Wie kann man den Klimawandel bekämpfen? Nachhaltig Strom erzeugen? Oder die Verschwendung von Lebensmitteln eindämmen? Leicht war die Aufgabenstellung nicht. Trotzdem stellten sich mehr als 100 Teilnehmerinnen der ersten MINT-Girls Challenge und präsentierten Lösungen, die die Welt verändern sollen.
Es waren zwei Männer, die vor 16 Jahren den Tag der Erfinderinnen in Österreich, Deutschland und der Schweiz einführten. Gefeiert wird er aber am Geburtstag einer außergewöhnlichen Frau: Hedy Lamarr wurde am 9. November 1914 in Wien geboren. Sie war eine wunderschöne Schauspielerin und eroberte Ende der 1930er-Jahre ganz Hollywood. Während des Zweiten Weltkriegs, als sie gerade am Zenit ihrer Karriere angelangt war, beschloss sie jedoch, dass sie mehr vom Leben wollte, als nur dazusitzen und viel Geld zu verdienen. Stattdessen überlegte die überzeugte Gegnerin des Nationalsozialismus, wie sie die Alliierten im Krieg unterstützen könnte.
Gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil erfand sie schließlich das Frequenzsprungverfahren: eine geheime Kommunikationstechnik, die per Funk gesteuerte Torpedos durch das automatische Wechseln von Frequenzen schwer anzupeilen und daher störungssicher machen sollte. Geld verdiente sie nicht damit. Und auch die Anerkennung kam reichlich spät, obwohl dieses Verfahren noch heute in der Kommunikationstechnologie verwendet wird, unter anderem für Bluetooth, WLAN oder GPS. Als Hedy Lamarr 1997, drei Jahre vor ihrem Tod, schließlich doch noch für ihre Erfindung gewürdigt wurde, soll sie dies mit einem „Wurde ja auch Zeit“ kommentiert haben. Völlig zu Recht. Denn viel zu lange wurden Wissenschaftlerinnen und Erfinderinnen übersehen, überhört und unterschätzt.
Die Erfinderinnen von morgen
Doch das soll sich ändern. Erstmals wurden nun die Zukunftsgestalterinnen von morgen vor den Vorhang geholt und ausgezeichnet: junge Mädchen, die sich mit den großen Fragen unserer Zeit beschäftigen, keine Scheu vor den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) haben und die Welt nachhaltig verbessern möchten. Mehr als 100 Mädchen haben an der ersten MINT-Girls Challenge teilgenommen, einer österreichweiten Initiative des Frauenministeriums, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Digitalisierung sowie der Industriellenvereinigung.
So sind wir auf die Idee gekommen, dass wir generell Getreide gentechnisch verändern könnten, um einen Samen zu entwickeln, der alle Mikro- und Makronährstoffe enthält.
Kathrin Maurer und Marlene Rieder landeten mit ihrem Projekt „Fueling Seed“ auf dem dritten Platz in der Kategorie Oberstufe
„Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass in jedem Mädchen eine Forscherin steckt. Sie müssen nur die Möglichkeit haben, früh Dinge auszuprobieren, zu experimentieren und eben zu forschen. Genau aus diesem Grund haben wir die MINT-Girls Challenge ins Leben gerufen“, erklärt Frauenministerin Susanne Raab. Mitmachen durften alle zwischen drei und 18 Jahren. Auch gemischte Teams waren erlaubt, solange sie von einem Mädchen geleitet wurden. Insgesamt wurden 77 Projekte in Form von Videos, Audiodateien, Texten, Fotos oder Zeichnungen eingereicht.
Verbessere die Welt mithilfe von MINT
Die Kindergartenkinder und Schülerinnen sollten sich eines der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung aussuchen und sich ein Projekt dazu überlegen. Diese sogenannten Sustainable Development Goals, kurz SDGs, wurden 2015 von den Vereinten Nationen festgelegt, nachdem die Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) aus dem Jahr 2000 ausgelaufen waren. Sie decken Bereiche wie Umweltschutz, Bildung, Geschlechtergleichstellung oder nachhaltiges Wirtschaftswachstum ab und sollen bis 2030 weltweit umgesetzt werden.
Das war die MINT-Girls Challenge 2021: Mehr Energie, weniger Müll, kein Hunger mehr
Die 12-jährige Emily Reinisch aus Wien beschäftigte sich mit der Frage, wie man Sonnenlicht effizienter nutzen kann, um auf weniger Fläche mehr Energie für mehr Menschen zu erzeugen. Die Idee dazu kam ihr rein zufällig, während sie mit ihrem Bruder über Wohnen in der Zukunft diskutierte. Am meisten Spaß habe es ihr gemacht, das Video zusammenzustellen, für das sie sogar die Musik selbst komponiert hat. Mit ihrem Projekt gewann Emily den dritten Platz in der Kategorie Unterstufe.
Kathrin Maurer (18) und Marlene Rieder (19) suchten nach einer Lösung, um den Hunger zu beenden. „Wir haben gewusst, dass in Afrika Mais bereits gentechnisch behandelt wird und dadurch mehr Nährstoffe enthält. So sind wir auf die Idee gekommen, dass wir generell Getreide gentechnisch verändern könnten, um einen Samen zu entwickeln, der alle Mikro- und Makronährstoffe enthält“, erzählt Katrin. „Damit könnte man Menschen in Afrika oder in anderen Ländern, in denen die Bevölkerung unter Hunger leidet, helfen, sich selbst zu helfen.“
Dazu inspiriert wurden sie von den beiden Mikrobiologinnen Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier, die 2020 für die Erfindung des CRISPR/Cas9-Verfahrens mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Dabei handelt es sich um eine „Gen-Schere“, mit der Erbgut schnell und präzise verändert werden kann. Die beiden Schülerinnen landeten mit ihrem Projekt „Fueling Seed“ auf dem dritten Platz in der Kategorie Oberstufe.
Den ersten Preis in dieser Kategorie gewann Lara-Marie Pascher aus Wien mit ihren vier verschiedenen Modellen von Meer-Müll-Sammlern. Die Idee dahinter: „Ein Produkt zu entwickeln, das für jede/n erhältlich und einfach zu benutzen ist, um viele kleine Mengen an Plastik aus dem Meer zu entfernen“, so die Schülerin. Zusammen könne man mehr erreichen als einzelne Großprojekte, die noch dazu teuer und aufwendig seien und meist nur einmal durchgeführt werden können. Doch mit dem ersten Platz gibt sich Lara-Marie, die später Ingenieurin werden möchte, nicht zufrieden. Sie wird ihre Produkte weiterentwickeln und einen Prototyp bauen, testen und soweit verbessern, dass er auch für kommerzielle Zwecke geeignet ist.
Die Preisträgerinnen gingen unter anderem mit Robotersets, 3D-Druckern, iPads oder Virtual-Reality-Brillen nach Hause. Dazu gab es außerdem Gutscheine für ein MINT-Erlebnis in innovativen Betrieben wie Microsoft, Böhringer Ingelheim oder Palfinger. Doch selbst ohne Preis haben alle Teilnehmerinnen gewonnen, und zwar ein Gefühl dafür, was mit MINT alles möglich ist.