Entwicklung Satellit Beyond Gravity

Österreichischer Satellit erforscht Klimawandel

So groß wie eine Schuhschachtel und auf Mission im Weltraum unterwegs: Der in Österreich entwickelte und gebaute Kleinsatellit „Pretty“ liefert Daten, mit denen der Klimawandel auf der Erde vom All aus gemessen werden kann.

Der Countdown läuft. Der Start für die Vega-Rakete, die den österreichischen Satelliten „Pretty“ ins All bringen wird, ist für den 4. Oktober angesetzt. Abgehoben wird vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana, einem südamerikanischen Übersee-Département Frankreichs.

„Pretty“ ist aufgrund seiner Größe und einem Gewicht von fünf Kilo ein sogenannter Nanosatellit. Er besteht aus drei kleinen Würfeln. Deren Seitenlänge: jeweils gerade einmal zehn Zentimeter. Entwickelt und gebaut wurde „Pretty“ vollständig in Österreich. „Zum ersten Mal hatten wir die Gesamtverantwortung für eine Raumfahrtmission, ein Ritterschlag für jedes Weltraumunternehmen“, ist Kurt Kober, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria, Österreichs größtem Weltraumzulieferer, stolz.

Satellit in 600 Kilometer Höhe

Das Unternehmen mit Sitz in Wien-Meidling ist in Europa Marktführer bei Navigationsempfängern für die präzise Positionsbestimmung und Thermalisolation für Satelliten. Die meisten Satelliten und Raumsonden der Europäischen Weltraumagentur (ESA) werden mit Thermalschutzhüllen von Beyond Gravity Austria ausgerüstet. 

Mit dabei bei dieser aktuellen Entwicklungsmission sind zudem die Technische Universität Graz (TU) sowie die Seibersdorf Labor GmbH. Mit den anspruchsvollen wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen von Satellitenmissionen ist die TU Graz bestens vertraut. Die Wissenschafter:innen haben mit der Konstruktion und Produktion von Satelliten sowie deren Überwachung von der Erde aus jahrelange Erfahrung. So ist „Pretty“ der bereits dritte Nanosatellit, der in den Labors der Uni gebaut wurde. Er wird die Erde auf einer polaren Umlaufbahn in rund 600 Kilometern Höhe umkreisen.

Bodenstation der TU Graz

Das Hauptmissionsziel ist die Analyse von Eisdicken und Meereshöhen und im Speziellen ihre Veränderung. Der Datenverkehr zwischen Erde und All erfolgt dabei über eine am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation erbaute Bodenstation. Zusätzlich zum Antennenturm wurde ein Kontrollzentrum aufgebaut, um die Kommunikation mit dem Satelliten und dessen Bahnverfolgung zu erleichtern.

Satellit Bodenstation TU Graz
Von der Bodenstation an der TU Graz aus wird die Mission des Satelliten kontrolliert.Foto: TU Graz

An Bord des Satelliten ist ein Instrument zur sogenannten passiven Reflektometrie – daher auch der Name des Satelliten: „Pretty“ steht für „Passive Reflectometry and Dosimetry“. Diese Spezialmessmethode anhand von Signalen anderer Satelliten wird erstmalig im All angewandt und erlaubt besonders genaue Höhenmessungen, beispielsweise von Eiskappen, bis in den Dezimeter- und Zentimeterbereich. Gemessen werden aber auch Windgeschwindigkeiten und die Bodenfeuchtigkeit sowie Meeresströmungen der Ozeane.

„Unwetter“ im All

Außerdem wird anhand von Strahlungssensoren der Einfluss des Weltraumwetters, also vor allem der Strahlungsumgebung im Weltall auf Elektronikbauteile analysiert. Denn Satelliten sind im Weltraum einer sehr herausfordernden Umgebung ausgesetzt. Beispielsweise haben Sonnenstürme Auswirkungen auf den Flugverkehr, auf Kommunikations- und Navigationssysteme sowie auf die Stromversorgung auf der Erde und können Satelliten und Astronaut:innen im All gefährden. 

Entsprechend robust müssen die Flugkörper gebaut sein, und entsprechend wichtig für die Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit von Weltraummissionen sind Prüfungen bezüglich Strahlungsfestigkeit von Satellitenkomponenten. Entwickelt wurden die dafür notwendigen Instrumente von Seibersdorf Laboratories.

Kleinsatelliten werden verstärkt für Forschungsmissionen im Weltall eingesetzt. Sie sind kostengünstiger und schneller zu produzieren als ihre konventionellen „großen Brüder“.Foto: Beyond Gravity

Kleinsatelliten gelten als wichtiges Element, um die Weltraumforschung voranzubringen. Seibersdorf Laboratories wird diesbezüglich Ende des Jahres eine innovative Methode zur Evaluierung der Strahlenfestigkeit elektronischer Bauteile präsentieren: Laser Testing. Damit werden die Tests deutlich günstiger, kürzer und flexibler, was insbesondere für Klein- und Kleinstsatellitenbetreiber von großem Vorteil ist.

„Mit Kleinsatelliten eröffnen sich viele Möglichkeiten, neue Weltraumtechnologien rasch und kostengünstig auszuprobieren“, bestätigt Andreas Geisler, Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

GUT ZU WISSEN

Beyond Gravity Austria ist mit rund 42 Millionen Euro Umsatz (2022) und rund 240 Mitarbeiter:innen das größte österreichische Weltraumtechnikunternehmen. Die Exportquote liegt bei beinahe 100 Prozent.

Seibersdorf Labor GmbH (auch: Seibersdorf Laboratories) bietet hochwertige Labordienstleistungen und Messtechnik. Die forschungsbasierten Aktivitäten umfassen u. a. Weltraumwetter und Dienstleistungen für die Luftfahrtdosimetrie, Strahlungsfestigkeitsprüfungen von Elektronikbauteilen und Systemen sowie Entwicklungen von Strahlungssensoren.

Credits Artikelbild: Beyond Gravity

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