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Mercosur: Ein wichtiges Abkommen in der Warteschleife

Die EU hofft, das bereits seit drei Jahren vorliegende Mercosur-Handelsabkommen mit den Staaten Südamerikas bis Sommer unterzeichnen zu können. Aber es gibt Hürden.

Zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten gibt es enge Wirtschaftsbeziehungen. Sie sollen weiter intensiviert werden. Die Verhandlungen zu einem Handelsabkommen wurden 2019 nach zwanzig Jahren grundsätzlich abgeschlossen. Eine Umsetzung ist bisher allerdings auch wegen des Widerstands einzelner EU-Mitgliedsstaaten (v.a. Frankreich, Irland und insbesondere Österreich) nicht erfolgt.  

Die Entscheidung im EU-Rat müsste nämlich einstimmig erfolgen. Jetzt, unter der neuen politischen Führung in Brasilien, soll ein neuer Anlauf genommen werden. Aber was bringt das und welche Hürden stehen einem Inkrafttreten noch im Weg? Hier Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist Mercosur?

Ähnlich wie die EU ist Mercosur ein seit 1991 bestehender Zusammenschluss mehrerer Staaten zu einer internationalen Wirtschaftsorganisation. Der Name der Freihandelszone steht für „Mercado Común del Sur“ (Gemeinsamer Markt des Südens). Zu ihm gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, die zusammen 266 Millionen Einwohner:innen haben und die rund 72 Prozent der Fläche Südamerikas umfassen. Zusammengerechnet wären die Mercosur-Staaten die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt. 

Welche Verbindungen gibt es mit der EU?

60.500 europäische Unternehmen unterhalten derzeit Geschäftsbeziehungen mit der Mercosur-Region. Im Jahr 2021 erreichten die europäischen Warenexporte in diesen Raum einen Wert von 44,6 Milliarden Euro, umgekehrt beliefen sich die Importe auf 43,5 Milliarden Euro. Die EU ist mit 330 Milliarden Euro (2020) der bedeutendste Direktinvestor und mit einem Anteil am Gesamthandel von 16,2 Prozent nach China der zweitbedeutendste Handelspartner für Mercosur.

Wie ist Österreich mit diesem Wirtschaftsraum verbunden?

1.400 heimische Unternehmen sind in den vier Mercosur-Staaten aktiv. Österreichische Direktinvestitionen in Brasilien und Argentinien betrugen 2021 zusammengerechnet 1,1 Milliarden Euro, umgekehrt investierten brasilianische und argentinische Unternehmen in Österreich 1,2 Milliarden Euro. Dazu kommen österreichische Dienstleistungsexporte in diese Region mit einem Umfang von 73 Millionen Euro (2020), während umgekehrt die Dienstleistungsimporte auf 160 Millionen Euro kamen. Der bisherige EU-Handel mit dieser Region sichert in Österreich 32.000 Arbeitsplätze.

Mercosur Fußball Buenos Aires
Argentinien ist die drittgrößte Volkswirtschaft in Lateinamerika. Nach dem Hype um den Fußballweltmeistertitel (im Bild Feierlichkeiten in Buenos Aires) sucht das Land jetzt nach wirtschaftlicher Stabilität.Foto: adobe stock | Santiago

Welche Hürden gibt es derzeit?

Derzeit gelten beim Export von Industriegütern in die Mercosur-Staaten hohe Zölle. Bei Fahrzeugen sind es beispielsweise 35 Prozent, bei Kfz-Teilen und Maschinen zwischen 14 und 20 Prozent. Zudem bremsen derzeit unterschiedliche technische Standards den Handel. Nicht alle europäischen Zulassungen und Zertifikate für Produkte gelten auch automatisch in Südamerika. Und umgekehrt. Auch bei Einkäufen von Waren und Dienstleistungen durch die öffentliche Hand können Anbieter aus Drittstaaten benachteiligt werden. Dabei geht es immerhin um Aufträge in der Höhe von insgesamt 300 Milliarden Euro pro Jahr.

Welches Ziel hat das Handelsabkommen?

