Kirchdorfer Zementwerk

Zementindustrie: Vom Klimasünder zum Umweltschützer?

Zement ist der Stoff, der unsere Welt buchstäblich zusammenhält. Dennoch wird er nicht selten zur Zielscheibe von Kritik. Schließlich hinterlässt die Produktion einen beachtlichen CO2-Fußabdruck, oder? In Österreich steht jedenfalls das sauberste Zementwerk der Welt.

Die Beherrschung des Bauens von anscheinend unzerstörbaren Tempeln, Thermen und Tavernen war für die Römer vor rund 2.000 Jahren der Schlüssel zum Erfolg. Das ist eine unumstrittene Tatsache.  Erdbeben, Erdabsenkungen, Regengüsse, Stürme – den Bauten der alten Römer scheint all dies jedenfalls wenig auszumachen. Sie stehen teilweise heute noch. Doch was steckt hinter dem Baustoff für die Ewigkeit? Damals, so erzählt man sich heute, mischten die Bauherren Vulkanasche in ihre Zementmixtur. Die daraus gegossenen Platten sind noch heute in monumentalen Prunkbautenzu finden.

Viele hundert Jahre später kommt freilich keine Asche mehr in den Betonmischer, der Baustoff Zement hingegen schon. Wird dieser mit Wasser vermengt, so ergibt er nämlich ein ideales Bindemittel für Sand und Kies. Und härtet diese Mischung erst einmal aus, dann ist sie so stabil, dass sie – etwa bei Autobahnen – täglich tausende Autos trägt oder im Zusammenspiel mit Stahl Gebäude und Brücken möglich macht, die jahrzehntelang stabil stehen. Eines steht also fest: Ohne das graue Pulver läuft beim Bau gar nichts. Die Nachfrage nach dem Wunderstoff ist dementsprechend hoch. Die Folge: Von keinem anderen Material verbraucht die Menschheit größere Mengen als von der grauen Masse – abgesehen von Wasser.

Die dunkle Seite des Baustoffs

Die Welt erlebt derzeit einen beispiellosen Bauboom. Wolkenkratzer schießen wie Schwammerl aus dem Boden. Neue Häuser, Siedlungen und ganze Straßennetze entstehen. Zudem ist nachhaltiges und klimaneutrales Bauen das Gebot der Stunde. Und genau hier beginnt das Problem mit dem Baustoff Zement. Diesem haftet seit Jahren ein negatives Image an. Der allgemeine Tenor: Der günstige und wetterfeste Baustoff ist ein echter Klimasünder. Dieser aufgedrückte Stempel ist natürlich in den prozessbedingten Emissionen der Zementherstellung begründet.

Rund vier Milliarden Tonnen Zement werden jährlich hergestellt und verbaut. Dazu werden Kalkstein und Ton zu Rohmehl vermahlen und anschließend im Hochofen auf mehr als 1.400 Grad Celsius erhitzt. Das Problem: Beim Brennprozess im Drehrohrofen wird das im Kalk gebundene Kohlendioxid (CO2) freigesetzt und in die Atmosphäre entlassen. Die Folge: Die Zementherstellung ist für rund acht Prozent, also knapp 2,8 Milliarden Tonnen, der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die weltweite Produktion bläst demnach viermal mehr CO2 in die Luft als der gesamte globale Flugverkehr

Aber ist die Zementwelt wirklich so dunkel? Aus österreichischer Sicht: definitiv nein! Denn es gibt gute Nachrichten: Österreichs Zementindustrie hat in den letzten Jahren enorm dazu beigetragen, den umstrittenen Baustoff nachhaltiger zu machen.

Vorbild Österreich

Aber worum geht es konkret? Im Rahmen des „European Green Deal“ hat die europäische Zementindustrievereinigung Cembureau eine Roadmap mit konkreten Zielen und Handlungsoptionen vorgelegt. Effektive Strategien sollen die angepeilte CO2-Reduktion ermöglichen. Die heimische Zementindustrie gilt dabei bereits seit einigen Jahren als europäisches Vorbild. Schließlich investierte sie in den vergangenen zehn Jahren unglaubliche 400 Millionen Euro in eine umweltfreundlichere Herstellung. Mit Erfolg: Der Einsatz von Kohle, Öl und Gas wurde bereits zu 80 Prozent durch alternative Brennstoffe ersetzt. Schauplatz der nachhaltigen rot-weiß-roten Zementproduktion: Kirchdorf an der Krems. Genau dort steht nämlich das derzeit emissionsärmste Zementwerk der Welt.

