Sie arbeitet in der Raumfahrtindustrie, kann mithilfe von Daten aus dem Weltraum den Borkenkäferbefall vorhersagen und findet, dass jede Frau Programmieren lernen sollte. Die Spanierin Laura Costa hat eine steile Karriere hingelegt und ist trotzdem am Boden geblieben.
Viele stellen sich als Kind vor, wie es wohl wäre, ins Weltall zu fliegen, auf dem Mond spazieren zu gehen oder in Galaxien vorzudringen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hat. Doch nur die wenigsten landen später tatsächlich in der Raumfahrtindustrie. Bei Laura Costa war es genau umgekehrt. „Ich habe mich früher nicht für das Weltall interessiert und habe auch nie davon geträumt, Astronautin zu werden. Stattdessen habe ich viele verschiedene Phasen durchgemacht, wollte einmal Journalistin werden, einmal Biologin und dann wieder etwas ganz anderes,“ sagt die 34-jährige Spanierin. Heute arbeitet sie beim österreichischen Softwareentwicklungsunternehmen Cloudflight und leitet dort einerseits das Luft- und Raumfahrtteam und ist andererseits im Business Development der Aerospace-Sparte tätig.
Homeoffice in Valencia
Wenn Laura Costa von früher spricht, meint sie damit ihre Zeit in Valencia, wo sie als Tochter zweier Lehrkräfte aufwuchs. Genau dort ist sie auch, als wir via Zoom das Interview führen. „Das ist einer der Vorteile, der mit Covid einherging“, sagt sie. „Die Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben. So kann ich zeitweise auch von Spanien aus arbeiten und muss mir nicht immer Urlaub nehmen, um FreundInnen und Familie zu sehen.“
Von meinem Space-Team bin ich die Einzige mit Sitz in Wien. Die anderen arbeiten von Rumänien, Innsbruck, Linz, Ried, Amsterdam oder Frankfurt aus. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben ganz unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten, und dank der Digitalisierung können wir, je nach Projekt und Kunde, das beste aller Teams zusammenstellen.
Laura Costa
Seit fast zehn Jahren lebt die Spanierin nun schon in Wien, bei Cloudflight dockte sie vor rund zweieinhalb Jahren an. Nur einen Monat, bevor der erste Lockdown verhängt wurde. Nicht unbedingt die beste Zeit, um ein neues Team kennenzulernen. Im Unternehmen war man jedoch auf das Unvorhersehbare vorbereitet. Videocalls, virtuelle Kaffeepausen oder Homeoffice standen schon vor Corona auf der Tagesordnung. Und das tun sie heute noch. „Von meinem Space-Team bin ich die Einzige mit Sitz in Wien. Die anderen arbeiten von Rumänien, Innsbruck, Linz, Ried, Amsterdam oder Frankfurt aus. Unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben ganz unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten, und dank der Digitalisierung können wir, je nach Projekt und Kunde, das beste aller Teams zusammenstellen.“
Nicht vermessen
Sie selbst landete über Umwege in Wien und in der Raumfahrtindustrie. „Ich habe mich immer schon für die Naturwissenschaften interessiert und auch für Technik, Mathematik und Physik. Da war es naheliegend, dass ich Ingenieurswissenschaften studiere. Ich weiß aber noch, dass ich nicht besonders motiviert war, weil ich die klassischen Berufsbilder, die man damit verbindet, nicht sehr ansprechend gefunden habe.“ Doch dann stieß sie durch Zufall auf einen Studienzweig, den sie auf Anhieb spannend fand: Landvermessung und Kartographie. Und damit begab sich Laura Costa in neue Sphären, im wahrsten Sinne des Wortes. „Im Zuge des Studiums habe ich mit Satellitenbildern gearbeitet, habe die Erde vom All aus betrachtet und mich damit beschäftigt, was man entdecken und wie man die Daten nutzen kann. Dadurch wurde mein Interesse für die Raumfahrtindustrie geweckt.“
Einmal Kalifornien und zurück
Nachdem sie ihren Bachelor gemacht hatte, zog sich nach Kalifornien, um das Gelernte im Zuge eines Praktikums in die Praxis umzusetzen. „Es hat mir zum Teil großen Spaß gemacht und ich konnte meine Vermessungstechnikkenntnisse vertiefen”, erinnert sie sich, „aber der Arbeitsablauf war immer gleich. Nachdem ich das fünf- oder sechsmal gemacht hatte, wurde es zur Routine und verlor für mich den Reiz.“ Also kehrte Laura Costa in ihre Heimat zurück und machte dort ihren Master. Diesmal mit dem Schwerpunkt satellitengestützte Fernerkundung.
Dass sie letztendlich in Wien landete, hat weniger mit den Vorzügen der Bundeshauptstadt zu tun, sondern eher praktische Gründe. „Ich wollte im Ausland studieren, und um ganz ehrlich zu sein, war die Auswahl nicht besonders groß. Ich hätte mit Erasmus nach Paris ziehen können, dafür hätte ich aber ein höheres Sprachniveau gebraucht, als ich damals vorweisen konnte. Und in Schweden war ich bereits während meiner Schulzeit gewesen, deshalb kannte ich Teile des Landes schon. Blieben nur noch Zürich und Wien. Also entschied ich mich für Letzteres, weil es die größere Stadt war und ich dachte, dass es dort leichter sei, neue Bekanntschaften zu machen.“
Donau und Schnitzel statt Meer und Paella
Eigentlich wollte sie nur für ein paar Monate in Österreich bleiben, so der Plan. Doch schnell führte eines zum anderen. Auf das Sommersemester folgte ein Sommerpraktikum an der TU. Dann bot man ihr an, das Praktikum bis Weihnachten zu verlängern. Und als sie erfuhr, dass an der BOKU ein Platz frei geworden war, wechselte sie das Institut und schloss dort ihr Studium ab. Nach Spanien zurückzugehen, sei immer eine Option gewesen, sagt sie, aber die Jobchancen in Österreich waren einfach besser, und sie fand schnell eine Stelle in einem kleinen Unternehmen.
