75 Jahre IV
Peter Mitterbauer

„Unsere Aufgabe wird es sein, in Österreich für Vernunft zu sorgen“

Mit über 60 „Dienstjahren“ in der Industriellenvereinigung ist Peter Mitterbauer der längst dienende Spitzenfunktionär der IV. Zum 75-Jahr-Jubiläum der Industriellenvereinigung geht der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Miba AG mit uns auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Und in die nahe Zukunft.

Die vielen unterschiedlichen Funktionen, die dieser Mann ausfüllt oder im Laufe seines bisherigen Lebens bekleidet hat aufzuführen – es wäre wohl eine schier endlos lange Liste. Tatsächlich gibt es wohl kaum einen österreichischen Unternehmer, der sich für so viele unterschiedliche Bereiche stark gemacht hat und gleichzeitig aus einem lokal operierenden Unternehmen ein international florierendes gemacht hat, wie Peter Mitterbauer.

Peter Mitterbauer: eine Rückschau mit Voraschau

Bis heute gilt der weltoffene Mann mit dem messerscharfen Verstand als einer der wichtigsten Impulsgeber der heimischen Industrie. Dieser fühlt er sich nicht nur als langjähriger Vorstandsvorsitzender der Miba AG eng verbunden, sondern vor allem auch dank seiner Rolle als Präsident der Industriellenvereinigung. Ein Amt, das er von 1996 bis 2004 bekleidete. Bis heute aber steht an einer Tür im Erdgeschoß des Haus der Industrie in Wien sein Name.

Nach wie vor ist der 79-Jährige als Funktionär innerhalb der IV hoch aktiv. Und das insgesamt nun schon seit 60 Jahren. So lange, wie sonst niemand. Und fast so lange, wie es die Industriellenvereinigung – die heuer ihr 75-jähriges Bestehen feiert – überhaupt gibt. Ein guter Grund, um gemeinsam mit Peter Mitterbauer ein bisschen in die Vergangenheit zu blicken. Und einen kleinen Ausblick auf das komplexe Heute und das unvorhersehbare Morgen zu Wagen.

Sie haben unglaublich viele Auszeichnungen und Titel, dass man sich gar nicht entscheiden kann. Wie also soll ich Sie anreden?

Peter Mitterbauer: Ich bin der Herr Mitterbauer (schmunzelt). So wurde ich geboren und so soll’s weiter gehen. Alles andere sind akademische Titel oder sonst irgendwas. Das tut doch nichts zur Sache.

Sie sind fast so lange mit der IV verbunden, wie es sie gibt. Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie in Gedanken an ihre Anfänge zurückspulen?

Nun, dann gehen wir 61 Jahre zurück. In die Zeit, als ich bei der Jungen Industrie war. Die hat es damals schon gegeben und sie war auch sehr aktiv. Da wurden Winterskiwochen veranstaltet und Sommercamps. Im Scherz hat man damals gesagt, sie sei ein wahrer Heiratsmarkt, weil sich hier sehr viele Ehepaare kennengelernt haben.  Aber ich muss sagen, meine Frau die hab ich anderswo getroffen (lacht). Aber mich hat dieses Umfeld von Anfang an interessiert, vom ersten Tag, als ich nach Wien gekommen bin, um hier zu studieren. Ich bin ja ein gebürtiger Oberösterreicher, habe zuerst in Graz studiert und dann eben in Wien. Aber die Industriellenvereinigung hatte für mich von Anfang an eine sehr positive, beeindruckende Bedeutung gehabt. Vor allem durch die beeindruckenden Persönlichkeiten, die es in ihren Reihen damals gegeben hatte. Das hat mich fasziniert.

Peter Mitterbauer
Peter Mitterbauer war acht Jahre lang Präsident der Industriellenvereinigung. Insgesamt ist er über 60 Jahre in der IV aktiv.Foto: IV

Die IV hat sich seit damals aber naturgemäß genau so sehr verändert, wie unsere Welt. Was waren in Ihrer Rückschau die großen Meilensteine?

