Nachhaltiger Ski

Wie ein nachhaltiger Ski das Licht der Welt erblickt

Jeder zweite Ski weltweit hat rot-weiß-rote Gene. Die Produktion ist ein Mix aus Tradition und Innovation, aus Hightech und Handwerk. Geheimrezepte und grüne Energiegewinnung für einen nachhaltigen Ski inklusive. Einblicke in die größte Skifabrik der Welt.

Sie hatte schon einmal mehr zu lachen. Corona ist schuld. Österreichs Skiindustrie lieferte vor dem Start der heurigen Wintersaison 20 Prozent weniger Ski an den Handel aus als voriges Jahr. In normalen Jahren verkaufen die heimischen Skihersteller rund um die Marken Atomic, Blizzard, Fischer und Head etwa 350.000 Paar Ski. Bleiben UrlauberInnen aber aufgrund von Reisewarnungen oder anderen Einschränkungen aus, stocken Handel und Verleih.

Nachhaltiger Ski kommt aus Österreich

Nicht die erste coronabedingte Delle. Schon im Frühjahr, just wenn die Produktion für den nächsten Winter normalerweise anläuft, standen die Maschinen bei den Skiherstellern wegen des ersten Lockdowns still. Ein fünfwöchiger Produktionsrückstand war die Folge. Später im Sommer, wenn ab August alles im Vollbetrieb läuft, blieben aufgrund der unsicheren Lage Bestellungen des Handels aus. Blizzard stellte daraufhin die Produktion Ende November für etliche Wochen überhaupt ein.

Auch im Atomic-Werk am Stammsitz im Salzburger Altenmarkt musste man eine Zwangspause hinnehmen. 400.000 Paar Alpin- und 200.000 Langlaufski produziert man hier in normalen Jahren. Die 750 MitarbeiterInnen in Entwicklung, Produktion und Lagerverwaltung machen das seit 45 Jahren bestehende Werk am Stammsitz in Altenmarkt zur größten Skifabrik der Welt. Und eine der umweltfreundlichsten. Das heißt: Ein nachhaltiger Ski ist hier bereits Realität.

Nachhaltiger Ski reduziert CO2-Emissionen

Wurden in der Fabrik in der Vergangenheit fast eine Million Liter Öl pro Jahr verbraucht, kommt heute der gesamte Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Neben Wasserkraft stammt beispielsweise die Heizleistung zu 100 Prozent aus Biomasse aus einem örtlichen Kraftwerk. In der Fabrik selbst konnten dank verbesserter Gebäudeisolierung und Wärmerückgewinnungssystemen die Energieeffizienz gesteigert werden. Der Stromverbrauch verringerte sich um 50 Prozent, die jährlichen CO2-Emissionen um 10 Millionen Kilogramm. Nur so wird ein nachhaltiger Ski überhaupt möglich.

Auch beim Materialeinsatz steht Ressourcenschonung im Fokus. Ein preisgekröntes Abfallmanagementsystem shreddert Reststoffe zu sehr kleinen Partikeln, die leicht zu verpacken sind und in anderen Industrien wiederverwertet werden. Künftig könnten zudem auch die wenigen Holzabfälle aus der Skiproduktion und erhitztes Kühlwasser von den Skipressen zum Heizen verwendet werden.

Heimische Marken, ausländische Eigentümer

Atomic gilt diesbezüglich als Vorreiter der heimischen Skiindustrie, wobei: Streng genommen ist der Branchenprimus gar kein österreichisches Unternehmen mehr. Der finnische Konzern Amer Sports (zu dem auch Marken wie etwa Salomon, Wilson und Suunto gehören) übernahm Atomic 1994. Amer Sports selbst wurde im März 2019 für mehr als vier Milliarden Euro an den chinesischen Sportartikelriesen Anta Sports verkauft.

GUT ZU WISSEN

  • Insgesamt werden weltweit pro Jahr 3,5 bis 3,6 Millionen Paar Ski verkauft.
  • Die vier heimischen Marken Atomic, Blizzard, Fischer und Head haben einen Marktanteil von weltweit rund 60 Prozent, in Österreich sind es 75 Prozent.
  • International ist der größte Markt Europa mit gut 2,2 Millionen verkauften Paar.
  • Als größte Einzelmärkte gelten mit 850.000 Paar Alpinski aber die USA und Kanada.
  • Österreich ist mit rund 400.000 verkauften Paar Ski der zweitgrößte Markt weltweit.
  • Davon gehen 60 Prozent in den Skiverleih.