Durch das Handelsabkommen sollen die Zulassungsvorschriften für Produkte vereinfacht sowie Zölle im Laufe einer Übergangsfrist von fünfzehn Jahren abgebaut und schließlich aufgehoben werden. Brasilien kann beispielsweise auch in der Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Denn das Land ist reich an Rohstoffen und seltenen Erden, die für die grüne Transformation – etwa in der Batterieproduktion – benötigt werden. Auch das Potenzial zur Produktion von grünem Wasserstoff ist groß. 

Drohen schlechtere Standards?

Auch nach Inkrafttreten des Abkommens entscheiden die EU-Länder und Mercosur-Staaten eigenständig darüber, welche Produkte auf den jeweiligen Märkten zugelassen werden und welchen technischen Standards diese entsprechen müssen. Europäische und österreichische Standards im Sozial-, Umwelt- und Lebensmittelbereich werden durch das Abkommen also nicht berührt und bleiben vollständig erhalten. Beide Vertragsparteien verpflichten sich im Abkommen nämlich explizit dazu, Arbeitnehmer- und Umweltschutzstandards nicht zu senken, auch nicht um Handel oder Investitionen zu intensivieren. 

Wie sieht es mit dem Umweltschutz in Südamerika aus?

Die EU- und Mercosur-Staaten haben sich im Mercosur-Abkommen verpflichtet, das Pariser Klimaschutzabkommen effektiv umzusetzen. Das bedeutet für Brasilien eine Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2025 von 37 Prozent (im Vergleich zu 2005) und durch die EU bis 2030 von 40 Prozent. Zudem verpflichtet sich Brasilien, verstärkt gegen illegale Rodungen im Regenwald vorzugehen. Der Schutz des Amazonas ist damit in den Fokus gerückt.

Mercosur Amazonas Papageien
Der Schutz der Regenwälder im Amazonas rückt ins Scheinwerferlicht. Brasilien verpflichtet sich im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen.Foto: adobe stock

Warum ist das Mercosur-Abkommen wichtig?

Die EU ist der erste Handelspartner, der mit den Mercosur-Staaten ein Wirtschaftsabkommen abschließt. Das bringt europäischen Exporteuren einen wichtigen Wettbewerbsvorteil gegenüber der globalen Konkurrenz. Das bessere Erschließen dieses Wirtschaftsraumes mit fairen Wettbewerbsregeln wäre vor allem angesichts der nach wie vor instabilen globalen Kulisse (Lieferkettenlücken, Energie- und Rohstoffversorgung, Krieg) wichtig. 

Was bringt das Abkommen?

Das Abkommen könnte zu einer Steigerung europäischer Exporte in den Mercosur-Raum um 68 Prozent im Laufe von zwölf Jahren führen. Bei Industrieprodukten könnte das Abkommen sogar eine Verdoppelung europäischer Exporte in diesen Raum zur Folge haben. Gerade die exportorientierte österreichische Wirtschaft würde profitieren. Denn durch den genannten Abbau von Zöllen, die damit verbundenen Handelserleichterungen (Kostenersparnis, einheitliche Standards) und Chancen auf neue Absatzmärkte könnten in Europa neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Damit würde Europas Wirtschaftswachstum an Dynamik gewinnen.

Wie geht es weiter?

Die EU und die Mercosur-Staaten haben am 28. Juni 2019 eine grundsätzliche Einigung für ein Assoziierungsabkommen erzielt. Der im vergangenen Oktober neu gewählte brasilianische Präsident Lula da Silva drängt auf einen Abschluss bis Jahresende. Damit das Abkommen aber in Kraft treten kann, müsste es durch die Mercosur-Staaten, die EU und ihre Mitgliedstaaten unterzeichnet und ratifiziert werden. Für die Ratifikation braucht es auf EU-Ebene die Zustimmung des Europäischen Parlaments sowie des Fachministerrates und in Österreich einen Beschluss des Ministerrates, die Zustimmung des Nationalrates und die Unterschrift des Bundespräsidenten. In Österreich bindet allerdings aktuell ein Beschluss des Nationalrats die Bundesregierung daran, das Abkommen abzulehnen.

Credits Artikelbild: adobe stock | irynaV

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