Margot Maaß hat das Glück für sich gepachtet. Vor allem, weil sie als Glücksexpertin andere dabei unterstützt, glücklich zu sein. Eine Gabe, die gerade in Zeiten der Pandemie besonders wertvoll ist. Also haben wir ihr Glückswissen angezapft.
Preisfrage: Wie viel Geld macht wirklich glücklich? Eines gleich vorweg: Die Sache ist ein bisschen so wie mit einem Teller Spaghetti. Ein Teller macht vielleicht glücklich. Drei Teller machen Bauchweh. Tatsächlich haben sich Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Ökonom Angus Deaton auf die Suche nach der glücklichmachendsten Summe begeben.
Ihre Studie ergibt zusammengefasst: Verdoppelst du dein Jahreseinkommen von 15.000 auf 30.000 Euro, wächst dein Glück in ungeahnte Höhen. Wächst dein Jahreseinkommen von 30.000 auf 60.000 Euro, dann freust du dir auch noch einen Haxen aus, wie man bei uns sagt. Doch dann ist es laut der US-Expertise mit dem Glückkaufen auch schon wieder vorbei. Selbst wenn du plötzlich 150.000 Euro verdienst, bist du nicht glücklicher.
Somit ist eines klar: Geld allein kann nicht alles sein. Wobei gewiss gerade in Pandemiezeiten ein gesichertes Einkommen dem Glück als Basis dienen kann. Womit wir schon beim Thema sind: Was ist denn Glück genau? Woraus besteht es, und kann ich es vielleicht tatsächlich beeinflussen? Margot Maaß beschäftigt sich von Berufswegen mit Glück. Und sie bringt anderen Menschen bei, Werkzeuge in die Hand zu nehmen, die ihnen selber und anderen beim Glücklichwerden helfen. Unser Glück dabei: Wir haben ihre Handynummer …
Glück ist offenbar eine fragile Sache. Aber: Kann man es denn rein wissenschaftlich definieren?
Margot Maaß: Es gibt viele Definitionen und Beschreibungen von Glück. Ich persönlich orientiere mich aber gerne an dieser: „Glück ist, wenn man sich glücklich fühlt.“ Das klingt einfach, die Sache ist klarerweise ein bisschen komplexer. Aber dieser Zugang eignet sich wunderbar, um im Alltag für sich selbst einen Glücks-Check zu machen. Also: Wie fühlt sich das gerade an? Bin ich gerade glücklich, und fühlt sich das gerade gut an? Das gibt Orientierung und gleichzeitig übt man, den Moment bewusster wahrzunehmen.
Aber: Ich kann mich in einer Situation unglücklich fühlen, in der Sie sich schon glücklich fühlen. Da hat doch jeder andere Auslöser …?
Margot Maaß: Ja, genau. „Auslöser“, das ist ein wichtiger Punkt, den Sie hier nennen. Glück bedeutet für jeden etwas anderes. Ein Beispiel: Ich mag richtig gern Schokotorte, meine Freundin hingegen würde sich nie eine Schokotorte bestellen, sie liebt Torten mit Früchten drauf. Geschmäcker sind verschieden – und so unterschiedlich können auch die Gründe für einen Glücksmoment sein. Auslöser für Glück und Zufriedenheit kann zum Beispiel die Familie, die Natur, der Job, Urlaub oder Gesundheit sein. Gleichzeitig können aber all diese Aspekte umgekehrt auch Auslöser für großes Unglück sein. Beziehung oder Familie und Kinder können richtig stressen. Aber: Sie können auch total glücklich machen. Und wenn ich in meiner Arbeit von Glück spreche, dann meine ich nicht den Zufall, der dich gerade überrascht und so glücklich macht, sondern von dem Glücklichsein, das wir selbst gestalten können.
Können wir denn das wirklich? Inwiefern liegt denn Glück in unseren eigenen Händen?
Margot Maaß: Definitiv! Ich habe mein Glück zu einem großen Maße selbst in der Hand. Aus der Forschung weiß man, welche Faktoren das persönliche Glück in welchem Ausmaß beeinflussen. Man hat herausgefunden, dass fünfzig Prozent unseres empfundenen Glücks genetisch bedingt sind.
Das ist schon viel, da bleibt nur mehr maximal die andere Hälfte zur Mitbestimmung.