Jedes Projekt hat einen Anfang und ein Ende, und es gibt viele verschiedene Bereiche, in denen man tätig sein kann. Deshalb wird es nie langweilig und man muss nicht zehn Jahre lang dasselbe machen.
Laura Costa
„Ich habe gewusst, in welche Richtung ich gehen möchte, hatte aber kein fixes Ziel vor Augen. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich nicht zielstrebig war. Mein Zugang war immer, für alles offen zu sein, neugierig zu bleiben, mich neuen Herausforderungen zu stellen und vieles auszuprobieren.“ So wurden aus ein paar Monaten schließlich knapp zehn Jahre. Der Umzug sei ihr damals leichtgefallen, mit der Zeit vermisse sie ihre Heimat aber immer mehr. Vor allem ihre Familie, das Essen und das Meer. „Jeder sagt: ‚Du hast hier doch die Donau.‘ Und ja, die Donau ist wirklich schön, aber es ist nicht das Gleiche“, lacht sie. Zwischendurch müsse sie eben nach Hause und ans Meer, um ihre Batterien wieder aufzuladen.
Borkenkäfer vom All aus bekämpfen
Nicht missen möchte sie aber ihren Job bei Cloudflight. „Jedes Projekt hat einen Anfang und ein Ende, und es gibt viele verschiedene Bereiche, in denen man tätig sein kann. Deshalb wird es nie langweilig und man muss nicht zehn Jahre lang dasselbe machen.“ So beschäftigte sie sich etwa im Rahmen des BeatIt-Projekts mit dem Borkenkäferbefall und ermöglichte es, diesen in unseren Wäldern mithilfe von Satellitenbildern, Daten von FörsterInnen und künstlicher Intelligenz nicht nur frühzeitig zu entdecken, sondern auch vorherzusagen, wie der Käfer sich ausbreiten wird. Dadurch können rechtzeitig Maßnahmen getroffen und Kosten gespart werden.
„Es war ein sehr spannendes Projekt, und wir haben gute Ergebnisse erzielt. Was mich außerdem gefreut hat, war, dass die leitende Entwicklerin eine Frau war“, fügt sie hinzu. „Denn wir nehmen unsere EntwicklerInnen zu den verschiedenen Messen mit, damit sie erklären können, wie und woran wir arbeiten. Und dass genau dieses spannende Projekt, das besonders gut aufzeigt, wofür man Satellitenbilder und Informatik nutzen kann, von einer Frau vorgestellt wurde, fand ich sehr schön. Das war eine gute Gelegenheit, um Frauen in der Tech-Branche, von denen es leider nach wie vor zu wenige gibt, in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.“
Nicht überall, wo Technik draufsteht, ist nur Technik drin
Überhaupt sei es wichtig, aufzuzeigen, welche Karrieremöglichkeiten es in technischen Berufen gäbe. Denn so wie sie damals hätten auch heute noch viele ein falsches oder einseitiges Berufsbild im Kopf, das vor allem Frauen abschrecken würde. Dies sei zum einen den Stellenanzeigen geschuldet, die speziell in technischen Berufen meist so formuliert sind, dass sie gezielt Männer ansprechen. Zum anderen mangelt es aber nach wie vor an weiblichen Vorbildern. „Ich war von den Ingenieurswissenschaften anfangs nicht gerade begeistert, weil ich dachte, ich müsse Turbinen oder Autoteile entwickeln. Aber es gibt so viele verschiedene Karrierewege, auch solche, die weniger technisch sind.
So brauchen wir zum Beispiel auch Projektmanagerinnen und Teamleiterinnen.“ Um die Weichen rechtzeitig zu stellen, müsse man aber schon bei den Kindern ansetzen. Die meisten von ihnen werden zum Beispiel bereits mit ÄrztInnen zu tun gehabt haben und können sich daher ungefähr vorstellen, wie der Berufsalltag aussieht. Eine Maschinenfabrik haben hingegen nur die wenigsten Kinder von innen gesehen. Wie sollen sie also auf die Idee kommen, diesen Berufsweg einzuschlagen?
Coding für alle
Umgekehrt schade es nicht, sich Fähigkeiten wie etwa Programmieren anzueignen, selbst wenn man beruflich nichts mit Software zu hat. So entdeckte Laura Costa vor zwei Jahren die Organisation „Women & Code“. Anfangs ging sie hin, um sich weiterzubilden, schon bald half sie aber anderen Frauen und wurde selbst Mentorin. „Ich lernte viele Frauen aus ganz unterschiedlichen Branchen kennen. Manche arbeiteten bei Tech-Unternehmen, andere kamen rein aus Interesse und machten beruflich etwas ganz anderes. Doch auch sie konnten später von ihren neuerworbenen Fähigkeiten profitieren. Denn schon ein simpler Code kann Arbeitsabläufe immens erleichtern, und das in ganz vielen Bereichen.“
Man lernt nie aus
Weiterbbildung spielt in Laura Costas Leben eine große Rolle. „Die einzige Konstante im Leben ist für mich, dass man wächst und an sich arbeitet. Ich habe ein sehr gutes Team hinter mir und bei Cloudflight die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln und Neues zu lernen. Im Herbst werden wir außerdem beim Internationalen Astronautenkongress in Paris dabei sein, darauf freue ich mich schon sehr.“ Wohin ihre Reise als nächstes führen wird, steht noch in den Sternen. Fix jedoch ist, dass es bestimmt nicht langweilig werden wird.