Um dem Lehrkräftemangel zu begegnen, geht das Bildungsministerium in die Offensive. Erst warb man um Quereinsteiger:innen, nun buhlt man um Maturant:innen. Zeigt die Aktion „Klasse Job“ Erfolg? Erste Zahlen lassen zumindest hoffen.
In den nächsten Jahren werden an Österreichs Schulen bis zu 30.000 Lehrkräfte fehlen. Hauptgrund ist die Pensionierungswelle der Babyboomer, doch auch Berufsausstiege, die hohe Drop-out-Quote während des Studiums und die Tatsache, dass immer mehr Lehrer:innen in Teilzeit gehen möchten, stellen das Bildungssystem vor große Herausforderungen. Gleichzeitig steigt aber bis 2030 die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Pflichtschulalter um mehr als fünf Prozent, wie aus dem nationalen Bildungsbericht 2021 hervorgeht. Man muss also kein:e Mathematiklehrer:in sein, um zu erkennen, dass sich das nicht ausgeht. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Und je größer die Not, desto mehr muss man sich wohl einfallen lassen.
Bayern hat es auf unsere Lehrkräfte abgesehen
Das scheinen auch unsere deutschen Nachbar:innen so zu sehen, immerhin gibt es dort mehr als 12.000 Lehrerposten zu besetzen. In Bayern hat man daher die Suche auf andere deutschsprachige Länder ausgeweitet, Österreich miteingeschlossen, und lockt mit einem Einstiegsgehalt von monatlich 4.774 Euro brutto. Zum Vergleich: In Österreich sind es 3.116 Euro. Zusätzlich gibt es für jene Lehrer:innen, die aus anderen Ländern nach Bayern ziehen, um dort zu arbeiten, eine Umzugskostenpauschale. Entscheidet man sich obendrein für einen Ort, an dem der Personalmangel besonders hoch ist, winkt außerdem eine Regionalprämie von einmalig 3.000 Euro.
Besonders wichtig ist der Fokus auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, die ihre berufliche Lebenserfahrungen aus Wirtschaft und Industrie in die Schulen mitbringen.
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung
Job mit Klasse
Anders in Österreich. Dort buhlt man mit der 600.000 Euro schweren Kampagne „Klasse Job“ um Lehrkräfte. Die Initiative, die im Herbst gestartet wurde, sei, wie es aus dem Bildungsministerium heißt „die größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik“. In einem ersten Schritt versuchte man vor allem Quereinsteiger:innen davon zu überzeugen, den „Klasse Job“ des Lehrers oder der Lehrerin zu ergreifen. Und das offenbar mit Erfolg, wie erste Zahlen zeigen. Denn seit Start der Kampagne bewarben sich mehr als 1.200 Menschen für das neue Quereinsteigermodell, bei dem man gleich im normalen Lehrergehaltsschema einsteigt und nicht mit einem meist schlechter bezahlten Sondervertrag angestellt wird. „Diese Zahl übersteigt all unsere Erwartungen“, zieht Bildungsminister Martin Polaschek eine positive Bilanz. Unter den Bewerber:innen sind etwa gleich viele Frauen wie Männer, das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren.
Was Quereinsteiger:innen wissen sollten
Um ins neue Quereinsteiermodell aufgenommen zu werden, braucht man ein „fachverwandtes“ Studium und drei Jahre Berufserfahrung. Außerdem muss man, wenn man nach erfolgreicher Zertifizierung eine Stelle an einer Schule erhalten hat, parallel zum Unterrichten innerhalb von fünf Jahren ein Quereinsteigerstudium an einer Pädagogischen Hochschule absolvieren.
Schule profitiert von Lebenserfahrung
Erfreut über den erfolgreichen Start der Kampagne zeigt sich auch die Industrie. „Besonders wichtig ist der Fokus auf Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, die ihre berufliche Lebenserfahrungen aus Wirtschaft und Industrie in die Schulen mitbringen. Dadurch fließen wertvolle Erfahrungen aus der beruflichen Praxis in den Unterricht“, erklärt der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer. Allerdings sieht manches auf dem Papier besser aus als in der Praxis. So lässt sich das berufsbegleitende Studium an der Pädagogischen Hochschule in Wahrheit kaum mit dem Beruf vereinbaren, weil Lehrveranstaltungen meist vormittags stattfinden, also während der Arbeitszeit. Hier ortet Christoph Neumayer unter anderem Verbesserungsbedarf.
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Auf lange Sicht gesehen, darin ist man sich einig, werden Quereinsteiger:innen alleine die klaffende Lücke jedoch nicht schließen können. Im zweiten Teil der Kampagne wirbt man daher per Brief um Maturant:innen oder versucht auch schon Schüler:innen den Job des Lehrers oder der Lehrerin schmackhaft zu machen. Dafür arbeitet „Klasse Job“ unter anderem mit Beratungsstellen wie dem Netzwerk der Schüler- und Bildungsberatung zusammen oder ist auf großen regionalen Berufsbildungsmessen vertreten. Außerdem sollen die Pädagogischen Hochschulen, die ja für die Lehrausbildung mitverantwortlich sind, ein Konzept für Schnuppertage für Schüler:innen erarbeiten. Die Umsetzung soll im kommenden Schuljahr erfolgen.
Der Lehrerjob muss attraktiver werden
Damit sich mehr Menschen dazu entscheiden, Lehrer:in zu werden, braucht es aber vor allem bessere Rahmenbedingungen. „Dazu zählen unter anderem sowohl Reformen in der Ausbildung, um den Praxisbezug zu stärken und berufsbegleitende Studien zu ermöglichen, als auch die Aufstockung von administrativem und psychologischem Unterstützungspersonal in den Bildungseinrichtungen“, fordert IV-Generalsekretär Christoph Neumayr. Denn noch ist der Lehrerjob in erster Linie ein Job mit Klasse und nicht immer ein „Klasse Job“.