Mädchen und MINT: Wie verringert man den „Confidence Gap“?

Warum interessieren sich immer noch zu wenig Mädchen für MINT? Wie gelingt es, den sogenannten „Confidence Gap“ zu verringern? Und welche Rolle spielen Influencerinnen und männliche Bezugspersonen dabei? Eine aktuelle Studie von MINTality beschäftigt sich mit genau diesen Fragen und speziell mit den Antworten.

Was der „Gender Pay Gap“ ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Er steht für die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern trotz gleicher Leistung und Qualifikationen. Der Begriff „Confidence Gap“ hingegen ist noch nicht so geläufig, schlägt aber in eine ganz ähnliche Kerbe und beschreibt ebenfalls Geschlechterunterschiede  – allerdings in Sachen Selbstvertrauen. Und genau daran mangelt es nach wie vor vielen Mädchen, wenn es um MINT-Fächer geht.

Was ist MINT?

Gemeint sind damit die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Weshalb die Erklärung? Weil 85 Prozent der Schülerinnen, die im Rahmen einer von der MINTality Stiftung in Auftrag gegebenen Studie befragt wurden, nicht wussten, wofür dieses Akronym steht. Insgesamt wertete die Fachhochschule Oberösterreich die Antworten von rund 1.500 Mädchen im Alter von 14 bis 18 Jahren sowie Gruppeninterviews mit 30 Befragten aus, um herauszufinden, wie man mehr Mädchen für MINT begeistern kann.

Mit MINT-Fächer meint man die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.Foto: Symbolfoto: Adobe Stock I Woodapple

Je früher, desto besser

„Wie MINT gewinnt“, so lautet der vielversprechende Titel der Studie. Doch wie gewinnt man Mädchen für etwas, über das sie kaum etwas wissen? Zum einen durch zusätzliche Bewusstseinsbildung für den Begriff MINT und das Aufzeigen der vielen beruflichen Möglichkeiten. Je früher man damit beginnt, desto besser.

So gab ein Drittel aller befragten Schülerinnen an, sich eine Ausbildung im MINT-Bereich sehr gut vorstellen zu können. Bei den 17- bis 18-Jährigen sprach sich jedoch rund die Hälfte gegen eine solche aus. Für jede Vierte scheint dieser Karriereweg zumindest teilweise denkbar. Und die Statistik (siehe „Mehr Frauen in die IT“) zeigt, dass es bei naturwissenschaftlichen Studienrichtungen bereits verstärkten weiblichen Zulauf gibt, während der IT- und Technologiebereich weiter nach hinkt.

Durch unterschiedliche Motivationsfaktoren kann das Interesse geweckt, gelenkt und unterstützt werden. Das zeigten auch die Fokusgruppeninterviews. Fast alle Probandinnen, die eine MINT-Ausbildung machen möchten, gaben an, schon in ihrer Kindheit durch ihre Familie Zugang zu unterschiedlichen MINT-Bereichen gehabt und Verschiedenes ausprobiert zu haben. Generell ist anzunehmen, dass, wenn sich das Interesse nicht bis zu Beginn der Pubertät gebildet hat, es zunehmend schwieriger wird, Mädchen für MINT-Fächer zu begeistern.

Mind the Confidence Gap

Es ist aber nicht damit getan, Mädchen nur aufzuklären und zu motivieren, man muss auch ihr Selbstvertrauen stärken. Denn unter jenen, die sich für eine MINT-Laufbahn interessieren, leiden rund 60 Prozent unter Versagensängsten und Selbstzweifeln. Gründe dafür seien vor allem schlechte Erfahrungen, die sie in Schulen oder im Elternhaus gemacht haben bzw. Stereotype, mit denen sie konfrontiert sind.

