Lisa Csenar

„Ich wohne lieber neben einem Windrad als neben einem Atomkraftwerk“

Wie kommt eine professionelle Rennradfahrerin zu einer Karriere im Bereich der erneuerbaren Energien? Warum dauert es im Schnitt zehn Jahre bis eine Windkraftanlage tatsächlich Strom produziert? Und kann Österreich die Energiewende überhaupt noch schaffen? Diese und andere Fragen beantwortet Lisa Csenar, Führungskraft bei der Verbund-Tochtergesellschaft Green Power im Interview.

Nicht nur einmal wurden Lisa Csenars Fähigkeiten in Frage gestellt, weil sie eine Frau ist. Sowohl im Sport als auch im Beruf. Doch jede herablassende Bemerkung, Frage, ja, man kann auch sagen Beleidigung hat sie nur zusätzlich bestärkt und angespornt. „Denen zeig‘ ich’s“, hat sie sich gedacht. Und auch getan. Heute leitet die 40-Jährige für den Verbund die Abteilung zur Entwicklung von Wind- und Photovoltaikprojekten. „Weil ich etwas Sinnvolles machen und etwas bewegen möchte“, sagt sie. Vor allem der Wind ist ihre große Leidenschaft und spielt auch in ihrem Privatleben eine zentrale Rolle. Denn jede freie Minute verbringt die Oberösterreicherin auf ihrem Rennrad.

Lisa Csenar
Der Wind ist ihre große Leidenschaft und spielt auch in ihrem Privatleben eine zentrale Rolle. Denn jede freie Minute verbringt die Oberösterreicherin auf ihrem Rennrad.Foto: privat

„Mädl, lass‘ es bleiben, davon kriegst schirche Fiaß“ 

„Mein Papa ist begeisterter Rennradfahrer und hat immer schon internationale Radrennen organisiert. Als Kind haben meine beiden älteren Schwestern und ich mitgeholfen, indem wir die Startnummern gewaschen, gebügelt oder sortiert haben“, erzählt die Marchtrenkerin. Mit 15 Jahren beschloss sie jedoch, dass sie die Startnummern lieber selbst tragen wollte, statt nur zu bügeln. Von ihren Eltern erfuhr sie dabei die volle Unterstützung. „Ich musste nicht gewinnen. Sie haben mich zu nichts gedrängt, sondern waren schon stolz, wenn ich gesund ins Ziel gekommen bin.“ Anders die Reaktionen vom damaligen Landestrainer, der sie nicht aufs Trainingslager mitnehmen wollte, weil sie das einzige Mädchen war, oder vom Radsportpräsidenten. „Der hat wörtlich zu mir gesagt `Mädl, lass‘ es bleiben. Davon kriegst schirche Fiaß‘. Und ich hab‘ mir gedacht: ‚Jetzt erst recht.`“ 

Beruflicher Werdegang

Lisa Csenar wuchs in Marchtrenk auf und ging in Wels zur Schule. Danach zog sie nach Wien, um Internationale BWL zu studieren. Auf das Studium folgten ein Job bei der EVN und parallel dazu noch ein Studium, „weil ich das Gefühl hatte, ohne technische Ausbildung bei technischen Projekten nicht ernstgenommen zu werden.“ Deshalb studierte sie an der FH Burgenland Nachhaltige Energiesysteme. Für die EVN entwickelte Lisa Csenar den ersten Kleinwindpark Europas. Später wechselte sie zu Wien Energie und entwickelte Großwindkraftprojekte. Nach der Inbetriebnahme der Windparks war sie drei Jahre für die Logistik der Müllverbrennungsanlagen der Wien Energie mit ca. 30 Mitarbeiter:innen zuständig. Seit 2021 leitet sie bei der Verbund-Tochtergesellschaft Green Power die Abteilung zur Entwicklung von Wind- und Photovoltaikprojekten.

Erster Kleinwindpark Europas

Ähnliche Erfahrungen machte sie beim Eishockey, wo man sie als Frau nicht mitspielen lassen wollte oder später im Beruf, als sie das Projekt eines Kollegen, der gekündigt hatte, übernahm. Konkret ging es dabei um die Installation eines Testgeländes in dem Kleinwindräder angebracht und getestet werden sollten. „Die meisten Windräder halten den starken Windverhältnissen nicht Stand und verlieren Einzelteile oder manchmal auch ganze Rotorblätter. Deshalb ist es so wichtig, sie vorher zu testen“, erklärt Lisa Csenar, warum sie sich gemeinsam mit zwei Kollegen für das Projekt einsetzte, als man es aus Kostengründen streichen wollte. Wieder wurde sie gefragt, diesmal vom Abteilungsleiter, ob sie sich das denn wirklich zutraue. Und wieder dachte Lisa Csenar: „Denen zeig‘ ich’s.“ So kam sie zur Windkraft und Europa zu seinem ersten Kleinwindpark, der immer noch regelmäßig von FH-Studierenden besucht wird und als Erfolgsprojekt gilt. Damals brauchte man nur ein bis zwei Jahre, um den Kleinwindpark fertigzustellen. Heute sind Lisa Csenars Projekte größer und die Mühlen mahlen langsamer. 

