Palfinger Kran Schiff

Palfinger: Hebebühnen auf Schiffen können „wellenreiten“

Eine Schiffshebebühne von Palfinger gleicht auf hoher See die Bewegungen der Wellen aus. Auch in Sachen Elektromobilität und Lehrlingsausbildung schreibt das heuer 90-jährige Unternehmen seine Innovationsgeschichte fort.

Man nehme die Deckenhöhe einer typischen Neubauwohnung und stelle sich eine Welle in gleicher Höhe von rund zweieinhalb Meter vor. Was im „Trockendock Wohnzimmer“ ziemlich mächtig wirkt, gehört auf hoher See zur Normalität. Das Transferieren von Gütern oder Personen von beispielsweise Transportschiffen auf Bohrinseln oder Offshore-Windradanlagen bleibt bei einem derartigen Wellengang dennoch herausfordernd. Noch.

Ein von der Marine-Sparte des Salzburger Hebevorrichtungsherstellers Palfinger übernommenes niederländisches Start-up hat eine Technologie entwickelt, die für ein sichereres, schnelleres und effizienteres Umladen in wellig wackeliger Umgebung sorgt. Ein im vergangenen Herbst präsentierter Prototyp wiegt 15 Tonnen. Er verfügt über eine hydraulische Hebebühne, die eine maximale Höhe von 20 Meter und eine Reichweite von bis zu 24 Meter besitzt.

Palfinger-Technologie unterstützt Energiewende 

Das Besondere: Diese Plattform kann nicht nur bis zu sechs Personen oder Güter mit einem Gesamtgewicht von bis zu zweitausend Kilo in die Luft heben, sie kann auch Wellenhöhen von bis zu zweieinhalb Meter (= Wohnzimmerhöhe) ausgleichen. Technisch gesehen wird das Auf und Ab und Hin und Her des Wellengangs über eine mit den drei Raumachsen arbeitende Elektronik kompensiert, um die Bewegung des Wassers zu absorbieren. 

Palfinger-CEO Andreas Klauser ist überzeugt, dass diese Technologie in den nächsten Jahren aufgrund des verstärkten Ausbaus der Offshore-Windindustrie und der Rückbaumaßnahmen im Offshore-Öl- und -Gassektor verstärkt nachgefragt werden wird. „Diese Entwicklungen sind maßgeblich für den weltweiten Umstieg auf erneuerbare Energien“, sagt Klauser.

Es ist aber nicht das einzige Projekt, mit dem Palfinger seine Innovationstradition vorantreibt. Mehrere Patente für hydraulische und zusammenklappbare Kranaufbauten stehen in den Firmenannalen und sind noch heute „state of the art“. Dazu kommen spektakuläre technische Lösungen, wie 1980 beispielsweise Unterwasserkräne für Bohrinseln, mit denen Rohrleitungen verlegt werden. 1992 wurde der erste Marinekran gefertigt.

Krananlage für Elektro-LKW

Mitte April heurigen Jahres hat man einen Rahmenvertrag mit dem norwegischen Explorationsunternehmen Aker BP unterzeichnet. Er umfasst die Entwicklung und die Konstruktion ferngesteuerter Kräne sowie die Lieferung von insgesamt sechs Elektrokränen für vier Plattformen in den kommenden zehn Jahren. Der Vorteil dieser digitalen Technologie: enorme Kosteneinsparungen vor allem bei sich wiederholenden Arbeitsabläufen bei ruhigen Wetterbedingungen, die große Personal- und Anlagenkapazitäten erfordern. 

Palfinger-eLKW
Palfinger hat zusammen mit Mercedes eigene Kran- und Hebeaufbauten für Elektro-LKW entwickelt.Foto: Palfinger

An Land sorgt indes die Elektromobilität für neue Entwicklungen. Denn ändert sich die Energiequelle für den Motor, sind davon auch Aufbauten der LKW betroffen. Palfinger hat daher zusammen mit Mercedes Benz Trucks ein Kransystem entwickelt, das mit den Hochvoltsystemen der E-LKW kompatibel ist. Die Serienproduktion startet Ende 2022 und konzentriert sich in einem ersten Schritt auf Hakengeräte und Absetzkipper.