Die Industriellenvereinigung war nach dem Krieg die Vereinigung großer Herren, die aus einzelnen teilweise prominenten Gruppierungen herauskamen und recht uneingeschränkt aktiv waren. Unter dem damals agierenden, beeindruckenden Präsidenten Franz Josef Mayer-Gunthof war dann eine Zeit des Wechsels angesagt. Dieser hat sich unter anderem dadurch ausgedrückt, dass es zu einer Statuten-Veränderung gekommen ist, die die Amtszeit des Präsidenten und des Präsidiums mit acht Jahren begrenzt hat. Also auf maximal zwei Funktionsperioden zu jeweils vier Jahren. Das war ein wichtiger Schritt. Und dann ist im Jahr 1972 mit Hans lgler ein neuer Präsident gekommen. Eine ganz große Persönlichkeit, besonders für uns Jüngere, wie ich, die wir frisch in die Industriellenvereinigung gekommen sind. Das war ein Aufbruch in eine neue Zeit.

Was hat Präsidenten Hans Igler aus Ihrer persönlichen Sicht so außergewöhnlich gemacht?

Er war ein Visionär, er war weltweit unterwegs. Gekommen ist Hans Igler aus dem Bankhaus Schoeller. Er hatte eine große politische Vergangenheit, war Sekretär des legendären Julius Raab, der ja nach dem  Krieg den Wirtschaftsbund gegründet hat. Und diese Tatkraft hat uns Junge sehr fasziniert. Ich war dann ab 1972 Mitglied des Bundesvorstandes und in verschiedenen Funktionen tätig. Besonders spannend empfand ich von Anfang an die Tatsache, dass die Industriellenvereinigung immer auf der einen Seite unabhängig war und ist. Dass sie sich durch ihr Mitglieder und deren Beiträge frei finanziert. Wem es also nicht gefällt, was wir hier in der IV tun, der kann und konnte jederzeit austreten. Daher haben wir uns diesbezüglich einem freien Markt und Wettbewerb zu stellen. Das unterscheidet die Industriellenvereinigung seit jeher stark von gesetzlichen Institutionen wie der Wirtschaftskammer.

Aber ist diese Unabhängigkeit von der Politik in Kombination mit einer notwendigen Zusammenarbeit mit der Politik nicht deshalb seit jeher auch eine durchaus komplizierte?

Das war immer schwierig. Besonders in Zeiten der großen Koalition. Und in Zeiten der Sozialpartnerschaft. Traditionell bestand die Sozialpartnerschaft immer aus vier Mitgliedern: Das war die Landwirtschaftskammer, die Bundeswirtschaftskammer, die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund. Und es gab immer Bestrebungen, dass ein fünftes Rad an den Wagen geschraubt wird – die Industriellenvereinigung. Das ist zwar nicht passiert, aber dennoch war immer klar, dass die Industriellenvereinigung als fachspezifische Gruppierung bei großen Verhandlungen ins Boot geholt wird. Aber wir waren nie offizielles Mitglied der Sozialpartnerschaft. Wir waren auch nie parteipolitisch konnotiert. Die Wirtschaftskammer und die Landwirtschaftskammer waren schwarz und die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund waren rot. Wir waren immer schon neutral, hatten keine Farbe. So mussten wir uns immer durch Fachexpertise unentbehrlich machen.

Franz Vranitzky
Franz Vranitzky hat laut Peter Mitterbauer die SPÖ in eine aus seiner Sicht sinnvolle Richtung gelenkt.Foto: Photo/Map: Arne Müseler / arne-mueseler.com / CC-BY-SA-3.0

Welche Phase haben Sie innerhalb der IV als besonders spannend in Erinnerung?