Margot Maaß: Das klingt zuerst einmal recht hoch. Aber bleiben wir zuvor noch bei den anderen fünfzig Prozent: Davon sind nur zehn Prozent den äußeren Umständen geschuldet. Faktoren wie: Wo werde ich hineingeboren? Bin ich Single, bin ich verheiratet, habe ich Kinder, habe ich keine? Bin ich gesund, bin ich krank, habe ich viel Geld oder wenig? Und dann sind da dann noch die restlichen 40 Prozent. Hier geht es um unsere Grundhaltung, unsere Einstellung, unser bewusstes Tun und Denken. Ich komme zurück zu den Genen: Wir wissen heute, durch die Epigenetik, dass Gene nur „Papier und Bleistift“ sind, wir aber unsere Geschichte selbst schreiben, wie es der österreichische Genetiker Markus Hengstschläger beschreibt. Das alles sind wirklich gute Nachrichten. Wir haben unser Glück also zu einem großen Teil selbst in der Hand.
Okay, dann fangen wir an: Wie kann ich dieses Glückspotenzial aktivieren?
Margot Maaß: Wenn ich mich mit dem Glück beschäftige und mit meiner Zufriedenheit, gibt es viele Möglichkeiten. Glück findet im Gehirn statt. Dank Gehirnforschung wissen wir, dass alles miteinander verknüpft ist. Gedanken lösen Emotionen aus, Emotionen unser Verhalten, und unser Verhalten wiederum schafft Ergebnisse. Wenn wir Einfluss auf unser seelisches Wohlbefinden nehmen wollen, müssen wir auf unsere Gedanken achten und diese bewusst steuern. Zugegeben, bei rund 50.000 Gedanken am Tag ist das nicht ganz einfach. Ich habe vorhin schon erzählt, dass wir unser Glück auch durch bewusstes Tun beeinflussen können. Ein Beispiel: Letztens habe ich meinem Friseur eine Mail mit einem total netten Feedback geschickt, weil ich finde, dass er seinen Job richtig gut macht. Daraufhin schreibt er zurück, dass ich ihm gerade einen Glücksmoment bereitet hätte. Was wiederum mich gefreut hat. Es ist wie Pingpong spielen. So einfach geht das mit dem Glück und dem Glück verbreiten.
Das ist sozusagen die weiterentwickelte Version von „ein Lächeln schenken“ …?
Margot Maaß: Ja. Ich kann bewusst Aktionen setzen, die mich – und am vorigen Beispiel haben wir gesehen: oftmals auch andere –, glücklich machen. Für Freundlichkeit ist es nie zu spät. Wir können neues Verhalten zu unserer neuen Gewohnheit machen und so unser Gehirn auf Glück trainieren. Im Gehirn entstehen dadurch neue „Autobahnen“, neue neuronale Verbindungen. Über viele Jahre, stark geprägt in unserer Kindheit durch unsere Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen, haben wir ein Welt- und Wertebild entwickelt (und durch unser Verhalten und unsere Erfahrungen gefestigt), das vielleicht gar nicht mehr unseres ist. Und uns vielleicht auch nicht glücklich macht. Aber wir können eben unser Gehirn auf Glück trainieren. Und das ist schon die weitere gute Nachricht in diesem Interview (lacht).
Ja, auf jeden Fall. Aber: Mit welchen Trainingseinheiten geht das besonders gut?
Margot Maaß: Erste Lektion: Entscheide dich für das Glück! Ich weiß, dass das nicht jeder hören will, weil viele lieber Opfer sind und alle anderen für ihr Glück oder Unglück verantwortlich machen wollen. Aber mein Ziel als Glückstrainerin ist es, Leute dazu zu inspirieren, ihr Glück in die Hand zu nehmen. Sich von der Idee, Opfer der äußeren Umstände zu sein, zu verabschieden. Selbst zum Gestalter des Lebens zu werden. Und wir müssen bereits in der Schule beginnen, diese Grundhaltung zu vermitteln. Schule hat dabei eine unglaublich wichtige Aufgabe.
Kann man Glück denn einfach so an der Schule als Fach unterrichten?
Margot Maaß: Aus meiner Sicht ist es das wichtigste Fach überhaupt. Klarerweise kann man es nicht mit Mathe oder Deutsch vergleichen. Im Glücksunterricht geht es darum, junge Menschen in ihrer Lebenskompetenz und Lebensfreude zu stärken. Das ist wichtiger denn je. Kinder sollen Antworten auf folgende Fragen finden: Wer bin ich? Was brauche ich? Was will ich? Was kann ich? Worin liegen meine Stärken? Eine wichtige Säule im Glücksunterricht ist es, Stärken transparent zu machen. Und das bedeutet einen Paradigmenwechsel. Denn Schule richtet leider noch viel zu oft den Fokus auf die Schwächen.
