Quantencomputer

Tirol ist einen Quantensprung voraus

Mit Quantencomputern ist die Zukunft der Datenverarbeitung bereits greifbar. Ein international bedeutsamer Beitrag dazu kommt aus Österreich. Genauer gesagt aus Tirol.

Erinnern Sie sich noch an früher? Als Mobiltelefone fast so groß waren wie ein Toaster und Fernseher noch Apparate von monströsem Umfang? Auch wenn uns das so weit weg vorkommt wie die Steinzeit, ist es noch gar nicht so lange her. Erst 1996 beispielsweise brachte der finnische Hersteller Nokia als Erster etwas heraus, das man „Smartphone“ hätte nennen können. Der „Nokia 9000 Communicator“ hätte ein „Büro im Westentaschenformat“ sein sollen, wog dabei aber fast ein halbes Kilogramm. Das wäre heute ungefähr viermal so viel wie ein iPhone. Er konnte bereits E-Mails und Faxe senden sowie empfangen und kostete umgerechnet knapp 1.400 Euro. Geduldige konnten sogar schon via HTML-Browser auf Websites zugreifen – im Schneckentempo, wohlgemerkt. 

So wie das sperrige Nokia von damals im Vergleich zu einem heutigen Smartphone aussieht, wird es laut Wissenschaft bald auch unseren Computern ergehen. Der Grund ist der Quantencomputer.

Was eine Katze mit dem Quantencomputer zu tun hat

So viel sei schon einmal verraten: Will man verstehen, wie ein Quantencomputer funktioniert, ist ein Doktortitel von Vorteil. Viele der Vorgänge wirken für Nicht-PhysikerInnen nämlich sehr abstrakt. Beginnen wir also klein und gehen zuerst dem nach, was Quantencomputer so besonders macht. 

Im Gegensatz zu uns bekannten Rechenmaschinen auf Basis der Mikroelektronik folgen Quantencomputer dem Prinzip der Quantenmechanik. Dadurch unterscheidet sich schon einmal die Speichereinheit, mit der sie rechnen. Ein klassischer Computer nutzt dafür sogenannte Bits, die entweder im Zustand 0 oder 1 sind; ein Quantencomputer rechnet mit Qubits. Diese Qubits können aber nicht nur 0 oder 1 erfassen, sondern auch 0 und 1 gleichzeitig. Ein solches Quantenbit kann somit Informationen sehr viel umfangreicher darstellen. 

Vielleicht kommt das dem einen oder der anderen ja bekannt vor. Dieses Phänomen hat einer der Väter der Quantentheorie, Erwin Schrödinger, im Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ verewigt. Dieses besagt, dass eine Katze in einer verschlossenen Kiste zugleich tot oder lebendig sein könnte. Erst wenn man den Deckel öffnet und nachsieht, löst das diese Gleichzeitigkeit auf. Dank dem Phänomen der Überlagerung kann ein Quantencomputer viele Zahlen parallel verarbeiten, während sein Vorgänger nach den Regeln der klassischen Physik alle Rechenschritte nacheinander ausführen muss. Ein Unterschied, als würde man einem Quantencomputer einen alten Rechenschieber aus Holz gegenüberstellen. 

Medizinischer Fortschritt und andere Meilensteine

Vielleicht fragt man sich jetzt, wozu wir solche Supercomputer in Zukunft brauchen. Nein, nicht um noch mehr Urlaubsfotos speichern zu können oder die Auflösung von Videospielen zu erhöhen. Die Dinge, die Quantencomputer bewerkstelligen könnten, sind viel essenzieller: von dem optimalen Portfolio in der Finanzwirtschaft, dem besten Weg von A nach B in der Logistik oder dem Medikament mit der besten Wirkung bei minimalen Nebenwirkungen. Die vielversprechendsten Forschungen finden momentan im Bereich der Chemie statt. Es geht etwa um die Simulation neuer Materialien für leistungsfähigere Batterien. Konzerne wie Volkswagen forschen dahingehend, Verkehrsströme und Staus in Megastädten wie Peking vorherzusagen. Logistikrouten und Produktionsplanungen können optimiert werden. Und nicht zu vergessen, was dies für den medizinischen Fortschritt bedeutet, wenn man völlig neue Medikamente oder Operationsverfahren erschaffen kann.

Längst ist ein globaler Wettlauf um die Vorherrschaft im Bereich des Quantencomputing entbrannt. Neben den Big Playern wie China und den USA mischt nun auch der japanische Technologiekonzern NEC mit. Und das gemeinsam mit dem Tiroler Start-up ParityQC, einem Spin-off der Universität Innsbruck. Überhaupt ist man in der Tiroler Hauptstadt bereits einige (Quanten)Sprünge weiter vorne.

Innsbrucker ForscherInnen entwickeln bisher kompaktesten Quantencomputer

Hier in Österreich wurde nämlich auch eines der größten Probleme so eines Quantencomputers gelöst. Die waren bislang Einzelanfertigungen, sehr komplex und so groß, dass sie ganze Forschungslabore füllten. Nun haben ExperimentalphysikerInnen und TheoretikerInnen aber dafür eine Lösung gefunden. Wo? In Innsbruck! Genauer gesagt in der Universität Innsbruck sowie der Akademie der Wissenschaft. Denn hier sitzt die österreichische Expertise im Quantenbereich. 