So gaben oberösterreichische Informatikerinnen und Technikerinnen in Interviews im Rahmen des Projekts „MINT Your Future“ an, dass sie sich während ihrer Laufbahn Kommentare wie „als Frau verstehst du das nicht“, „Frauen sind weniger begabt/intelligent für MINT“ oder „mach lieber was typisch Weibliches, Soziales und Kommunikatives“ anhören mussten. Klingt veraltet? Leider nicht. Noch vor fünf Jahren betraf das neun von zehn der befragten Schülerinnen, und zwar regelmäßig.

Mehr Frauen in die IT

  • Nur ein Viertel der hochqualifizierten MINT-Jobs ist von Frauen besetzt.
  • In Mathematik liegt der Frauenanteil in Österreich bei 36 % und in Europa bei 42 %.
  • Ein anderes Bild zeichnet sich in der Informatik und bei Technikstudiengängen ab. Dort liegt der Frauenanteil bei nur bei knapp 19 % bzw. 21 % .

So gewinnt MINT

Durch Ermutigung, Anerkennung und Lob könne man laut Studie hingegen Positives bewirken und nicht nur den sogenannten „Confidence Gap“ verringern, sondern auch die Gruppe der Unentschlossenen aktivieren. Gefragt seien vor allem Pädagogi:nnen. Für sie werden unter anderem Gender- und Diversitätstrainings, Anti-Bias-Schulungen sowie Coachings vorgeschlagen.

Authentische weibliche Vorbilder

Auch die zunehmende Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern spielt eine Rolle. Wobei in den Fokusgruppen kritisiert wurde, dass es sich dabei meistens um perfekte Karrierefrauen handelt, deren Laufbahn wenig mit den Lebensrealitäten der Schülerinnen gemeinsam hat. Das würde eher abschrecken als Mut machen. Würde man hingegen auch Frauen zeigen, die beispielsweise Schulen ohne MINT-Schwerpunkt besucht oder traditionelle Berufswege eingeschlagen haben und sich erst später umqualifizieren ließen, um etwa Informatikerin zu werden, würde das Mädchen mehr ansprechen und motivieren.

Es braucht mehr weibliche Vorbilder, bei denen es sich nicht um die perfekte Karrierefrau handelt. Foto: Symbolfoto: Adobe Stock I Halfpoint

Vorbild Papa

Die Studie zeigt aber auch, dass es die Eltern sind, die am meisten für eine MINT-Ausbildung plädieren, gefolgt von Freund:innen und Lehrkräften. Bedingungslose elterliche Unterstützung wäre auch das beste Mittel gegen Selbstzweifel. Während Mütter aber tendenziell mehr zu Naturwissenschaften und Medizin raten, setzen männliche Familienmitglieder eher auf Technik. Vor allem in den IT-affinen bzw. IT-interessierten Fokusgruppen gaben die Mädchen als Vorbilder vorwiegend männliche Bezugspersonen wie den Vater, Bruder oder Onkel an.

Noch scheinen viele Mädchen ein falsches Bild von der oder gar kein Wissen über die Vielzahl an MINT-Berufen und den damit verbundenen Möglichkeiten zu haben.

Influencer:in mit Sinn

Vermehrt zum Einsatz könnten künftig auch sogenannte Sinnfluencer:innen kommen, also Influenceri:nnen, die sinnhafte Botschaften im digitalen Raum verbreiten. Wenn es ihnen etwa gelänge, technische Inhalte mit Gamification interessant aufzubereiten oder MINT mit sinnhaften Botschaften wie Klimaschutz zu verknüpfen, könnte man Schülerinnen den Mehrwert einer MINT-Ausbildung besser begreiflich machen. Denn noch scheinen viele Mädchen ein falsches Bild von der oder gar kein Wissen über die Vielzahl an MINT-Berufen und den damit verbundenen Möglichkeiten zu haben. Von Männern programmierte Algorithmen, die ihnen vorwiegend „klassisch weibliche“ Inhalte wie Beauty, Fitness oder Ernährung statt MINT-Themen vorschlagen, machen die Sache auch nicht besser. Doch sie verdeutlichen umso mehr, wie wichtig es ist, dass Frauen die Welt mithilfe von MINT mitgestalten.

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