Der oberösterreichische Fahrzeugbauer Schwarzmüller entwickelt einen LKW-Anhänger, auf dem Schwerlastdrohnen starten und landen können.
Weg von der Straße, rauf in die Luft: Ist das die Lösungsformel, um künftig Staus und andere Nadelöhre im terrestrischen Verkehr zu umgehen? Seit Drohnen zunehmend den Luftraum erobern, erweitert sich zumindest auch deren tatsächliches oder zumindest denkbares Einsatzgebiet. Von Erkundungsflügen in der Landwirtschaft und Wissenschaft über kleine Transporttätigkeiten für Einsatzorganisationen bei Naturkatastrophen bis zu ersten Versuchen als fliegende Personentaxis und Paketzustellbotinnen reicht die Palette. Der Fahrzeugbauer Schwarzmüller erweitert dieses Spektrum jetzt.
Der oberösterreichische Spezialist für LKW-Transportlösungen arbeitet zusammen mit dem deutschen Unternehmen Volocopter an einer völlig neuen Anwendung für den klassischen Transporttrailer. Unter dem Namen „Mobile Vertipad“ wird der LKW-Anhänger nämlich zur mobilen Start- und Landeplattform für eine elektrisch angetriebene Schwerlastdrohne. Das ist genau so spektakulär, wie es klingt.
LKW-Anhänger entfaltet sich
Das „Mobile Vertipad“ hat die Dimensionen eines herkömmlichen Fernverkehrstrailers. Er ist exakt 12 Meter lang, 2,4 Meter breit und 3,9 Meter hoch. Damit daraus eine Start-, Lande- und Ladefläche wird, muss sich der Anhänger auf Knopfdruck zu einer Plattform entfalten. Das geschieht in zwei Schritten: Zuerst fährt aus dem Fahrwerk eine Unterkonstruktion aus Metallprofilen aus. Dann faltet der Container seine Wände nach dem Origamiprinzip auf und es entsteht eine kreisförmige Plattform mit 20 Meter Durchmesser. Sie dient der „VoloDrone“ als Start- und Landefläche.
Der mobile Flughafen ist schnell auf- und wieder abgebaut und kann mit den Zugmaschinen an jeden anderen Ort gebracht werden. Der entfaltbare Anhänger dient jedoch nicht nur als „Hangar“ und Startplattform für das Transportmittel, sondern auch als Ladestation für die Akkus der „VoloDrone“. Außerdem ist das Mobile Vertipad Station für die technische Wartung.
Transportdrohne für die letzten Meter
Die elektrisch angetriebene Frachtdrohne kann eine Nutzlast von 200 Kilogramm über eine Distanz von bis zu 40 Kilometer transportieren. Anwendungsmöglichkeiten liegen in der Logistik, der Landwirtschaft und der Infrastruktur sowie in der öffentlichen Versorgungsindustrie. Unter anderem können schwere Pakete an abgelegene Orte, vom Hafen auf Schiffe oder von Insel zu Insel transportiert oder Baustellen beliefert werden. „Die Lastendrohne schafft im Gütertransport die Verbindung auf der letzten Meile zwischen Straße, Schiene, Luft und Schiff“, ist Schwarzmüller-CEO Roland Hartwig stolz.
Es ist die jüngste Innovation in der 150-jährigen Unternehmensgeschichte von Schwarzmüller, in der es immer wieder um individuelle Transportlösungen in anspruchsvollen Einsatzgebieten gegangen ist. Das Industrieunternehmen wurde in Passau 1871 als Schmiede gegründet. Zum Stammgeschäft kam noch im 19. Jahrhundert eine Wagnerei dazu.
Vom Innviertel in 21 Länder
Daraus entstand der damals noch junge Fahrzeugbau, ein Gewerbe, das Schwarzmüller in den 1930er-Jahren anmeldete. In den Wirren der Weltwirtschaftskrise übersiedelte der wachsende Betrieb ins nahe Freinberg in Österreich und errichtet 1936 im Ortsteil Hanzing jenes Werk, das bis heute als Unternehmenszentrale dient. Aktuell arbeiten hier 750 Beschäftigte, mehr als die Hälfte in der Produktion. Damit zählt Schwarzmüller zu den größten Arbeitgebern im Innviertel. Standorte gibt es aber auch im benachbarten Ausland.
Aktuell ist Schwarzmüller in Österreich, der Schweiz, Ungarn und Tschechien sowie der Slowakei Marktführer. Mehr als 2.000 Menschen arbeiten insgesamt daran, dass 150 verschiedene Fahrzeugtypen in 21 Ländern erfolgreich abgesetzt werden. Allein bei den Kippern bietet Schwarzmüller 50 verschiedene Varianten. Daneben baut man Tieflader, Schubboden- und Tankfahrzeuge sowie Fahrzeuge für den Holz- und den Behältertransport, aber auch Trailer für den Fernverkehr. Insgesamt werden jährlich etwa 10.000 Fahrzeuge verkauft.
400 Millionen Euro Umsatz
Das Geschäft floriert. Der Investitionsstau bei KundInnen zu Beginn der Pandemie löst sich gerade auf. Dazu kommen Investitionsanreize in manchen Ländern, die Schwarzmüller 2021 gute Geschäfte beschert haben. So konnte im vergangenen Jahr erstmals die 400-Millionen-Euro-Grenze beim Umsatz geknackt werden. Damit sei man nach einem nur minimalen Wachstum im ersten Coronajahr 2020 wieder zurück auf einem zweistelligen Wachstumspfad, ist CEO Roland Hartwig zufrieden.
Potenzial sieht er vor allem in einer 360-Grad-Versorgung der KundInnen. „Die Führung eigener Werkstätten wird für viele Transportunternehmen aufwendiger. Es fehlt an geschulten Arbeitskräften und die Prozesse werden komplizierter, zum Beispiel bei gesetzlich vorgesehenen Überprüfungen. Wir sind hier die effiziente und zuverlässige Alternative.“
Telematik erhöht LKW-Leistung
So betreibt man ein eigenes Netz von Servicestandorten für Wartung, Reparatur und Ersatzteilversorgung. Insgesamt, so Hartwig, könne Schwarzmüller dazu beitragen, dass die Nutzungszeiten der Fahrzeuge steigen. Zum Beispiel erlaube Telematik die proaktive Wartung ganzer Fahrzeugflotten. Deshalb rüste Schwarzmüller alle Fahrzeuge damit aus.
Für das laufende Jahr hat Schwarzmüller mit einem Umsatz von 460 Millionen Euro budgetiert. Die Prognose steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die weiteren Ereignisse in der Ukraine noch nicht abgeschätzt werden können. Die Versorgung mit Material und Komponenten sowie die Preissituation seien jedenfalls weiterhin angespannt und stark schwankend.
GUT ZU WISSEN
- Die Schwarzmüller Gruppe ist der größte europäische Nischenanbieter bei Anhängern und Aufbauten. Das Unternehmen baut mehr als 150 Fahrzeugtypen.
- Die KundInnenen kommen aus der Bauwirtschaft, der Rohstoff- und Wertstoffindustrie. Außerdem beliefert man Transportunternehmen im Fernverkehr.
- 2021 wurde ein Umsatz von 409 Millionen Euro erwirtschaftet (plus 13 Prozent gegenüber 2020).
- Die Zahl der produzierten Anhänger ist von 8.800 im Jahr 2020 auf 9.962 gestiegen (plus 12 Prozent).