So ein Mist? Von wegen. Verpackungsmüll aus Kunststoff ist bei „artgerechter“ Entsorgung eine wertvolle Ressource. Dafür wird in Oberösterreich gerade die modernste Sortieranlage Europas errichtet.
Einkaufen, aufreißen, wegschmeißen: Der klassische Weg von Kunststoffverpackungen ist auf Konsument:innenseite von überschaubarer Komplexität. Gefinkelter wird es nach dem Mülltrennen. Nach der sachgerechten Entsorgung in einem der gelben Sammelbehälter (Sack oder Tonne) geht es ans Abtransportieren und Sortieren bei einem Abfallverwerter. Im Fall der künftigen Großanlage im oberösterreichischen Ennshafen kommen dabei Künstliche Intelligenz, Big Data, Deep Learning und hochsensible Infrarotsensorik zum Einsatz.
In der Anlage, die da gerade um 60 Millionen Euro am Ufer der Enns gebaut wird, wird Mülltrennen zum Hightech-Spektakel. „Es wird die modernste Sortieranlage für Leichtverpackungen in Europa“, ist Kurt Bernegger hörbar stolz. Der Oberösterreicher ist Geschäftsleiter des Mollner Bauunternehmens Bernegger, das zusammen mit der Altstoff Recycling Austria (ARA) und der Grüne Punkt Holding aus Deutschland hinter dem Projekt steht.
Nachholbedarf beim Mülltrennen
Laut dem Errichter- und Betreiberkonsortium ist die Anlage auf eine Jahreskapazität von 100.000 Tonnen Leichtverpackungen ausgelegt. Damit ist sie dreimal größer als bestehende Anlagen in Österreich und kann 50 Prozent der österreichischen Sortierkapazität für Leichtverpackungen abdecken. Zur quantitativen Höchstleistung kommt vor allem auch die qualitative. Denn dank hochautomatisierter Technologie können Rohstoffe voll digitalisiert aufbereitet und bis zu zwanzig verschiedene Wertstoffkomponenten aus dem gesammelten Abfall aus den gelben Tonnen und Säcken herausgefiltert werden.
Beides soll helfen, die ehrgeizigen EU-Vorgaben rechtzeitig zu erfüllen. Denn noch liegt Österreich diesbezüglich deutlich unter dem Mindeststandard. Das mag angesichts voller grüner, blauer, weißer, schwarzer oder roter Tonnen überraschen. „Das EU-Kreislaufwirtschaftspaket erfordert eine grundlegende Steigerung der Sammlungsvolumina sowie eine signifikante Verbesserung der Sortiertiefe“, mahnt ARA-Vorstand Martin Prieler.
Neue Anlage schafft Sortiertiefe
Denn was bei Abfall aus Papier, Glas und Metall schon funktioniert, hat bei Kunststoff mächtig Aufholpotenzial: Die Sammelleidenschaft beim populären Verpackungsmaterial liegt in Österreich nämlich noch deutlich unter der von der EU geforderten Quote. Die EU verlangt bis 2025 50 Prozent und ab 2030 sogar 55 Prozent. Österreich schafft derzeit gerade einmal 25 Prozent.

Die neue Anlage soll zu einer deutlichen Verbesserung führen. Die aktuelle Anlageninfrastruktur in Österreich sorgt bei Kunststoffverpackungen für eine Sortiertiefe von 58 Prozent. Die Anlage von ARA, Bernegger und Der Grüne Punkt soll 80 Prozent schaffen. Damit gelingt es, die wertvollen Rohstoffe ohne Qualitätseinbußen für den Kreislauf der Wiederverwertung aufzubereiten.
Fünf Züge gleichzeitig
Auch der Standort selbst ist logistisch nachhaltig geplant. Mit einer Hallenhöhe von 25 m wird die neue Anlage im oberösterreichischen Ennshafen zu einer der höchsten in Europa zählen, sie sorgt damit für geringen Flächenverbrauch und einen effizienten Materialfluss. Eine PV-Anlage und die Abwärme aus der Metallerzeugung von der benachbarten Bernegger Metallerzeugung sorgen für die notwendige Energie. Statt mit fossilen Treibstoffen betriebenen Staplern setzt man auf automatisierte Lieferbänder. Ein direkter Bahnanschluss macht die gleichzeitige Entladung von bis zu fünf Ganzzügen möglich, abseits des emissionsarmen Schienenverkehrs kommen noch Anliefervarianten mittels Schiff auf der Enns und LKW.
So wird nicht nur Verpackungsabfall aus Österreich im Ennshafen bearbeitet, zur bestmöglichen Auslastung der Hightech-Anlage werden auch Volumina aus Deutschland nach Enns angeliefert, kündigt Bernegger an. Die Anlage soll kommendes Jahr in Betrieb gehen.
GUT ZU WISSEN
- Bernegger wurde als Familienunternehmen vor über 75 Jahren in Molln gegründet und ist heute in den Bereichen Bau, Rohstoff und Umwelt tätig. An 20 Standorten sind rund 1000 Mitarbeiter:innen beschäftigt. Eigentliches Kerngeschäft ist der Betrieb von Kies- und Schotterwerken.
- Die ARA AG serviciert aktuell mehr als 15.000 Kund:innen. Sie steht im Eigentum heimischer Abfallentsorgungsunternehmen und agiert als Non-Profit-Unternehmen nicht gewinnorientiert.