Pensionssystem

Zum Teufel mit der Demografie! Österreichs Pensionssystem in Schieflage

Das heimische Pensionssystem steht vor einer großen Herausforderung: Die Älteren werden mehr und immer älter, die Jungen, die arbeiten, immer weniger. Wie kann dieses Ungleichgewicht in Zukunft funktionieren und wer zahlt dabei am meisten drauf?

Wir suchen dich!, schreit es einem entgegen, wenn man derzeit durch die Straßen spaziert. Egal, ob beim Wirten ums Eck, in der Spitzengastronomie oder im Supermarkt – es herrscht ein spürbarer Mangel an Fachkräften in Österreich. Ohne sichtbare Schilder in Auslagen, dafür umso akuter ist das im Bereich Pflege, bei handwerklichen Berufen – und in der Industrie.

Während die einen bereits in Pension gehen, wollen sich die anderen die unflexiblen Arbeitszeiten oder schlechte Bezahlung in manchen Sektoren nicht mehr antun. Klar ist: Bereits jetzt und auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird diese Entwicklung die heimische Wirtschaft vor sehr große Herausforderungen stellen.

Drastische Veränderungen in naher Zukunft

Die Bevölkerungsprognose der Statistik Austria zeichnet ein Bild von drastischer Veränderung in naher Zukunft: Die Zahl der Menschen im Alter zwischen 15 und 64, also der Erwerbstätigen, soll im kommenden Jahr sinken – zum ersten Mal seit 46 Jahren. Im Jahr 2030 soll sich die Zahl jener im erwerbstätigen Alter um rund 170.000 Menschen reduziert haben. Gleichzeit zeigt sich hierzulande durch das Wirtschaftswachstum, dass so viele Arbeitskräfte gebraucht werden wie noch nie. Ein Beschäftigungsplus von einer halben Million Menschen war es allein in den letzten zehn Jahren.

Im Jahr 1950 kamen auf eine pensionierte Person noch sechs Personen im erwerbsfähigen Alter. Heute sind es lediglich drei Personen. Und im Jahr 2040 werden es voraussichtlich nur noch zwei sein.

Aus der aktuellen demographischen Statistik

Klingt so, als wäre die Sorge um unsere Pension also berechtigt. Laut Ökonom:innen werden unsere Pensionen allerdings auch in den kommenden Jahrzehnten gesichert sein. Das aber nur dann, wenn sich das Pensionssystem den realistischen Tatsachen der gesellschaftlichen Entwicklung anpasst. Was aber heißt das konkret? Alles der Reihe nach.

Okay, Boomer: Was nun?

Trotz langer Beitragsjahre keine vernünftige Pension mehr zu bekommen – diesen Jammer kennen wahrscheinlich viele von ihrer Elterngeneration, ob man nun Babyboomer ist oder Millennial. Das Pensionssystem veränderte sich in all diesen Generationen stetig und wurde zunehmend komplexer. Es basiert aber immer noch auf dem Prinzip, dass eine Generation für die andere sorgt. Erwerbstätige kommen für jenen Teil der Bevölkerung auf, der nicht mehr arbeitet. Bedeutet in Zahlen: 2021 lag der Alterspensionsdurchschnitt von Frauen und Männern bei 1.278 Euro. Rund zwei Millionen Österreicher:innen erhalten derzeit jeden Monat ihre Pension.

Pensionssystem in Schieflage

Die derzeitige Demografie in Österreich bringt dieses System allerdings immer mehr in Schieflage. Der geburtenstarke Babyboomerjahrgang der 1950 bis 1964 Geborenen erreicht bald vollständig das Pensionsalter. Bis 2060 wird somit laut Statistik Austria die Zahl der über 65-Jährigen bereits um eine Million auf 2,7 Millionen gestiegen sein. Gleichzeitig geht die Zahl der Erwerbsfähigen zurück – die finanziell größte Last tragen also jene zwischen 20 und 65 Jahren. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlenden und Pensionsempfangenden ist somit nicht mehr im Gleichgewicht.