Kirchdorfer Zementwerk
Hier steht das weltweit sauberste Zementproduktion – im oberösterreichischen Kirchdorf an der Krems.Foto: Kirchdorfer Gruppe

Im Fokus: Klimaschutz

Vor mehr als 130 Jahren gründeten Emil Dierzer Ritter von Traunthal und Adolf Hofmann das erste Zementwerk in Kirchdorf. Die Weichen für eine saubere Produktion stellte das traditionelle Familienunternehmen jedenfalls schon früh. Freilich auch deshalb, weil sich das Werk nur knappe 600 Meter vom Ortszentrum entfernt befindet und man den Ausstoß von Emissionen folglich von vornherein in Grenzen halten wollte. Lange bevor Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein zum Trend wurden, sorgte man sich in Kirchdorf also bereits um Umwelt und Ressourcen. „Wir fühlen uns verpflichtet, auch nachfolgenden Generationen gegenüber verantwortungsvoll zu handeln und sind stolz darauf, neue Standards für die Zementproduktion zu setzen“, betont Geschäftsführer Erich Frommwald.

Zement und Wärme für Kirchdorfer Bevölkerung

Wie aber funktioniert umweltschonende Zementproduktion? Oberstes Klimaziel des österreichischen Zementunternehmens war und ist die Reduktion der produktionsbedingten Emissionen. Die Installation des ersten Elektrofilters im Jahr 1958 sollte genau dabei helfen. Dieser konnte schon damals Staubemissionen nahezu völlig eliminieren. Zahlreiche weitere Maßnahmen für ein sauberes Werk folgten. Wie etwa die 1983 gebaute und 2010 bis 2018 erweiterte Anlage zur Wärmerückgewinnung. Dabei wird überschüssige Energie, die bei der Produktion von Zement entsteht, in das lokale Fernwärmenetz eingespeist.

Wir fühlen uns verpflichtet, auch nachfolgenden Generationen gegenüber verantwortungsvoll zu handeln.

Erich Frommwald, Geschäftsführer von Kirchdorfer Zement

Die Zahlen sprechen jedenfalls für sich: Rund 250.000 Megawattstunden (MWh) industrieller Abwärme wurden bereits ins Netz eingespeist. Nahezu die Hälfte des gesamten Fernwärmebedarfs der Stadt Kirchdorf kann folglich durch die Wärmerückgewinnung aus dem Kirchdorfer Zementwerk gedeckt werden – in den Sommermonaten sogar der gesamte Wärmebedarf.

Neuartiges DeCONOx-Verfahren sorgt für Staunen 

Den Titel „ressourcenschonendstes und emissionsärmstes Zementwerk weltweit“ hat das Unternehmen aber vor allem einer Maßnahme zu verdanken: der Entwicklung eines ausgeklügelten Verfahrens namens DeCONOx. Gemeinsam mit dem oberösterreichischen Anlagenbauer Scheuch wurde im Kirchdorfer Zementwerk einige Jahre an der Entwicklung effektiver Verfahren zur Minderung des Schadstoffausstoßes getüftelt. Nach intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit war es im August 2015 endlich soweit: Die erste DeCONOx-Großanlage wurde in Betrieb genommen.

Energie aus anfallender Abluft wird dabei genutzt, um weitere Schadstoffe wie Stickoxide, organische Verbindungen und zum Teil auch Gerüche zu reduzieren. Die Restenergie wird in den Produktionsprozess zurückgeführt und über eine Wärmerückgewinnung ausgekoppelt. So kann zusätzlich Abwärme von circa 20 Gigawattstunde (GWh) pro Jahr über das Fernheizkraftwerk der Energie AG Wärme Oberösterreich als Fernwärme genutzt werden.

Kirchdorfer Zementwerk
Mit der Installation der DeCONOx-Anlage setzte das Unternehmen moderne und nachhaltige Maßstäbe.Foto: Kirchdorfer Gruppe

Bei der Emission von Kohlendioxid, Stickoxid und Staub glänzt das Kirchdorfer Zementwerk dank DeCONOx-Anlage mittlerweile mit niedrigsten, teilweise kaum noch messbaren Werten. „Die DeCONOx-Anlage ist nun das Highlight einer langen Reihe von Maßnahmen, die unseren Betrieb zum emissionsärmsten Zementwerk nicht nur in Europa, sondern auf der ganzen Welt machen“, bestätigt Frommwald. Mithilfe der cleveren Nutzung von Abwärme werden sowohl Betriebskosten als auch Energiebedarf niedrig gehalten.