Auch andernorts änderten sich die Eigentümerstrukturen: Die in Mittersill (Salzburg) beheimatete Marke Blizzard ist mittlerweile im Besitz der italienischen Tecnica-Gruppe. Kästle hat mit ConsilSport einen tschechischen Eigentümer. Head wiederum wurde zwar von einem Amerikaner gegründet, aber erst in Österreich als Skimarke groß und firmierte kurze Zeit sogar unter dem Dach der Austria Tabak. Heute gehört Head einem in den Niederlanden beheimateten Konzern. Nur die oberösterreichische Marke Fischer, heute zweitgrößter Skihersteller der Welt, ist tatsächlich noch ein rot-weiß-rotes Unternehmen.

Ein Ski wie ein Sandwich

Was alle gemeinsam haben? Neben Produktionsstandorten in Österreich, wo das Hochpreissegment hergestellt wird, gibt es für die Massenwaren im unteren Preissegment Zweitwerke in Osteuropa (Tschechien, Ukraine, Bulgarien). Entsprechend anders ist auch die Bauweise der jeweiligen Ski. Teurere Modelle werden in der Sandwich-Technologie gebaut, billigere als Twin-Cap.

Nachhaltiger Ski
Im Atomic-Werk in Salzburg wird ein ganz besonderer Rennski hergestellt …Foto: Klaus Höfler
Nachhaltiger Ski
… aufgrund der CO2-armen Produktion geht er als nachhaltiger Ski durch.Foto: Klaus Höfler

Zunächst erfolgt in der Vorfertigung der Zuschnitt der Holzkerne. Bei Atomic lagern sie in einer riesigen Halle. Schon hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Für Rennski wird Buchen- und Pappelholz verwendet, für Standardski nur Pappelholz, für Tourenski Caruba. Dabei kommen mächtige Fräsroboter zum Einsatz. Das war es dann aber auch schon in Sachen Automatisierung. Ab jetzt ist das Know-how hochspezialisierter MitarbeiterInnen gefragt. Händisch legen sie die einzelnen Schichten in die Presskassetten, händisch tragen sie den Kunstharzkleber auf. Es ist eine seit vier Jahrzehnten bewährte Methode.

Die Mischung? Top secret!

Auf den Holzkern kommen Gummistreifen, Aluminium, Carbon-Laminate, Stahlblech, Titanium und eine Fiberglasfasermatte, dann werden die Seitenwangen gefräst, der Belag geschliffen, die Kanten montiert und das Topsheet aufgebracht. Insgesamt besteht ein Ski aus zehn Lagen und bis zu 35 Komponenten.

Bei Rennski für die Weltspitze werden so manchmal nur drei Paar pro Stunde fertig, bei Premiumserien zwischen 25 und 30 Paar.

Dieses „Sandwich“ wird in einem „Toaster“ mit bis zu zwölf Bar Druck und bei rund 130 Grad bis zu einer Viertelstunde lang zusammengepresst. Der genaue Aufbau ist Betriebsgeheimnis, fein und individuell abgestimmte Rennski-Konfigurationen für die WeltcupheldInnen laufen gar unter einer noch höheren Geheimhaltungsstufe. Bis zu fünfzehn Minuten kann dieser Prozess für ein Paar Ski dauern. In acht Stunden werden so zwischen 35 und 70 Paar Rennski erzeugt.

Drei paar Ski pro Stunde

Fertig ist der Ski damit noch lange nicht. Es geht weiter in die Schleifstraße. Bis zu einem Dutzend Mal läuft ein Ski durch die entsprechenden Maschinen, vom Vorschliff bis zum Feinschliff mit feinsten Steinen verschiedener Körnung. Fertig? Nein, noch immer nicht. Jeder Ski landet noch auf einem Prüfstand, wo MitarbeiterInnen Oberfläche, Belag und Spannung prüfen, bevor sie ein optimal dazu passendes zweites Exemplar aussuchen und die beiden Latten zu einem Paar „verheiraten“. Auch dafür ist Fingerspitzengefühl und Erfahrung gefragt. Bei Rennski für die Weltspitze werden so manchmal nur drei Paar pro Stunde fertig, bei Premiumserien für den Handel zwischen 25 und 30 Paar. Erst dann wird die Bindungsplatte montiert, erst dann wird gewachst, poliert und verpackt, erst dann ist der Ski verkaufsfertig. 

  

FAZIT

In der Skiproduktion ist Österreich eine Weltmacht. Die Latten, die fürs rot-weiß-rote Sport-Ego die Welt bedeuten, sind zwar ein Massenprodukt, in einem Ski steckt aber jede Menge Know-how und Handarbeit, besteht ein Exemplar doch aus bis zu 35 Einzelteilen. Vor allem die Produktion nachhaltiger Ski bedarf besonders viel Engagement.

Lichtblick

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