Asfinag PV Lärmschutz

Neue Stromquelle: Windturbinen an Autobahnbrücken

Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie: Der heimische Autobahnbetreiber Asfinag will bis 2030 stromautark werden. Dafür werden Autobahnbrücken und Lärmschutzwände zu innovativen „Kraftwerken“.

Die Europabrücke bei Innsbruck hat eine mit Superlativen gespickte Geschichte. So war sie zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung 1963 mit 190 Metern die höchste Brücke Europas, ihr höchster Pfeiler mit 146 Metern sogar der höchste Brückenpfeiler der Welt. Geblieben ist ihr von diesen Rekordmarken nur der Titel als höchste Brücke Österreichs. Jetzt kommt dafür ein neues Alleinstellungsmerkmal dazu: Die Brücke wird die erste und bislang einzige in Europa, die auch ein Windenergiekraftwerk ist.

Dafür wurden auf einem Pfeiler 140 Meter über Grund acht Mikrowindkraftturbinen montiert. Die Idee dazu stammt von einem Asfinag-Mitarbeiter aus einem internen Innovationswettbewerb. Konstruiert und gebaut wurden die Turbinen von einem Berliner Start-up.

Potenzial: 5000 Asfinag-Brücken 

Im Vollbetrieb sollen sie rund 4.800 Kilowattstunden Strom produzieren. Das entspricht dem Verbrauch eines durchschnittlichen österreichischen Haushalts. Im Fall der Europabrücke, die Teil der Brenner-Autobahn ist, wird mit der Windenergie die Mautstelle Patsch mit Energie versorgt. So funktioniert’s:

Bewährt sich das Modell, hätte es enormes Potenzial: Allein die Europabrücke hat sechs Pfeiler. Und würde man die Mikrowindturbinen auf sämtlichen mehr als 5.000 Brücken, die die Asfinag in ihrem Straßennetz hat, installieren, könnten damit zwischen 50.000 bis 70.000 Kilowattstunden Strom im Jahr erzeugt werden.

Stromautark bis 2030

Das Tiroler Pilotprojekt ist aber nicht das einzige, mit dem die bundeseigene Autobahn- und Schnellstraßenbetreibergesellschaft versucht, ihren Energiehaushalt „grüner“ zu gestalten. 2018 wurde ein entsprechender Transformationsprozess gestartet und daraus eine Nachhaltigkeitsstrategie bis 2030 entwickelt. „Bis dahin wollen wir stromautark werden“, sagt Vorstandsdirektor Hartwig Hufnagl. 

Gelingen soll das mit einer Vielzahl an Maßnahmen – von mehr Biodiversität bis hin zum Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Neben Wind setzt man dabei auch auf Wasserkraft. So hat man Anfang Oktober am Semmering zwischen Mürzzuschlag und Ternitz ein eigenes Kleinwasserkraftwerk in Betrieb genommen. Es liefert rund 490 Megawattstunden Strom und deckt damit bis zu 45 Prozent des Energieverbrauchs des längsten der sechs Tunnel auf der S6 (Semmering-Schnellstraße).

Kleinwasserkraftwerk für Tunnel

Gespeist wird das Kraftwerk aus Bergwasser, das bisher ungenutzt aus dem Tunnel abgeleitet wurde. Je nach Niederschlag sind das bis zu 200 Liter pro Sekunde. Jetzt wird es gesammelt und fließt durch eine Druckrohrleitung ins 120 Meter tiefer gelegene Kleinkraftwerk. Dank der Fallhöhe treibt es dort eine Turbine an, die die elektrische Energie für den Tunnelbetrieb (Beleuchtung, Verkehrsschilder, Sicherheitstechnik) erzeugt.

1,7 Millionen Euro hat das Projekt gekostet. Es ist das zweite seiner Art, ein drittes könnte folgen. Nach dem bereits bestehenden Wasserkraftwerk in Flirsch in Tirol will man auch eines für den Karawankentunnel realisieren.

PV-Module für Lärmschutzwände

Aber auch Lärmschutzwände könnten in Zukunft zu Kraftwerken werden. In diesem Fall will man die Sonne als Energielieferantin anzapfen. Entsprechende Forschungsprojekte laufen. Limitierender Faktor dabei ist die fixe, nicht adaptierbare und daher nicht immer optimale Exposition – die Wände stehen nicht immer in Südrichtung, und der Einstrahlungswinkel ist noch dazu nicht schräg, sondern senkrecht. Damit können sie nicht so effizient funktionieren wie Anlagen, die auf Dächern oder freien Feldern stehen. Zum anderen sind Wartungs- und Sicherheitsfragen zu klären. Was passiert etwa, wenn im Winter der Schneepflug den Schnee auf die Lärmschutzwand wirft?

Entlang der S1 in Wien laufen daher entsprechende Tests, für die sieben unterschiedliche PV-Module auf Lärmschutzwänden montiert sind. Das gesamte Testfeld umfasst mehr als hundert Photovoltaik-Paneele, die maximal rund 45.000 Kilowattstunden „grünen“ Strom pro Jahr produzieren. Der im Testfeld erzeugte Strom fließt zu 100 Prozent direkt in die Sicherheitsausrüstung der S 1,

Die Anlagen werden in Bezug auf Statik, Wirtschaftlichkeit, Energiegewinnung und Betriebstauglichkeit geprüft. Vor allem aber darf die eigentliche Aufgabe einer Lärmschutzwand nicht verloren gehen – nämlich den durch den Verkehr entstehenden Lärm zu reduzieren. PV-Module, die beides können – Energie erzeugen und Schall absorbieren – wären die Optimalvariante. Und auch beim Wind ist noch viel möglich. So gibt es in China Versuche, den Sog, der durch die vorbeifahrenden Autos entsteht, zur Windenergiegewinnung zu nutzen.

Credits Artikelbild: Asfinag

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