Ganz gewiss die Auseinandersetzung Österreichs mit seiner Rolle in Europa. Damals stellte sich etwa die Frage, ob den Österreich zur EFTA oder doch zur EWG gehen sollte. Das hat auch im Haus zu großen Spannungen geführt. Bei manchen war die Tatsache wichtig, sich aus der Erfahrung des Krieges zu Deutschland hin Abgrenzung zu Deutschland, daher nicht zur EWG sondern zur EFTA zu gehen. Dieser gehörte bekanntlich der Norden Europas an, also England, Schweden und so weiter. Diese Idee hat sich dann auch durchgesetzt, bis sich aus der EWG die Europäische Union entwickelt hat.  Ich war damals in Oberösterreich als IV-Vize-Präsident tätig und hier in Wien auf Bundesebene integriert. Da hat Österreichs Beitritt zur EU zu vielen großen Diskussionen geführt.  Der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky hat damals eine sehr positive Rolle gespielt. Ihm gelang es,  die eher EU-kritische Sozialdemokratie in Richtung europäische Union zu lenken. Besonders auch hinsichtlich der Arbeitnehmervertretungen, denen er die Angst nehmen konnte, was die Sorgen im Hinblick auf Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit betraf. Das war schon eine sehr spannende Zeit. Da hat die Industriellenvereinigung eine maßgebliche Rolle gespielt, um mit ihrer Initiative und Überzeugungsarbeit zu leisten.

Was hat sich seither besonders stark verändert?

Der größte Unterschied zur damaligen Zeit ist, dass Österreich eben Mitglied der europäischen Union geworden ist und die dort eingegangenen Verpflichtungen in seinen Gesetzen zu implementieren hat. Das ist natürlich ganz etwas anderes, als es seinerzeit war. Der zweite große Unterschied ist das große Erwachen des Fernen Ostens. Und der große, teilweise Shift der Amerikaner Richtung China. Das hat schon eine massive Veränderung, eine Öffnung und Chancenvermehrung für Österreich gebracht. Das steht außer Zweifel. Was sich auch verändert hat, ist das zu Ende gehen des ganz strikten Proporzes der Proporz-Regierung durch das Aufkommen der freiheitlichen Partei. Dadurch hat sich die proporzmäßige Aufteilung Österreichs abgeschwächt. Auch auch der Zusammenbruch der verstaatlichten Industrie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre hat eine starke Veränderung mit sich gebracht. Unter anderem deshalb haben wir in den 90er-Jahren schon mit einem Trainee-Programm angefangen. Wir haben Leute von außen Großteils nach dem Studium geholt und ihnen im Sozialbereich, im Wirtschaftsbereich oder im Finanzbereich Lehr-Möglichkeiten eröffnet. Diese Leute sind dann zum Teil in die Kabinette der Bundespolitik weitergezogen. So wurden Grundpfeiler für starke Netzwerke geschaffen, die heute noch funktionieren und Bestand haben. Aber die Grundideen der Industriellenvereinigung ist bis heute die gleiche geblieben.

Und welche meinen Sie da jetzt ganz konkret?

Es geht der IV vorrangig darum, die öffentliche Wahrnehmung, die Bedeutung der Industrie zu stärken! Lange war in Österreich die Landwirtschaft an erster Stelle, gefolgt vom Tourismus, dem Gewerbe und dem Handel. Erst dann ist irgendwo die Industrie gekommen. Der IV und mir persönlich auch war es immer besonders wichtig, die Bedeutung der Industrie für die Gesamtwirtschaft in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dieses Bewusstsein hat sich aber erst in den letzten Jahren spürbar verändert. An der Bewusstseinsbildung, dass die Industrie maßgeblich daran beteiligt ist, Forschung und Entwicklung voranzutreiben, neue Produkte ins Land zu holen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und bestehende zu sichern, daran hat die Industriellenvereinigung einen sehr großen Anteil!

Für die Fachkräfteausbildung ist nicht der öffentlich Sektor verantwortlich!

