Mädchen in der Technik

Fachkräftemangel: Mädchen in der Technik als Schlüsselfaktor

Der Mädchenanteil in Österreichs HTLs steigt – nun geht es darum, die Mädchen in der Technik zu halten, denn qualifizierte Fachkräfte sind so gefragt wie noch nie. Die HTL Pinkafeld hat deshalb ein Mentoringprogramm gestartet, das Schülerinnen den Einstieg in einen technischen Beruf schmackhaft machen soll.

Knapp 17 Prozent der Schüler und Schülerinnen, die die HTL in Pinkafeld besuchen, sind Mädchen. Das mag nicht sonderlich spektakulär klingen, aber es ist immerhin ein Plus im Vergleich zu den Vorjahren. In der Fachrichtung Bautechnik liegt der Mädchenanteil sogar bei knapp über 31 Prozent, freut sich Birgit Stephan, Mädchenbeauftragte und Lehrerin im Bereich Gebäudetechnik an der HTL Pinkafeld. „Ich nehme an, das liegt daran, dass dort großes Potenzial vorhanden ist, Kreativität mit Technik zu kombinieren. Dieser Trend ist auch in der Gebäudetechnik erkennbar.

Seit vermehrt zum Ausdruck kommt, dass die Gebäudetechnik einen großen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten kann, ist auch hier der Mädchenanteil gestiegen. Immer mehr Mädchen interessieren sich aber auch für die Bereiche Informatik und Elektronik“, so die durchaus positive Bilanz der HTL-Professorin.

Mentoringprogramm als Stütze für Mädchen in der Technik

Ein höherer Mädchenanteil in Höheren Technischen Lehranstalten bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Absolventinnen später auch einen technischen Beruf ergreifen. Warum das so ist, sei schwer zu sagen, meint Birgit Stephan. „Vielleicht, weil Frauen viel mehr Leistung zeigen und sich mehr beweisen müssen, um in einer männerdominierten Gesellschaft ernst genommen zu werden. Vielleicht aber auch, weil der technische Beruf nicht unbedingt familienfreundlich oder weil die Gesellschaft noch immer klischeebehaftet ist.“ Tatsache jedoch ist, dass die Wirtschaft junge Technikerinnen braucht und es daher umso wichtiger ist, Mädchen in der Technik zu halten.

Mädchen in der Technik
Birgit Stephan ist Mädchenbeauftragte und Lehrerin im Bereich Gebäudetechnik an der HTL Pinkafeld.Foto: HTL Pinkafeld

Das Mentoringprogramm, das im Sommersemester gestartet wurde, soll HTL-Schülerinnen daher den Einstieg in einen technischen Beruf erleichtern. Es soll sie aber auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen. „Gerade im Alter zwischen 15 und 20 Jahren sind Mädchen sich selbst gegenüber oft sehr kritisch. Daher braucht es Vorbilder – nämlich weibliche Vorbilder, die auch in einer Männerwelt bestehen.“

Jeder Mentee die passende Mentorin

Besonders talentierten Mädchen des vierten Jahrgangs aller Fachrichtungen (Bautechnik, Elektronik, Gebäudetechnik, Informatik und Informationstechnologie) wird daher jeweils eine Mentorin, die in einem Industrie- oder Wirtschaftsunternehmen in Führungsposition ist und im Idealfall selbst eine technische Ausbildung abgeschlossen hat, zur Seite gestellt. Diese begleitet die Schülerin ein Jahr lang, unterstützt sie und lässt sie in den Berufsalltag hineinschnuppern. Schwierigkeiten, geeignet Mentorinnen zu finden, hatte Birgit Stephan nicht. „Ich habe bis jetzt keine einzige Absage erhalten, im Gegenteil, alle haben dieses Programm sehr gerne unterstützt und freuen sich, eine Mentee zugeteilt zu bekommen. Das zeigt, wie wichtig dieses Programm ist.“

Bisher konnten sich Mädchen mit ausgezeichnetem beziehungsweise gutem Erfolg für das Programm qualifizieren, wobei die Mädchenbeauftragte die Kriterien in Zukunft ausweiten möchte. „Gerade in der heutigen Zeit zeichnen nicht nur gute Noten einen Menschen aus, sondern auch andere Kompetenzen. Daher denke ich, dass wir in diesem Jahr den Versuch starten werden, dass Mädchen sich über ein Motivationsschreiben bewerben können. Das ist sicher auch eine gute Übung für spätere Bewerbungen.“ Auch begleitende Workshops zu Themen wie Netzwerken, Smalltalk, Redegewandtheit oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf seien geplant. Bisher habe dafür aber die Zeit gefehlt.

Mädchen sind anders. Burschen auch.

Dass Mädchen und Frauen eine Bereicherung für die Technik sind, beweisen nicht nur die Anfragen zahlreicher Firmen, die sich schon jetzt für zukünftige HTL-Absolventinnen interessieren. Diese Erfahrung hat Birgit Stephan auch beim Unterrichten gemacht. „Es liegt den Mädchen in gewisser Weise im Blut, zu umsorgen und darauf zu achten, dass es den Menschen in ihrem Umfeld gut geht. Das heißt aber auch, dass Mädchen einen viel umfassenderen und ganzheitlicheren Zugang zur Technik haben. Männer dagegen sind eher lösungs- und zielorientiert.“

Mädchen in der Technik
Birgit Stephan (Mitte) mit zwei Schülerinnen, die für eine weibliche Zukunft in der Technik stehen.Foto: HTL Pinkafeld

Dementsprechend sei man auch als Lehrer oder Lehrerin gefordert, wenn es darum geht, Buben und Mädchen gemeinsam zu unterrichten. „Gemischte Klassen sind um einiges vielfältiger als zum Beispiel reine Burschenklassen. Erklärungen müssen daher differenzierter erfolgen, damit das Verständnis auch bei allen ankommt. Es ist immer wieder interessant, wie unterschiedlich Denkweisen sein können.“ Und trotzdem nimmt Birgit Stephan die Herausforderung jeden Tag aufs Neue an.  

Mädchenteam an der HTL

Gemeinsam mit einer Kollegin hat sie auch während der Pandemie das Mädchenteam übernommen, das Mädchen dabei helfen sollen, sich zu vernetzen und einander gegenseitig zu unterstützen. So gab es etwa ein Kennenlernpicknick am Ende des Schuljahres, um die neu ankommenden Mädchen zu begrüßen, und einen eigenen Girls-Day. „Wir hätten noch viel mehr Ideen, aber dafür reicht dann leider oft die Zeit nicht,“ bedauert die Mädchenbeauftragte.

Man merkt, wie sehr sie für dieses Programm brennt und dass ihr die Zukunft ihrer Schülerinnen am Herzen liegt. Ihr Ziel: Noch mehr inspirierende Mentorinnen für ihre Mädchen zu finden. Und ihr Wunsch für die Zukunft? „Eine Gesellschaft, die das Mentorinnen-Programm nicht mehr braucht.“

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