Stimmt. Nachhilfe holt man nur, wenn ein Kind in einem Fach schwach ist, nicht wenn es darin besonders gut ist.
Margot Maaß: Es wird immer gesucht, wo wir noch nicht gut sind. Und die Frage nach den Stärken – die stellt niemand. Und das führt dazu, dass man sich auch als Erwachsener oft schwer tut, seine Stärken zu benennen. Dabei ist es essenziell für das eigene Glück, wenn man sich seiner Stärken bewusst ist und diese auch einsetzt. Weil: Wenn ich worin gut bin, dann mache ich es gerne und bin dabei auch erfolgreich. Weil dann bin ich auch schneller, dann bin ich produktiver, das ist doch eh so logisch (lacht). Ähnliches gilt für das Wahrnehmen von Bedürfnissen.
Können Sie das bitte ein bisschen präzisieren?
Margot Maaß: Auch das ist vielen heute erwachsenen Menschen einfach nicht bewusst: Was sind meine Bedürfnisse? Und, noch schwieriger: Wie artikuliere ich meine Bedürfnisse? Das sieht man doch oft in Beziehungen – dass man nicht darüber redet. Darin liegt ein großes Potenzial für Konflikte. Es liegt demnach auf der Hand, unseren Kindern genau das beizubringen. Sie darin zu schulen, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und auch zu kommunizieren. Und sie darin zu bestärken, dass Visionen und Herzenswünsche wichtig sind für ein glückliches Leben.
Was ist nach Ihrer Definition ein „Herzenswunsch“?
Margot Maaß: Herzenswünsche sind Ziele, bei denen die Seele mit dabei ist. Man muss sich fragen: Wo zieht es mich hin? Wo geht mir das Herz auf? Was lässt mich in der Früh aufstehen? Wovon träume ich? Das Programm Schulfach Glück beschäftigt sich auch damit, wie man Herzenswünsche realisiert: Welche Ressourcen habe ich, welche brauche ich von außen? Welchen Plan braucht es, um meine Vision, meine Herzenswünsche umzusetzen?
Kinder, die heute Glücksunterricht haben, lernen sich also langfristig besser kennen und sind dann deshalb glücklicher?
Margot Maaß: Das Schulfach Glück orientiert sich an einer gelingenden Lebensgestaltung. Es gibt jungen Menschen Werkzeuge an die Hand, sich besser kennenzulernen, zu entdecken und zu erfahren. Und es geht stark darum, ein Bewusstsein für Gemeinschaft zu entwickeln. Wir sprechen über Werte und definieren Werte. Weil sie die Grundlage sind, wie wir gut miteinander umgehen können und auf welcher Basis wir Entscheidungen treffen. Werte sind sozusagen die Leitplanken für unser Miteinander. Das ist in der Schule so, in Unternehmen und im Privaten.
Weil wir alle soziale Wesen sind, klingt logisch. Was ich allerdings auch raushöre: Je besser ich mich kenne, desto glücklicher kann ich sein. Richtig?
Margot Maaß: Ja, weil dann weiß ich, dann spüre ich, was mir gut tut und was nicht. Und wenn Sie mich jetzt fragen: Wie kann ich glücklicher werden? Dann kann ich jedenfalls eines sagen: Mach jeden Tag etwas, das dich glücklich macht. Etwas, wobei du ein gutes Gefühl hast. Verbringe Zeit mit Menschen, die du magst, die dich stärken. Und nicht mit Menschen, die nur deine Energie rauben. Wobei das in Zeiten wie diesen vielleicht ein besonders komplexer Bereich ist …
Wenn Dankbarkeit zu einer Haltung wird, richte ich ganz automatisch den Fokus auf das Gute, das Gelingende in meinem Leben. Wenn du Glück trainieren möchtest, dann bring Dankbarkeit in dein Leben!
Margot Maaß, Glücks-Expertin
Schon. Aber gleichzeitig müssen wir derzeit besonders selektiv sein, wen wir treffen und wen nicht. Es ist also vielleicht ein besonders wichtiger Aspekt.
Margot Maaß: Das ist wahr. Ich merke selbst und ich sehe auch in meinem Umfeld, dass Corona vieles sichtbar macht. An dem, was nicht gut läuft in unserer Welt, aber auch, was schon gut ist. Corona fungiert wie ein Brennglas, und wir sind aufgefordert, uns mit vielen Fragen und Themen zu beschäftigen, denen wir bisher ganz offensichtlich nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt haben. Das sehe ich positiv.
