Die ÖBB, die mit rund 2.000 Lehrlingen zu den größten Ausbildungsbetrieben Österreichs zählen, müssen sich im Herbst keine Sorgen um den Nachwuchs machen. Fast alle der 600 Lehrstellen sind bereits vergeben – dank einer von einem Sci-Fi-Game inspirierten Lehrlingskampagne.
Das Problem ist ein altes und betrifft fast alle Branchen. Der Lösungsansatz, den die ÖBB gefunden haben, ist hingegen neu. Was aber noch viel wichtiger ist: Er zeigt Erfolg. Doch alles der Reihe nach. Bleiben wir noch kurz bei der Problemstellung. So sind die meisten Unternehmen seit geraumer Zeit auf der Suche nach Fachkräften. „Händeringend“ noch dazu, wie nicht selten geschrieben steht, um den Ernst der Lage zu unterstreichen. Und tatsächlich ist der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu spüren, und die Lage spitzt sich immer weiter zu. Viele Betriebe bilden daher ihre Lehrlinge selbst aus, um den Bedarf an zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu decken.
Wo sind nur alle Lehrlinge hin?
Damit kommen wir aber zum nächsten Problem: Denn auch die Lehrlinge gehen uns aus, wie aus der aktuellen Umfrage des Beratungsunternehmens Deloitte hervorgeht. Dafür wurden im Frühjahr 2022 rund 100 heimische Unternehmen sowie 100 SchülerInnen und Lehrlinge um ihre Einschätzung zum Thema Lehre gebeten. Zwei Drittel der Unternehmen mit Lehrangebot gaben an, dass es schwer sei, geeignete Lehrlinge zu finden. Jeder zweite Betrieb kritisierte, dass es seitens der BewerberInnen an Motivation und Arbeitsbereitschaft fehle. „Um dem zu begegnen, sollten Unternehmen auf innovative Lösungen setzen“, rät Elisa Aichinger, Partnerin bei Deloitte Österreich. „Das beginnt bereits beim Arbeitsmarktauftritt: Jugendliche unterscheiden sich von älteren ArbeitnehmerInnen hinsichtlich ihrer Werte und Einstellungen. Unternehmen müssen konkret bei den Bedürfnissen der jungen MitarbeiterInnen ansetzen, um als attraktive Arbeitgeber zu punkten.“
Austria’s next EisenbahnerIn
Den ÖBB scheint nun genau das mit ihrer Lehrlingskampagne „Next Level – Lehre“ gelungen zu sein. Im Herbst vergangenen Jahres wurde sie präsentiert, mittlerweile sind fast alle der 600 Lehrstellen vergeben. Um die Jugendlichen zu erreichen und für das Unternehmen zu gewinnen, wurde eine ganz neue, von einem Sci-Fi-Game inspirierte Kampagne kreiert. Gewählt wurde dieser Stil deshalb, weil mehr als 90 % der Jugendlichen selbst GamerInnen sind. Das Motto „Next Level“ bezieht sich auf die fachliche Ausbildung, die man als Lehrling erhält und mit der man sozusagen das nächste Level erreichen kann – einen Top-Job bei den ÖBB.
Abgesehen von klassischen Print-Sujets in Zeitungen und Jugendmagazinen, die ein bisschen an Marvel-Filmposter erinnern, spielt die Kampagne sich überwiegend im Internet ab. Dafür wurden eigene Videos und Formate für Social-Media-Kanäle wie Facebook, Instagram, Snapchat oder TikTok entwickelt. „Auch der Bewerbungsprozess ist jetzt noch digitaler, um es BewerberInnen einfacher zu machen, die passende Lehrstelle bei uns zu finden. All das soll noch mehr Jugendliche davon überzeugen, bei uns anzuheuern und Teil der ÖBB-Familie zu werden“, sagt ÖBB-Infrastruktur AG Vorständin Silvia Angelo.
Neue Wege geht man auch bei der Arbeitskleidung. So werden die jungen Frauen und Männer, die im Herbst ihre Lehre beginnen, stylische, in Rot und Blau gehaltene Workwear tragen. Entworfen wurde diese vom Wiener Designerinnenduo Meshit. Gelauncht wurde sie mit einem Snapchatfilter und einem Stratosphärenflug.
Ausgezeichnete Kampagne
Man kann durchaus behaupten, dass die neue Lehrlingskampagne ausgezeichnet ist. Mehrfach sogar. Sie überzeugte nicht nur die Fachjury in Berlin beim deutschen Preis für Onlinekommunikation, wo sie sich den Titel „Kampagne des Jahres“ holte. Nein, auch in Wien konnte man sich bei den Lehrlingsmarketing-Awards – Brands 4Young Talents 2022 gegen die Konkurrenz durchsetzen. Was viel mehr zählt, ist jedoch, dass man junge Menschen erreicht und ihnen die Chance bietet, wichtige Weichen für die berufliche Zukunft zu stellen.
Wer sich noch um eine Lehrstelle bewerben möchte, kann dies unter Nasicher – Nasicher tun.