Peter Mitterbauer

Das Mantra dieses Hauses war immer: Der Fokus muss auf Forschung und Entwicklung sowie Aus- und Weiterbildung liegen. Das ist für die gesamte Industrie genau so entscheidend, wie für jedes Unternehmen. Unternehmen, so wie das unsere, hat immer Forschung und Entwicklung, Aus- und Weiterbildung an oberster Stelle seiner Prioritätenliste. Gefolgt von Globalisierung, der Eroberung neuer Märkte und der Entwicklung neuer Produkte, natürlich. Aber die Frage ist immer: Wie setze ich meine Prioritäten? Und diese Art der Priorisierung hat sich sehr aus diesem Hause heraus, aus der Industriellenvereinigung heraus, entwickelt.

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, wie wir es derzeit erleben, ein besonders relevanter Aspekt …

Die Industriellenvereinigung hat immer wieder Unternehmen eine Vorbildrolle zuteilwerden lassen. Dazu gehört vielleicht auch mein Unternehmen ein wenig. Diese Vorbildunternehmen sollten immer andere dazu ermutigen, für die Fachkräfteausbildung nicht den öffentlichen Sektor verantwortlich zu machen. „Dort werdet ihr nicht bekommen, was ihr braucht. Das müsst ihr selbst machen“, lautete immer schon das Credo. Das sind Zukunftsinvestitionen, Lehrlingsausbildung ganz massiv, Fachkräfte, Weiterentwicklung. Als Betrieb muss man ich doch die Frage stellen: Was kann ich am universitären oder am para-universitäten Terrain unternehmen, um am Ende selbst Leute zu haben, die das können, was ich brauche? Die Industriellenvereinigung war daher immer ein massiver Befürworter von Fachhochschulen. Die universitäre Ausbildung per se war immer eher traditionell geprägt. Es kann jeder studieren was er will und es kann jeder so lange studieren wie er will, die Welt ist jedem offen, das steht außer Zweifel und ist auch gut. Aber die Industrie braucht nicht Leute, die 20 Semester studieren. Die Industrie braucht Leute, die nach vier Jahren auf den Arbeitsmarkt wollen. In Amerika kostet Harvard jedes Jahr sehr viel Geld. Da muss einer rasch durchkommen, um sich das Geld, das das er aufgenommen hat, um das Studium zu finanzieren, zurückzuzahlen. Sofern er halt nicht reiche Eltern hat, natürlich …

Das heißt, es fehlt vielleicht ein wenig an Druck?

Es ist im amerikanischen System jedenfalls mehr Druck dahinter, der eine intrinsische Motivation auslöst.

Kommen wir zurück zur IV selbst. Was war aus Ihrer Sicht der größte Erfolg, den die Industriellenvereinigung in den vergangenen 75 Jahren für sich verbuchen konnte?

Ich bin nicht derjenige, der den Erfolg eines Hauses im Bauchladen vor sich hertragt und sagt: „Schaut’s, was wir alles erreicht haben“ Ich glaube jedoch, dass in der Öffentlichkeit die Bedeutung der Industrie richtig erkannt wurde, das war besonders wichtig. Und jetzt wird natürlich die ganz entscheidende Frage werden, wie wird das Spannungsfeld mit der Klimafrage, der CO2-Thematik weitergehen? Wie werden wir hier zu vernünftigen Vorgehensweisen kommen? Wobei ganz klar ist, dass die Industrie und die Industriellenvereinigung als maßgeblicher Vertreter der Industrie, ganz klar sagt: „Hier soll etwas geschehen. Hier gibt es Chancen in der Veränderung.“ Wir müssen die Chancen wahrnehmen und nicht sagen: „Die Welt bricht zusammen, das kann nicht gehen.“ Aber wir müssen zur Vernunft drängen und auch sagen: Gut, wir sind mit ganzem Herzen dabei. Aber das muss gleichzeitig auch alles faktenorientiert und faktenbasiert realisierbar sein!

Steht hier das Ideologische dem Machbarem im Weg?