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Der demographische Wandel muss mit einem gesellschaftlichen einhergehen. Sonst stecken wir allesamt in richtig großen Problemen …Foto: Adobe Stock

Zum Vergleich: Im Jahr 1950 kamen auf eine pensionierte Person noch sechs Personen im erwerbsfähigen Alter. Heute sind es lediglich drei Personen. Und im Jahr 2040 werden es voraussichtlich nur noch zwei sein. Dass wir gleichzeitig immer länger leben, ist zwar eine durchwegs gute Nachricht, sie wirkt sich aber zusätzlich schwerwiegend auf das Pensionssystem aus. Bis 2050 soll das Durchschnittsalter von Männern von derzeit 79,5 Jahren auf 85,2 Jahre steigen, Frauen werden mit 88,8 Jahren um 4,6 Jahre älter.

Die Finanzierungsgrundlagen für das Pensionssystem sind hohe Beschäftigungsquoten sowie hohes Lohnniveau. Und der Blick auf die heimische Beschäftigungsquote stimmt somit sogar positiv: Laut dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zeigte sich zwischen 2010 und 2020 eine Zunahme der Beschäftigungsquote um 3,3 Prozent. In Zahlen bedeutet das: rund 560.000 Erwerbspersonen mehr – Tendenz steigend.

Teilzeitfalle bei Frauen

Dass der Teilzeitanteil bei Frauen immer noch sehr hoch ist, stellt für Betroffene im Gegenzug aber gleich zwei Probleme dar: Zusätzlich zu den Konsequenzen für die staatliche Pension hat die Teilzeitarbeit Auswirkungen auf die zukünftige Erwerbsfähigkeit der Frauen, die sich meist mitten in der wirtschaftlich produktivsten Lebensphase befinden. Der Wiedereinstieg auf dem vorherigen Arbeitsmarktwertniveau gestaltet sich immer noch schwer. Bedingt durch das geringere Einkommen besteht außerdem oft keine Möglichkeit, privat finanziell vorzusorgen. Durch die daraus resultierenden Abhängigkeiten schlittern Betroffene – oft ohne Chance gegensteuern zu können – in die Altersarmut.

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Gerade Frauen sind besonders gefährdet und schlittern oft in die Altersarmut. Gleichzeitig könnten sie jedoch der Schlüssel zur Problemlösung sein!Foto: Adobe Stock

Gleichzeitig sind es aber Frauen, die die derzeitige Demografie tendenziell ausgleichen können. Laut Expert:innen wird die Erwerbstätigkeit bei Frauen stetig steigen, da die partnerschaftlichen Verhältnisse bei der Familiengründung immer fairer und ausgeglichener aufgeteilt werden. Ab 2024 wird das Frauenpensionsalter von aktuell 60 Jahren stetig um sechs Monate angehoben, bis es dem der Männer gleicht. Da wird es nicht reichen, wenn Löhne steigen – Arbeitsverhältnisse müssen viel eher so gestaltet werden, dass sie für beide in der Partnerschaft mit dem Familienleben gut vereinbar sind. Stichworte: betriebliche Kinderbetreuung und flexible Arbeitszeiten.

Angepasste Jobs für alle

Ein weiterer Aspekt, der unser Pensionssystem vor dem Kollaps retten könnte: Neben Frauen sind es Ältere und Menschen mit Migrationshintergrund, die die derzeitige Lücke am Arbeitsmarkt zu schließen vermögen. Aktuellen Schätzungen zufolge pendeln rund 130.000 Menschen aus den Nachbarländern nach Österreich, um hier genau in jenen Sektoren zu arbeiten, die für Staatsbürger:innen immer unattraktiver werden: Gastronomie, Einzelhandel oder Bau.

Fazit: Es geht nicht nur darum, Arbeitsplätze für junge Menschen verlockender zu gestalten. Auch die steigende Erwerbsbeteiligung der älteren Jahrgänge kann helfen, dass der heimischen Wirtschaft nicht die Arbeitskräfte ausgehen. In Summe könnte das Drehen an derartigen Stellschrauben dazu führen, dass wir angstfrei alt werden können. Doch bis dahin ist noch in vielen Bereichen der Gesellschaft eines gefragt: ein Umdenken.

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