauabgängerinnen, da spricht man von einer Handvoll Absolventinnen pro Jahr, und das ist schon viel. Das heißt, das Angebot ist schon viel niedriger. Ja, und woran liegt’s? Meine ganz persönliche Meinung ist, dass die Stellenbeschreibungen sehr abstrakt sind und Frauen vielleicht weniger ansprechen. Da müsste man sich überlegen, wie man diese Berufsbilder neu zeichnen und neu prägen könnte, um sie greifbarer zu machen. Ich habe mich zum Beispiel immer dafür eingesetzt, Praktikantinnen ins Unternehmen zu holen, damit sie sehen, was in einer Entwicklungsabteilung passiert und wie der Arbeitsalltag aussieht. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass der Großteil der Mädchen im nächsten Jahr wiedergekommen ist. Und manche haben sogar ein Technikstudium begonnen.

Katrin Zorn
Teams, die in Hinsicht auf Geschlecht, Herkunft, Erfahrung usw. divers sind – so lautet Katrin Zorns Vorstellung einer perfekten Arbeitsgemeinschaft.Foto: adobe stock | BullRun

Sie wurden letztes Jahr mit dem Frauenpreis der TU Wien ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Katrin Zorn: Es ist und war mir immer ein großes Anliegen, meine Leidenschaft für Technik an Mädchen und junge Frauen weiterzugeben. Und ich würde mir wünschen, dass der Preis Frauen in der Technik sichtbar macht und dazu beiträgt, andere zu motivieren, ihre Berufswahl rein auf Basis ihrer Interessen, Fähigkeiten und Neigungen zu treffen. Insofern hat es mich sehr gefreut und geehrt, dass ich diesen Preis gewonnen habe und quasi einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass sich mehr Frauen für Technik entscheiden.

Welches Projekt steht für Sie als nächstes an?

Katrin Zorn: Mein nächstes großes Projekt ist die Geburt meines ersten Kindes, und ich hoffe, dass es mir gelingen wird, Privates und Berufliches unter einen Hut zu bringen. Die Rahmenbedingen sind jedenfalls gut, ich habe sowohl privat als auch in der Firma sehr viel Unterstützung. Mein Plan sieht nun so aus, dass ich dranbleiben und auch sehen möchte, welche Herausforderungen man als Frau zusätzlich hat, wenn man ein Kind bekommt. Dann weiß ich, woran wir eventuell noch arbeiten müssen, um die Vereinbarkeit in Zukunft zu erleichtern. Das wird nun also meine nächste spannende Herausforderung.

Credits Artikelbild: beigestellt

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