Klimaziele: Mehr, als auf dem Papier steht

Die Papierindustrie zählt in Österreich mittlerweile zu den Vorreitern bei der Ökoenergieerzeugung. In zahlreichen Unternehmen laufen ambitionierte Projekte zur Energieeinsparung und zur Umstellung von fossiler auf erneuerbare Energie. Ganz ohne Gas geht’s aber (noch) nicht.

Es ist ein Satz, den man so eher selten hört. In Sachen CO2-Ausstoß will sich in der Regel doch niemand festlegen. Oder? „Die Dekarbonisierung ist keine Frage des Obs, sondern des Wanns“, betonte jedenfalls Max Oberhumer, Energiesprecher der Austropapier, heuer bei der Jahreskonferenz der Österreichischen Papierindustrie. Und fügte hinzu, dass man auf einem guten Weg sei und zu den Klimazielen stehe. Gerade die Papierbranche, die als besonders energieintensiv gilt, hatte in letzter Zeit ordentlich zu kämpfen. Durch den Kriegsausbruch in der Ukraine und die bis zu zehnmal höheren Energiepreise sahen sich einige Unternehmen sogar gezwungen, ihre Produktion kurzfristig einzustellen.

Der Druck, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, ist also groß. Die Anstrengungen, dieses Ziel zu erreichen, sind es auch. So investierte die Branche 2022 rund 296 Millionen Euro in Effizienz, Qualität und den Umweltschutz. Das sind um 35 Prozent mehr als im Jahr davor. Dadurch gelang es, den Anteil an erneuerbaren Energieträgern auf 64 Prozent zu steigern und die CO2-Emissionen um 23 Prozent zu reduzieren. Damit gibt man sich jedoch nicht zufrieden. Das ambitionierte Ziel der Papierindustrie: Bioökonomie, darunter versteht man eine Wirtschaftsform, die fossile Ressourcen durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt. Der Weg dorthin ist noch weit, doch Papier ist bekanntlich geduldig.

Über Austropapier:

Die Vereinigung der Österreichischen Papierindustrie wurde 1872 von 20 Papierfabriken gegründet. Damals schaffte man gemeinsam den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und errichtete ein eigenes Ausbildungszentrum, in dem immer noch die Werksmeister:innen ausgebildet werden. Heute vertritt Austropapier die Interessen ihrer 23 Mitglieder und der rund 7.700 Beschäftigten, die zusammen jedes Jahr sieben Millionen Tonnen Papier und Zellstoff erzeugen.

Reststoffverwertungskessel, PV-Anlagen und Biomassekraftwerk

In zahlreichen Papierunternehmen laufen bereits Projekte, um Energie einzusparen und Produktionsanlagen und -prozesse auf erneuerbare Energieträger umzurüsten. So nahm man bei Norske Skog in Bruck an der Mur letztes Jahr eine neue Energieanlage in Betrieb, die ungefährliche Ersatzbrennstoffe thermisch verwertet. Insgesamt investierte das Unternehmen rund 72 Millionen Euro in das Projekt. Mit der neuen Anlage kann der Verbrauch von Erdgas um bis zu 75 Prozent verringert werden. Viele Fabriken haben mittlerweile auch PV-Anlagen auf ihren Dächern. Faserspezialist Lenzing etwa errichtete auf einer ehemaligen Deponie die größte Freiflächen-Photovoltaikanlage Oberösterreichs. Jedes Jahr sollen damit 6.000.000 kWh Strom erzeugt und der CO2-Ausstoß um 4.400 Tonnen reduziert werden. Zellstoff- und Papierproduzent Sappi hingegen hat am Produktionsstandort in Gratkorn den Ausstieg aus Kohle geschafft. Der aus dem Jahr 1986 stammende und kürzlich modernisierte Kraftwerkkessel 11, der die beiden Papiermaschinen mit Strom und Dampf versorgt, wird nun mit Biomasse und übergangsweise noch mit Erdgas betrieben. In Zukunft will man aber nur noch erneuerbare und CO2-neutrale Brennstoffe einsetzen.

Das Sappi Werk in Gratkorn.

Hohe Investitionen für niedrigeren CO2-Fußabdruck

Sappi Gratkorn ist innerhalb von Sappi Europe der größte Produktionsstandort des Papierkonzerns und stellt hochwertiges, holzfrei gestrichenes Papier für den Druck- und Schreibwarenmarkt her. Exportiert wird dieses in die ganze Welt. Durch den Umbau des Kraftwerkskessels, der rund 35 Millionen Euro kostete, konnte der CO2-Fußabdruck um fast 30 Prozent reduziert werden.

Am steirischen Standort wird zur Energieerzeugung Biomasse eingesetzt, die aus verschiedenen Quellen stammt: Zum einen verwendet man Holzreste aus der Zellstoffproduktion und zum anderen Schwarzlauge, ein Nebenprodukt bei der Zellstoffherstellung. In Zukunft sollen aber auch andere Reststoffe aus der Forstwirtschaft als Biomassequelle dienen. Zwar wird auch bei der Verbrennung von holzartiger Biomasse biogener Kohlenstoff – also Kohlenstoff, der von Lebewesen stammt – in die Atmosphäre freigesetzt, wenn man Restbiomasse wie Schwarzlauge oder Äste zur Energiegewinnung nutzt, hat dies aber den Vorteil, dass der gefällte Baum vollständig verwertet wird.   

Am steirischen Standort wird zur Energieerzeugung Biomasse eingesetzt, die aus verschiedenen Quellen stammt, wie beispielsweise Holzreste.

„Unglaubliche Teamleistung“

Die Umrüstung von Kessel 11 war ein großes und komplexes Unterfangen. Zuerst mussten die alten Kesselteile demontiert werden, dann erst konnte die neue, hochmoderne Anlage installiert werden. In Spitzenzeiten waren mehr als 200 Personen involviert, sowohl Mitarbeiter:innen als auch Partnerfirmen. „Unser Projektteam war eine ideale Mischung aus Talenten aus allen technischen Bereichen, die ihr gebündeltes Fachwissen engagiert einbrachten“, sagt Helene Kindermann, Maschinenbauingenieurin bei Sappi Gratkorn. „Dank einer unglaublichen Teamleistung haben wir diesen Umbau erfolgreich umgesetzt.“ Insgesamt dauerten die Arbeiten drei Jahre. Letzten Sommer konnte die Kesselanlage vorläufig in Betrieb genommen werden, seit Herbst ist sie vollständig in den Prozess integriert. Damit ist Sappi seinem Ziel, in Zukunft nur noch erneuerbare und CO2-neutrale Brennstoffe zu verwenden, einen Schritt nähergekommen.

Über Sappi:

  • Sappi ist ein weltweit führender Anbieter von nachhaltigen Holzfaserprodukten und -lösungen in den Bereichen Chemiezellstoff, Druckpapiere (gestrichene Feinpapiere), Verpackungs- und Spezialpapiere, Casting- und Release-Papiere, Biomaterialien und Bioenergie.
  • Gegründet wurde Sappi 1936 als South African Pulp and Paper Industries Limited. Aus diesem Namen leitet sich der heute gebräuchliche und seit der Namensänderung 1973 offiziell geführte Name Sappi her.
  • Sappi Europe gehört zur Sappi Limited (JSE) mit Hauptsitz in Johannesburg, Südafrika, mit 12.500 Mitarbeiter:innen und 19 Produktionsstätten auf drei Kontinenten in neun Ländern. Außerdem hat das Unternehmen weltweit 37 Vertriebsbüros und Kund:innen in mehr als 150 Ländern.
Lichtblick

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