Ein Forscherteam der Technischen Universität Graz (TU Graz) will mit einem neu entwickelten Messverfahren gegen die Corona-Pandemie ankämpfen. Virenbewegungen sollen dabei einfach und kostengünstig nachgestellt, infektiöse Aerosole in Innenräumen exakt bestimmt und das Übertragungsrisiko über die Luft erheblich reduziert werden.
Im Büro arbeiten oder den Arbeitsplatz doch lieber in die eigenen vier Wände verlagern? Diese Frage stellen sich seit Ausbruch der Pandemie unzählige ArbeitnehmerInnen. Aufwendige Hygienekonzepte und vorgeschriebene Abstandsregeln machen das Arbeiten im Homeoffice zugegebenermaßen auch ziemlich attraktiv. Und mal ehrlich, wer fühlt sich in dieser Zeit zu Hause nicht auch sicherer? Schließlich treffen in Büros, Besprechungsräumen oder Kantinen unzählige Menschen aufeinander. Und wo sich viele Menschen täglich begegnen, tummeln sich freilich auch Viren und Bakterien. Die über die Atemluft ausgeströmten Aerosole – ein Gemisch aus virushaltigen Teilchen und Atemluft – verteilen sich dabei innerhalb kürzester Zeit im ganzen Raum.
Das Gebot der Stunde: Lüften
Genau aus diesem Grund pochen ExpertInnen auf Tests, Masken und vor allem Lüften. Denn nur wer regelmäßig für frische Luft sorgt, gibt dem Virus keine Chance. Doch wie viel Frischluft ist genug? Und an welchen Stellen im Raum halten sich Virus-Aerosole besonders hartnäckig? Antworten auf diese Fragen soll nun ein neues Messverfahren zur Dokumentation infektiöser Aerosole der TU Graz liefern. Gemeinsam mit Innenraumhygiene-SpezialistInnenen IBO Innenraumanalytik wollen ForscherInnen im Rahmen des FFG-Forschungsprojekts Prüf-COVID zeigen, wie die Qualität der Atemluft verbessert, richtige Maßnahmen zur Eindämmung von Ansteckungen gesetzt und Innenräume wieder sicher gemacht werden können.
Coronasichere Räume dank Tracergas
Basis des vielversprechenden Projekts ist ein sogenanntes Tracergas, mit dem die Verteilung von Coronapartikeln oder auch anderen infektiösen Aerosolen nachgestellt werden kann. Konkret handelt es sich dabei um eine CO2-basierte Gasmischung, die am Institut für Prozess- und Partikeltechnik der TU Graz entwickelt wurde. „Das Tracergas verhält sich gleich wie Aerosole mit Coronaviren“, erklärt TU Graz-Forscher Stefan Radl. Dass die Entwicklung eines Gases, das dem Ausbreitungsverhalten der nur wenigen Mikrometern großen Coronapartikeln in warmer Atemluft nahekommen soll, nicht gerade einfach ist, liegt dabei auf der Hand. Die Herausforderung bestand vor allem darin, „eine Mischung zu finden, die einerseits gut und einfach messbar ist und die die Bewegung von infektiösen Aerosolen gut beschreibt“, fährt Radl weiter fort.
Neben der Belüftung des Raumes beeinflussen zudem auch weitere Faktoren wie Licht, Temperatur oder Raumfeuchte die Aerosolübertragung. Unter Berücksichtigung all dieser Parameter und mithilfe von Simulationen und genauesten Berechnungen entwickelte das Team rund um Radl das einzigartige Gasgemisch.
So beeinflussen Menschen die Luftqualität
Bei der Ausbreitung und Verteilung von Aerosolen spielt aber auch die Thermik eine wichtige Rolle. Sprich: die aufsteigende Luft, die wärmer ist als die Umgebungsluft. Und genau diese wird von der menschlichen Wärmeabgabe beeinflusst. Der Mensch selbst beeinflusst demnach die Luftqualität und eben auch die Verteilung von virushaltigen Partikeln in Innenräumen. „Ist eine Person im Raum anwesend, treibt sie mit ihrer Körpertemperatur die Luftströmung an und bestimmt damit wesentlich, wie sich Aerosole verteilen, wie lange sie sich in der Luft halten und ob und wann sie zu Boden sinken“, beschreibt Radl diesen Vorgang. Raumlufttests finden allerdings oft in leeren Räumen statt. Anders bei dem von der TU Graz mitentwickelten Verfahren. Hier sollen Realversuche mit beheizten Dummys zu aussagekräftigen Ergebnissen führen.
Dummys simulieren das Aerosolgeschehen
Die luftgetragene Ausbreitung ausgeatmeter Aerosole wird bei dem Messverfahren also nicht anhand von Menschen, sondern beweglicher und beheizter Puppen, die gemeinsam mit der Cleanroom Technology Austria entwickelt wurden, überprüft. Die Dummys simulieren hierfür die menschliche Wärmeabgabe und verkörpern obendrein eine infizierte Person, also einen Spreader, „aus dem wir das Tracergas kontinuierlich und temperiert ausströmen lassen“, demonstriert Stefan Radl. Wie viele solcher Dummys in einem Raum platziert werden, hängt von dessen Größe und Beschaffenheit ab. Laut Angaben des Forscherteams kann allerdings bereits ein einziger Dummy wertvolle Daten liefern.
Zur genauen Erfassung der tatsächlichen Verteilung von virushaltigen Teilchen in der Luft werden zusätzliche mobile Sensoren an besonders virusanfälligen Stellen im Raum platziert. Zur Info: Als regelrechte Viren-Hotspots haben sich bei vergangenen Untersuchungen Waschbecken, Lichtschalter oder auch Türklinken erwiesen.
Vielfältige Anwendungsbereiche
Mithilfe der entwickelten Messmethode könnte laut TU Graz in Zukunft jedenfalls das Risiko einer Coronaübertragung in Innenräumen ermittelt und darüber hinaus auch gemindert werden. Vor allem Unternehmen mit Großraumbüros und Besprechungsräumen könnten sich diese Technologie zunutze machen und die Belegschaft vor einer Ansteckung schützen. Aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln, Konzerthäusern oder anderen großen Veranstaltungssälen ist eine Anwendung durchaus denkbar, wie es vonseiten des IBO Geschäftsführers, Peter Tappler, heißt.
Und wenn die Messergebnisse nicht zufriedenstellend ausfallen? „Dann kann entsprechend nachgebessert werden, etwa durch eine Sitzplatzverteilung oder punktuell angepasste Raumbelüftung. Ist der Raum hingegen virussicher, ist das in der heutigen Zeit ein gewichtiges Signal an das Sicherheitsbedürfnis der jeweiligen Zielgruppen“, versichert Tappler. Und wer weiß, vielleicht werden MitarbeiterInnen dank regelmäßig durchgeführter Messungen in Bürogebäuden auch tatsächlich wieder aus dem Homeoffice gelockt.