Erfindungen

Österreichs Patente unter „falscher Fahne“

Noch scheint die Sonne am Patente-Himmel. In Erfinder-Hitparaden rangiert Österreich im globalen Spitzenfeld. Aber es ziehen dunkle Wolken auf.

Heimat bist du großer Töchter und Söhne“: Der Hinweis in der Bundeshymne auf die intellektuelle Schaffenskraft der ÖsterreicherInnen findet in einschlägigen Rankings seine Entsprechung. So belegt Österreich im Global Innovation Index der UNO unter 132 verglichenen Volkswirtschaften bei den Patent-Anmeldungen aktuell Platz 18.

Nicht schlecht – tatsächlich aber könnte Österreich sogar weiter vorne liegen. Denn die Hitparade basiert auf den Herkunftsländern der Patentanmelder, berücksichtigt aber nicht den Beitrag heimischer ErfinderInnen bei Patentanmeldungen aus dem Ausland.   

Patenturkunde
Österreichische Firmen haben im Jahr 2020 weltweit 11.534 Patente angemeldet.Foto: adobe stock | Björn Wylezich

Laut dieser Untersuchung haben österreichische Firmen 2020 weltweit 11.534 Patente angemeldet. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der österreichischen Patentanmeldungen damit mehr als verdoppelt. Allein die Anmeldungen nur in Österreich kletterten im Vorjahr auf 2.737 Patente – und liegen damit sogar knapp über dem Wert von 2019 (2.724).

High-Tech-Patente: Österreich holt auf

Eine Studie des Europäischen Patentamts zeigt, dass zwischen 2010 und 2018 die Patentanmeldungen in Bereichen wie Big Data, Internet der Dinge, 5G oder künstliche Intelligenz weltweit im Schnitt um jährlich 19,7 Prozent rasant gestiegen sind. In Europa betrug das Wachstum 15,5 Prozent, in Österreich 15,8 Prozent – wobei beim Plus Österreich auf Platz drei in Europa, hinter Schweden (22,6 Prozent) und der Schweiz (19,6 Prozent), liegt.

Auch das ist nicht schlecht – tatsächlich aber könnte diese Aufholjagd noch rasanter ausgefallen sein, als die Zahlen vermuten lassen. Denn auch hier gilt, dass multinationale Unternehmen ihre Patente meist dort anmelden, wo sich ihre Headquarters befinden. Oder dort, wo es rechtliche oder steuerliche Vorteile bringt. Österreich war da nicht immer erste Adresse.

Home of Düsentrieb 

Mittels Spezialauswertungen kann nämlich nachgewiesen werden, „wo die klugen Daniels und Danielas Düsentriebs zu Hause sind“, erklärt Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. So konnte eine „Landkarte der InnovatorInnen“ für Österreich entworfen werden. Anhand derer wird sichtbar, wo sich „Innovationsökosysteme“ (Helmenstein) befinden – zum Beispiel rund um technologische Leitbetriebe oder Universitäten.

Wirtschaftsforscher Christian Helmenstein
Wirtschaftsforscher Christian Helmenstein: „Wir müssen weiter zeigen können, wie gut wir aufgestellt sind, damit Investitionen nach Österreich gelotst werden können.“ Foto: IV

Diese Nachvollziehbarkeit ist im internationalen Standortwettbewerb für eine kleine Volkswirtschaft wie Österreich extrem wichtig. Weshalb? „Weil investitionsbereite Unternehmen gerade aus den wissens- und technologieintensiven Branchen üblicherweise einen Standort wählen, an dem es einen tiefen und breiten Humankapitalpool gibt“, begründet Helmenstein. Man müsse schließlich wissen, wo sich schon heute Kompetenz für Entwicklungen befinden, die morgen gebraucht werden.

„Benachteiligung Österreichs“

Ist eine entsprechende Nachverfolgung der Wissensströme bis zu ihrem Ursprung dagegen nicht möglich, komme es zu einer „Verzerrung in Bezug auf die Darstellung des tatsächlichen Innovationsgeschehens beziehungsweise der Innovationskraft des Standorts“ (Helmenstein).

Gerade für Österreich ist das ein massiver Nachteil, weil viele multinationale Unternehmen hier Entwicklungsstandorte betreiben. „Wir müssen aber weiter zeigen können, wie gut wir aufgestellt sind, damit Investitionen nach Österreich gelotst werden können“, so der Wirtschaftsforscher.

Europa droht das Abstellgeleis 

Aber nicht nur Österreich, sondern Europa insgesamt droht, aufs Abstellgeleis zu fahren. So hat Europa zwischen 2010 bis 2018 gegenüber anderen Weltregionen an Boden verloren, wie das Firmenranking der patentstärksten Unternehmen zeigt. Von 2000 bis 2009 hatte Siemens aus Deutschland noch Rang vier belegt, gefolgt von Nokia (Finnland, Platz 5) und Philips (Niederlande, Rang 6).

Im Zeitraum 2010 bis 2018 schaffte es die innovativste europäische Firma, Ericsson, lediglich auf Rang 8, Nokia auf Platz 9. Philips fiel auf den 16. Platz zurück, Siemens auf Rang 18. Sieger war in beiden Jahrzehnten Samsung, wobei sich der südkoreanische Technikriese anteilsmäßig noch einmal stark verbessert hat. Auf Platz zwei kam, im Zeitraum 2010 bis 2018, LG (Südkorea), auf Platz drei der US-Chipkonzern Qualcomm. Es folgten Sony (Japan), Huawei (China), Intel und Microsoft (beide USA).

GUT ZU WISSEN

  • Im Bundesländerranking führt wie schon in den vergangenen Jahren Oberösterreich mit 638 Patentanmeldungen vor der Steiermark (522) und Wien (436).
  • Gemessen an der Bevölkerungszahl liegt Vorarlberg mit 212 Erfindungsanmeldung weiter auf Rang eins.
  • Unter den Hochschulen konnte die Technische Universität (TU) Wien mit 22 Anmeldungen ihren ersten Platz vor der TU Graz (8) und der Uni Innsbruck (6) behaupten.
  • Bei den Firmen ist seit 2012 AVL List das Top-Unternehmen, 180 Patente hat es im Vorjahr angemeldet. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Julius Blum (76) und Zumtobel Lighting (39).
Credits Artikelbild: adobe stock | Halfpoint

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