Neues Lehrlings- und Weiterbildungszentrum

Außerdem hat man das unternehmenseigene Technologiezentrum in Köstendorf um fünf Millionen Euro ausgebaut. Damit hat man passende Voraussetzungen geschaffen, um dort den MitarbeiterInnenstand von derzeit 350 binnen fünf Jahren verdoppeln zu können. Die Steuerung, der Antrieb und die komplette Regeltechnik für alle Palfinger-Produkte weltweit werden künftig im Flachgau entwickelt.

Bereits vor zwei Jahren erfolgte in Lengau in Oberösterreich der Startschuss für das neue Lehrlings- und Weiterbildungszentrum „Campus“. Es war der erste Schritt eines rund 40 Millionen Euro umfassenden Investitionsprogramms zur Standortstärkung, Ökologisierung und Digitalisierung. „Wir schaffen 200 top ausgestattete Lehrplätze, die sich auf Digitalisierung und Software-Entwicklung sowie Industrie 4.0 konzentrieren“, so Klauser. Dazu zählt unter anderem eine neue Lehrlingswerkstatt für Additive Fertigung, Assistenzsysteme und Digitale Arbeitswelten. 

Rekordumsatz trotz Corona

Mit derartigen Investitionen und Produktneuheiten als Ergänzung zum Stammportfolio soll wieder mehr Stabilität einkehren. Denn die vergangenen Monate gehören zu den bewegtesten in der heuer 90-jährigen Unternehmensgeschichte. So kletterten 2021 die Bilanzkennzahlen in lichte Höhen. Mit 87 Millionen Euro Nettogewinn gab es ein Plus von 74 Prozent gegenüber 2020 – und damit sogar ein besseres Jahresergebnis als im Vor-Corona-Jahr 2019. Der Umsatz kletterte von 1,54 auf 1,84 Milliarden Euro. 

Im ersten Quartal des heurigen Jahres spiegelte sich aber die gesamte Variabilität der gegenwärtigen Marktsituation wider. Der Umsatz kletterte zwar auf 485,6 Millionen Euro – und damit auf den bisher höchsten Wert eines Startquartals. Parallel sackte das Konzernergebnis jedoch um 44,5 Prozent auf 13,6 Millionen Euro ab.

Drei Milliarden Euro Umsatz als Ziel 

Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine, weiter rasant steigende Materialkosten, instabile Lieferketten sowie Personal- und Kapazitätsengpässe bremsen das Geschäft, heißt es bei Palfinger. Als Folge dieser herausfordernden Rahmenbedingungen rechnet man mittlerweile für heuer mit einem deutlich niedrigeren Umsatz als im Rekordjahr 2021. Unter anderem ist ein Durchreichen der höheren Kosten an die EndkundInnen nur bedingt möglich.

Knapp vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine klang das noch deutlich optimistischer. Zwei Tage, bevor der militärische Konflikt eskalierte, ging die Konzernspitze noch von einem neuerlichen Rekordumsatz aus. Erstmals wollte man mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Der Krieg machte aber kurzfristig nicht wirtschaftliche, hohe Lagerbestände in den Produktions- und Montagewerken notwendig. Das mittelfristige Ziel, bis 2030 die Drei-Milliarden-Euro-Grenze zu überschreiten, bleibt jedenfalls. 

GUT ZU WISSEN

  • Richard Palfinger gründet 1932 eine kleine Werkstatt für landwirtschaftliche Anhänger, Kipper und Fahrzeugaufbauten.
  • Heute ist die von Bergheim aus geleitete Palfinger Gruppe der weltweit führende Produzent und Anbieter innovativer, smarter und kompletter Kran- und Hebelösungen.
  • Weltweit beschäftigt man rund 11.700 MitarbeiterInnen an 31 Fertigungsstandorten und hat ein weltweites Vertriebs- und Servicenetzwerk von rund 5.000 Stützpunkten.
  • 2021 erzielte das börsennotierte Unternehmen einen Rekordumsatz von 1,84 Milliarden Euro.
  • 2022 feiert Palfinger sein 90-jähriges Jubiläum.
Credits Artikelbild: Palfinger

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