Weniger fossile Energie, mehr sauberer Ökostrom

Stichwort: Energiebedarf. Laut Frommwald kann mithilfe der neuartigen Technologie zeitweise voll und ganz auf fossile Energieträger verzichtet werden. Um die Relationen ins richtige Licht zu rücken: Der Anteil von Ersatzbrennstoffen beim thermischen Energiebedarf liegt österreichweit bei knapp 80 Prozent – der globale Durchschnittswert liegt lediglich bei 16 Prozent. Das Kirchdorfer Zementwerk erreicht eine beeindruckende Rate von deutlich über 90 Prozent.

Kirchdorfer Zementwerk
Das Kirchdorfer Zementwerk investiert laufend in modernste Umwelttechnologien. Derzeit ziert auch eine Photovoltaik-Testanlage die Klinkerhalle des Werks.Foto: Adobe Stock | Evening_tao

Kaum verwunderlich, dass seit knapp einem Jahr nun auch eine effektive Photovoltaik-Testanlage die Klinkerhalle des Zementwerks ziert. Die Leistung von 7,68 Kilo Watt Peak (kWp) entspricht dabei der Energieausbeute einer üblichen Haushaltsanlage. Bereits in den ersten beiden Monaten der Testphase konnten somit knapp 600 Kilogramm CO2-Emissionen eingespart werden – das kommt dem Pflanzen von 20 Bäumen gleich. Sollte sich die Testanlage hinsichtlich Effizienz bewähren, beabsichtigt das Kirchdorfer Unternehmen, das gesamte Dach mit Photovoltaik-Paneelen auszurüsten.

Ressourcenschonend

Betriebsgrundlage für jedes Zementwerk ist aber eine wirtschaftlich abbaubare Rohstofflagerstätte – also ein geeigneter Steinbruch. Doch jeder Steinbruch greift während seiner Betriebsphase auch in die Natur ein. Der Boden wird abgetragen, das Gestein wird gesprengt, verladen und verarbeitet. Doch auch hier hat das Kirchdorfer Zementwerk eine clevere Lösung parat: Rund 35 bis 40 Prozent der Rohstoffe stammen nämlich gar nicht erst aus Steinbrüchen. Ersatzrohstoffe sind etwa Ziegelsplitt, Gießereisande und Flugasche aus der Papierindustrie. Huch, hier wären wir ja wieder beim Baustoff für die Ewigkeit. Stichwort: Vulkanasche der Römer …

Kirchdorfer Zementwerk
Der Ursprung jedes Sacks Zement ist solch ein Steinbruch, oder? Nicht unbedingt. Einige Rohstoffe des Kirchdorfer Zements stammen nämlich gar nicht erst aus Steinbrüchen.Foto: Adobe Stock | focus finder

Psssss! Leise Produktion im Kirchdorfer Zementwerk

Neben Emissionen und Staub wird bei der Zementherstellung auch ganz schön viel Lärm produziert – aber nicht in Kirchdorf. Hier wurde beispielsweise ein hochwertiger Schalldämpfer am Abgaskamin installiert. Ein ruhiger Schlaf ist folglich auch in der Umgebung des Werkes möglich. Umweltschonende Zementproduktion, funktioniert das überhaupt? Die eindeutige Antwort lautet eindeutig: Ja, es funktioniert!

Über Kirchdorfer Group:

  • Kirchdorfer Zement gehört zur oberösterreichischen Kirchdorfer Gruppe.
  • Die Industriegruppe ist in vier Produktsparten tätig: Zement, Rohstoffe (Stein, Sand, Kies, Transportbeton), Fertigteile und Road Traffic.
  • Das traditionelle Familienunternehmen beschäftigt 1.800 Arbeiterinnen und Arbeiter.
  • Bei Kirchdorfer Zement werden 500.000 Tonnen Produktionsleistung pro Jahr erarbeitet.
  • Zum 130-Jahre-Jubiläum wurde die Westfassade der Anlage mit einer riesigen Graffiti-Installation verschönert.

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