Ja, genau die Ideologie hat sich maßgeblich geändert. Es geht nicht mehr um eine ideologische Frage wie zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Sondern zwischen Realität und verträumter,  realitätsfremder Ideen. Am Ende dreht sich alles um die Frage, wie wir Wohlstand halten und Wohlstand steigern und dennoch die Umwelt schützen können. Dafür ist Beschäftigung notwendig. Und wie schaffen wir Beschäftigung? Beschäftigung und Wohlstand sind eindeutig siamesische Zwillinge. Und das Bewusstsein, dass eine Gesellschaft leistungsorientiert sein muss, und zwar unter allen Bedingungen in der modernen Welt. Hier kommen wir dann zu einer korrekten Definition von „Leistung“. Da geht es ja nicht um Ausbeutung. Hier geht es eher um Lebenserfüllung. Also müssen sich Industriebetriebe fragen, wie sie Arbeitsrahmenbedingungen schaffen können, die dazu führen, dass die Leute gerne ins Unternehmen kommen. Dass sie gerne einen Beitrag leisten wollen, und so die Selbstzufriedenheit erlangen, etwas geschaffen zu haben. Das ist aus meiner Sicht etwas ganz Wichtiges. Ich glaube, wir leben in einer Zeit des größten Wandels innerhalb unserer Gesellschaft, den es je gegeben hat.

Stromnetz
Die Energiethematik wird laut Peter Mitterbauer an Dramatik nicht verlieren, sondern eher gewinnen.Foto: APG

Wenn dem so ist, heißt das dann auch, dass es somit sehr viele Chancen gibt, die Dinge intelligent voranzutreiben, um langfristig überhaupt besser leben zu können?

Das ist natürlich eine sehr entscheidende Frage. Wir leben heute alle in einer Instant-Gesellschaft. Jeder will, dass alles sofort erledigt ist. Das hängt auch mit der Digitalisierung, mit den sozialen Medien und dergleichen zusammen. Aus dieser dramatisch zugenommenen Geschwindigkeit kommt eine teilweise Unzufriedenheit oder und eine Erwartungshaltung, die kurzfristig nicht erfüllbar ist. Aber dieses „Immer-Sofort-Alles“ ist nicht möglich. Das wird in einem Thema offensichtlich, das wirklich auf die Industrie und Gesellschaft zukommt: die Energiethematik. Die hat eine Dramatik, die kann man sich gar nicht vorstellen. Ich meine, es sind die Erdgaspreise um das Achtfache gestiegen. Außerdem haben wir beschlossen, in Europa bis 2050 Energie nur noch CO2-freie zu produzieren. Das erfordert gigantische Investitionen. Diesen steht entgegen, dass jeder sagt: Ok, aber nicht bei mir. So zum Beispiel hat allein das Genehmigungsverfahren des 380-kV-Leitung von Kaprun nach Salzburg zehn Jahre gedauert. Und der Bau dann – nach allen Einsprüchen – mehr als 25 Jahre.

Der  Infrastruktur-Ausbau ist also das Nadelöhr?

Nehmen Sie Windkraftwerk. Unbeschreiblich. Mir sagen Experten, dass die durchschnittliche Zeit für die Genehmigung eines neuen Windkraftwerks weit über fünf Jahren liegt!

Also bei der Klimasituation haben wir das Energiethema, das Infrastruktur-Thema und das CO2-Thema. Wie macht sich Österreich beim Bewältigen dieser Aufgaben im internationalen Vergleich?

