Lobatunnel
Johannes Stuehlinger

Kommentar: Von Infrastrukturprojekten und politischer Willkür

Man kann vermutlich für jedes Infrastrukturprojekt in Österreich Argumente finden, um es abzudrehen. Nicht nur für den Lobautunnel. Preisfrage: Wie viel Wert haben UVP-Verfahren noch, wenn bewilligte Projekte mit einem einzigen politischen Federstrich abgedreht werden?

Im Grunde ist die Sache keine allzu große: 8,2 Kilometer lang ist sie, um genau zu sein. Auf dieser Strecke soll in 60 Metern Tiefe ein Tunnel unter der Donau und der Lobau gegraben werden, um Schwechat mit Süßenbrunn zu verbinden. Nachdem in den vergangenen Monaten jedoch Umweltschützer auf die Barrikaden gestiegen sind – massive Eingriff in das vorhandene Ökosystem werden befürchtet – hat die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler nun das vorläufige „Aus“ dieses vor allem für die Stadt Wien relevanten Straßenprojekts bekannt gegeben.

Vogelperspektive und Schneckentempo

Soweit so gut. Nun wollen wir nicht Expertinnen und Experten kritisieren oder beipflichten – es gibt hierfür ganz offensichtlich ausreichend Argumentationslinien, um sowohl BefürworterInnen als auch KritikerInnen des Lobautunnels glaubhaft in Szene zu setzen. Das wurde in den vergangenen Monaten ausreichend dargelegt. Vielmehr geht es wohl eher darum, das Thema einmal aus der Vogelperspektive zu betrachten.

Wenn man nämlich den Blick nicht bloß auf dieses 8,2 Kilometer lange Teilstück einer Verkehrsverbindung lenkt, sondern auf das gesamte – ohnehin nicht sonderlich große – Land Österreich, so fällt recht schnell eines auf: Wenn es um den Ausbau von (Energie-)Infrastruktur geht, schaltet man hierzulande sehr gerne in den Schneckenmodus. Beispielsweise verhindern Anrainer über Jahrzehnte den Ausbau von 380-KV-Leitungen.

Gleichzeitig mahnt die APG täglich, dass wir unser Stromnetz ausbauen müssen, um nicht bald in ein Blackout zu laufen, das nicht binnen weniger Stunden wieder repariert ist. Windpark-Entwickler stellen fest, dass sie bis zu fünf Jahre warten, um eine Anlage genehmigt zu bekommen. Und die Entwickler von Photovoltaik-Anlagen verzweifeln daran, dass sie weder Genehmigung zum Bau von Anlagen erhalten noch die Möglichkeit, ihren Strom in die bestehenden Netze einzuspeisen. Diese seien so oder so schon überlastet.

Und was ist mit der Energiewende?

Nun sitzt uns allerdings die EU im Nacken. Schließlich wurde das Ziel ausgerufen bis 2040 nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Hier beißt sich derzeit jedoch die Katze in den Schwanz. Wenn wir in Sachen Infrastrukturausbau nicht schleunigst vom Schneckengang in den Sportmodus umschalten, wird das mit der Energiewende nichts werden, versichern Fachleute.

Wir wollen natürlich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Allerdings darf man sich schon die Frage stellen, wie wir die Klimaziele erreichen werden und gleichzeitig auch die Bewältigung von übermäßiger Verkehrsbelastung gelingen soll, wenn manches trotz langjähriger und ausführlicher Prüfung letztendlich politisch abgedreht werden kann. Und anderes, das rasch genehmigt werden soll, schlichtweg nicht genehmigt wird. Beides geht in Summe zulasten der Steuerzahler. Und wohl auch der Umwelt.

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