Wer die Welt verbessern möchte, braucht einen langen Atem

Zehn Jahredauert es im Schnitt von der Planung einer Großwindkraftanlage bis zu jenem Tag, an dem diese tatsächlich Strom produziert. Dies sei dem Föderalismus in Österreich geschuldet, aber auch der Einstellung vieler Österreicher:innen, die zwar für erneuerbare Energien seien, jedoch gegen eine Veränderung des Landschaftsbildes. Diese Denkweise müsse sich ändern, sagt die 40-Jährige. „Denn die Energiewende wird man sehen. Und ich wohne lieber neben einem Windrad als neben einem Atomkraftwerk.“ 

Denen zeig‘ ich’s!

Lisa Csenar

Hat man die erste Hürde überwunden und eine Fläche gefunden, folgen die nächsten. Meist muss die Fläche umgewidmet werden, wobei die Richtlinien sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Dann muss der Gemeinderat die Umwidmung beschließen. Oft melden sich auch besorgte Bürger:innen zu Wort und fordern eine Volksbefragung. „Damit haben wir schon ein Jahr verloren, bevor wir überhaupt begonnen haben.“ Dann kämen noch Dinge wie ornithologische Beobachtungen hinzu, Windmessungen, eine fehlende Netzinfrastruktur oder Gesetzesänderungen. „Und am Ende kann es sein, dass so viel Zeit verstrichen ist, dass es die Anlage, die wir ursprünglich eingereicht haben, am Markt gar nicht mehr gibt und wir ein Änderungsverfahren einleiten müssen.“ 

Schaffen wir die Energiewende?

Dies sei frustrierend, gibt sie zu. Vor allem weil uns die Zeit davonläuft. Können wir die Energiewende bis 2030 so überhaupt noch schaffen? Das bezweifelt die Oberösterreicherin. Die Ziele vom Bund seien zwar gut, passen aber nicht mit jenen der Länder zusammen. Hier bräuchte es konkrete Zielvorgaben, wie etwa, dass die Länder Flächen zur Verfügung stellen und eine Ermöglichungspolitik verfolgen statt das Gegenteil. Dennoch müssen wir die Wende schaffen, das steht außer Frage. Wenn schon nicht bis 2030, dann zumindest so schnell wie möglich. Und dazu könne jede:r von uns einen Beitrag leisten. „Es mag banal klingen, aber ich habe als Kind mitbekommen, dass meine Mutter jeden Tag mit dem Fahrrad ins Büro gefahren ist, das hat etwas in mir bewirkt, und ich überlege mir heute gut, wohin ich mit dem Auto fahre und wann ich es stehenlasse.“

Lisa Csenar
Foto: privat
Lisa Csenar
Foto: Martin Granadia

Auch für ihr Team sei es selbstverständlich, mit dem Zug ins Projektgebiet zu fahren und nur für das letzte Stück ein Rail&Drive Auto zu mieten. Es gäbe noch viele weitere Maßnahmen, um den Klimawandel zu reduzieren, sagt sie, wie das Licht abzudrehen, nicht unbedingt zu heizen, wenn man nicht zu Hause ist, eine eigene PV-Anlage anzubringen, ein E-Auto zu fahren, sollte dies finanziell möglich sein oder auch eigenes Gemüse anzubauen und nicht jedes Wochenende per Flugzeug in eine andere Stadt zu jetten. „Man darf auf keinen Fall denken, dass ich als Einzelperson mit meinem kleinen Schritt nichts bewegen kann.“

Schritt für Schritt zum Ziel

Sich kleine Ziele zu setzen, das rät Lisa Csenar auch ihren Mitarbeiter:innen. „Wenn beispielsweise bei der Entwicklung einer Windkraftanlage der Vertrag mit dem Grundeigentümer geschafft ist, ist das schon ein erster Erfolg, den man feiern kann. Dann kommt der Vertrag mit der Gemeinde und so weiter. Man muss das Projekt Schritt für Schritt angehen, sonst wird man wahnsinnig.“ Und sollte den Mitarbeiter:innen trotzdem einmal die Luft ausgehen, erzählt sie ihnen, warum sie selbst so für ihren Beruf brennt. „Wenn das Windrad auf dem Autobahn-LKW Parkplatz steht und darauf wartet, ins Projektgebiet geführt zu werden und man es dann hochzieht und die Flügel sich zu drehen beginnen, ist das so ein schöner Moment, den vergisst man nie. Genau dafür arbeite ich. Und wenn ich später am Windrad vorbeifahre, kann ich sagen, das war meines, und darauf bin ich stolz.

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