Im Endeffekt machen wir uns – mit dem was wir vorhaben – gut. Österreich hat den Vorteil einen relativ hohen Anteil an erneuerbarer Energie bereits zu haben. Österreich ist das Land, das nach Norwegen in Europa den größten Anteil an erneuerbaren Energien produziert. Ja, das geht halbwegs. Aber unser darüberhinausgehender Wunsch, wonach sich Welt danach richten soll, wie wir es in Österreich machen, im Sinne dieser großen Energieziele, das wird es nicht spielen. Da wird’s in den nächsten Jahren enorme Verwerfungen geben. Also nehmen Sie die aktuelle Situation her: Der Mangel an Mikrochips, der Mangel an Magnesium, ich rede jetzt über die Automobilindustrie. Wodurch ist der Mangel an Magnesium verursacht? Dass 80 % des Magnesiums weltweit aus China kommen. Warum liefern die Chinesen derzeit weniger oder gar nicht? Weil die Chinesen um einen ersten Ansatz am Weg zur Realisierung der Klimaziele und der CO2-Reduktion gesagt haben, wir schalten Kohlekraftwerke ab. Und auf einmal haben die Magnesium-Mienen keinen Strom mehr und können kein Magnesium produzieren. Also es werden viele dieser Wertschöpfungsketten unterbrochen werden. Und die Pandemie ist zeitgleich mit dieser ganzen Klimathematik und der Hysterie, die daraus entstanden ist, gekommen.

Ist vielleicht die Frage, ob die Pandemie ein Treiber für eine schnellere Entwicklung hinsichtlich dieser Energiewende wird?

Also die Pandemie war ein dramatische Gamechanger. Was bringt die Pandemie? Auf einmal ist der Verbrauch von gewissen Dingen stark zurückgegangen, weil die Leute keinen Bedarf gehabt haben oder gespart haben. Was ist jetzt? Die Leute sparen eineinhalb Jahre und haben das Geld zum Ausgeben. Die Nachfrage steigt somit wieder an. Die Lieferketten sind aber unterbrochen – befeuert von zusätzlichen Ereignissen wie die Verstopfung des Suez-Kanal etwa. Das Resultat: Innerhalb eines Jahres hat sich die Miete für einen Schiffs-Container verzehnfacht!

Letzte Frage. 75 Jahre Industriellenvereinigung liegen hinter uns. Kann man in Anbetracht dieser unruhigen Zeiten eine Art Ausblick auf die nächsten 75 Jahre geben?

Ich bewundere die Leute, die eine Prognose über 75 Jahre abgeben. Und das hängt nicht mit meinem Alter zusammen. Ich traue mich schon schwer eine Prognose auf zehn Jahre.

Gut. Dann: nahe Zukunft. Was ist das wichtigste für die IV in naher Zukunft? Was wird sein? Worauf muss sie sich konzentrieren ihrer Meinung nach.

Gute Frage. Österreich ist in einem extrem nervösen Zustand. Die Leute wissen nicht, wie sie mit der ganzen Medienlandschaft zurechtkommen sollen. Sei es mit den Printmedien, mit den elektronischen Medien, seien es die sozialen Medien. Also wird unsere Aufgabe mit Sicherheit sein, in Österreich für Vernunft zu sorgen. Das wird ganz wichtig. Wie bringen wir in dieses große Ganze wieder faktenbasierte Informationen in den Vordergrund? Dafür hat die Industriellenvereinigung zu sorgen. Wir müssen Faktenorientiertheit und Expertise auf unpolitischer Ebene und auf fachlicher Ebene in jede Regierung einbringen. Und dabei muss es uns gelingen darzustellen, was die jeweiligen Schritte für die weitere Entwicklung dieses Landes bedeuten. Für Arbeitskräfte. Für Wohlstand. Für Beschäftigung, und und und.

Ist in Ihrer Wahrnehmung die der Fiktion gerade die Realität zu überfliegen?

Wissen Sie, das A und O für mich ist. Wir können Fakten nicht leugnen. Und es lassen sich Fakten nicht unterschiedlich interpretieren. Zehn Grad Temperatur sind Zehn Grad Temperatur. Und ein Kilo Gewicht sind ein Kilo Gewicht. Das sind keine relativen Dinge. Für wirtschaftliche Weiterentwicklung müssen auch in Zukunft schlichtweg Fakten zählen.

Credits Artikelbild: Industriellenvereinigung

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