Umso wichtiger ist es also, sich selbst Glück zu bescheren. Wie ist Ihr Zugang als Glücksexpertin zum Thema Corona und Unglück?
Margot Maaß: Ich bin überzeugt davon, dass es noch nie so wichtig war, sich mit Glück zu beschäftigen. Viele von uns haben noch nie so eine Krise und so eine herausfordernde Zeit erlebt. Wir alle sind in irgendeiner Form betroffen, es rüttelt an unseren Grundfesten. Aber unser Ziel muss jetzt sein, handlungsfähig zu bleiben und ja, sogar noch auf unser Glück zu schauen. Weil es um viel geht. Als Glücksexpertin und -trainerin habe ich viele Techniken an der Hand, aber ich find’s auch nicht immer super. Wirklich nicht. Ich weiß, dass ich die äußeren Umstände, die Corona mit sich bringt, wenig bis gar nicht ändern kann, aber ich kann meinen Blick auf die Dinge ändern. Was mir dabei hilft, ist, dass ich mir bewusst mache, was alles im meinem Leben gerade gut ist, mich frage: Wofür bin ich dankbar?
Inwiefern ist das in dieser Zeit möglich und warum offenbar so wichtig?
Margot Maaß: Dankbarkeit ist schlichtweg der Schlüssel zu Glück und Zufriedenheit. Auf den ersten Blick scheint es vielleicht schwierig zu sehen, wofür ich in dieser herausfordernden Zeit dankbar sein soll. Dass wir ein Dach über dem Kopf haben. Dass ich weiß, dass ich die Miete für den nächsten Monat bezahlen kann. Dass die Supermärkte offen haben und es nahezu alles gibt, was ich bisher auch bekommen habe. Dass ich gesund bin. Es gibt gute Gründe, dankbar zu sein. Wenn Dankbarkeit zu einer Haltung wird, richte ich ganz automatisch den Fokus auf das Gute, das Gelingende in meinem Leben. Wenn du Glück trainieren möchtest, dann bring Dankbarkeit in dein Leben! Schreib nieder, wofür du dankbar bist, das wirkt noch stärker.
Gerade in diesen Zeiten oder diesen Zeiten zum Trotz?
Margot Maaß: Immer. Aber: besonders in diesen Zeiten. Man weiß aus der Forschung, dass sich die mentale Gesundheit von Menschen, die zum Beispiel ein Dankbarkeitstagebuch führen, nachweislich verbessert.
Verändert sich durch das Niederschreiben, durch das Bewusstmachen auch etwas in unserem Gehirn?
Margot Maaß: Ja! Wenn wir in dem Gefühl von Dankbarkeit sind, wird Dopamin ausgeschüttet, eines der Glückshormone. Und das löst in uns ein gutes Gefühl aus. Das können wir doch gerade in Krisenzeiten besonders gut gebrauchen. Denn wir wissen aus der Wissenschaft, dass negative Erlebnisse und Gefühle viel stärker wirken als positive. Damit wir eben nicht in eine Abwärtsspirale gelangen – und diese Gefahr ist jetzt wirklich groß, auch weil wir ständig mit negativen Nachrichten konfrontiert sind –, müssen wir dagegen arbeiten. Es ist also ratsam und auch für unsere seelische Gesundheit notwendig, ganz bewusst Positives in unser Leben holen.
Kann man irgendwie festmachen, wie viel Positives es braucht, um Negatives wettzumachen?
Margot Maaß: Tatsächlich spricht man hier von einem Verhältnis von 3:1. Das heißt, für ein negatives Gefühl brauche ich drei positive, um das negative wieder auszugleichen. Für unsere seelische Gesundheit brauchen wir also dieses 3:1-Verhältnis. Darum ist es so wichtig, dass wir uns selbst und einander Gutes tun. Übrigens: In einer Liebesbeziehung ist die Sache noch viel sensibler. Hier braucht es ein Verhältnis von 5:1, damit beide Partner das Gefühl haben, dass sich Positives und Negatives die Waage halten. Da wird einem klar, warum viele Beziehungen nicht funktionieren. Weil es für jede negative Reaktion fünf positive Interaktionen wie Wertschätzung, Komplimente, Mitgefühl, Berührungen braucht, damit die Beziehung stabil ist.
Wenn man sich so etwas bewusst macht, dann hat man allein mit dem Wissen schon ein Werkzeug an der Hand, um einander glücklicher zu machen.
Margot Maaß: Nicht ganz. Wissen ist das eine, aber das ist nicht genug. Man muss für das Glück auch etwas tun.