Quantencomputer
Weltneuheit aus Tirol: Der kompakte Quantencomputer findet in zwei 19-Zoll-Server-Racks Platz.Foto: Uni Innsbruck

Das Spin-off-Unternehmen Alpine Quantum Technologies GmbH (AQT) arbeitete mit der Universität Innsbruck zusammen, um eine Art Kompaktversion zu entwickeln. Ganze drei Jahrzehnte forschte man hier an wesentlichen Grundlagen für den Bau von Quantencomputern. „Unsere Quantencomputer-Experimente füllen üblicherweise ein 30 bis 50 Quadratmeter großes Labor“, erzählt Thomas Monz vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und Geschäftsführer der AQT. „Uns ging es nun darum, die hier entwickelten Technologien auf kleinstmöglichem Raum unterzubringen und gleichzeitig die in der Industrie üblichen Normen und Standards zu erfüllen.“ 

Der Prototyp eines industriellen Ionenfallen-Quantencomputers findet nun in zwei 19 Zoll-Serverracks Platz, wie sie in Rechenzentren auf der ganzen Welt verwendet werden. Das neue Gerät soll zeigen, dass Quantencomputer schon bald für den Einsatz in Rechenzentren bereit sind. Um das zu bewerkstelligen, musste jeder einzelne Baustein des weltweit ersten Quantencomputers in diesem Format erheblich verkleinert werden. Allein das Herzstück des Quantencomputers, die in einer Vakuumkammer eingebaute „Ionenfalle“, nimmt nun nur einen Bruchteil des bisher nötigen Platzes ein. 

Technologie aus Tirol findet bereits weltweit Anwendung

ParityQC, das mittlerweile mit großen Konzernen in Japan und den USA kooperiert, ist ebenfalls ein Spin-Off der Uni. Basierend auf der patentierten ParityQC Architektur – ein Bauplan für Quantencomputer –, hat das Start-up im letzten Jahr ein Betriebssystem, ParityOS, zur Lösung von Optimierungsproblemen am Quantencomputer entwickelt. Obwohl: Das, was man im klassischen Computerbereich als Betriebssystem bezeichnet, kann man nicht eins zu eins auf den Quantum Computing-Bereich übertragen.

Klassische Computer und Quantencomputer werden in Zukunft zusammenarbeiten, daher kann sich ein Quantencomputer-Betriebssystem auf spezielle Aufgaben konzentrieren. „Bei ParityOS geht es konkret darum, Optimierungsprobleme effizient und optimal auf die jeweilige Hardware abgestimmt zu übersetzen. Man kann sich das wie das erste MS-DOS vorstellen“, sagen Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser, beide Co-Founder und Co-CEO von ParityQC.

Mit dem Auto fährt man nicht in die Radwerkstatt und mit dem Fahrrad wahrscheinlich nicht in die Autowerkstatt – Problem und Lösungsmethode sollten abgestimmt sein.

Thomas Monz vom Institut für Experimentalphysik an der Uni Innsbruck

So einen Quantencomputer stellt man sich viel abstrakter vor, als er ist. Denn die Elektronik wird ganz einfach über einen klassischen Computer mit einem Betriebssystem wie beispielsweise Linux angesteuert. Erst ein Unterprogramm steuert den Teil der Hardware an, die quantenspezifisch ist. Und da gibt es eben nicht nur „die eine“ Lösung. Man arbeitet in Tirol also auf vielen verschiedenen Ebenen an verschiedenen Lösungen. „Die Hardware für einen Quantencomputer muss sich mit der Software abstimmen, um die maximale Leistung zu erzielen. Und die ist bei jeder Anwendung und jedem Projekt anders. Man muss sich das so vorstellen: Mit dem Auto fährt man nicht in die Radwerkstatt und mit dem Fahrrad wahrscheinlich nicht in die Autowerkstatt – Problem und Lösungsmethode sollten abgestimmt sein“, erklärt Monz lächelnd.

Visionen für die Zukunft

Eine der größten Herausforderung für die WissenschaftlerInnen war es, den Quantencomputer stabil zu halten. Denn Quantenexperimente sind empfindlich und werden im Labor mit Hilfe aufwendiger Maßnahmen vor allen äußeren Störungen geschützt. Klingt gefährlich, oder? Ist es aber laut Thomas Monz nicht.

„In einem Labor will man, dass nichts vibriert oder wackelt. Damit die Apparaturen stabil sind, stehen sie daher auf einem tonnenschweren Tisch. Weiters will man keine störenden elektrischen Felder haben, deshalb braucht es eine abschirmende Box drum herum. Doch wir wollten unseren Quantencomputer ja fast so kompakt wie einen handelsüblichen PC haben, also mussten wir Isolierungssysteme für elektrische Felder, magnetische Felder, Vibrationen usw. auf die Größe eines Reisekoffers komprimieren. Es darf von außen nichts den Quantencomputer stören.“

Quantencomputer könnten Verschlüsselungen knacken

Gerade die Architektur des kompakten Quantencomputers könnte Österreich im Bereich der Digitalisierung endlich einen internationalen Stellenwert einräumen. Bei anderen Technologien, wie beispielsweise der künstlichen Intelligenz, war Österreich zwar in der Grundlagenforschung ganz weit vorne, die Kommerzialisierung der Forschungsergebnisse fand aber in anderen Ländern wie den USA statt. Wir könnten also bald einen wichtigen Beitrag zu globalen Problemen leisten.

Quantencomputer
Das Herzstück des Quantencomputers: Die Ionenfalle in der Vakuumkammer.Foto: Uni Innsbruck

Da wäre zum Beispiel das Thema Sicherheit. Es wird angenommen, dass Quantencomputer alle gegenwärtigen Formen der Verschlüsselung knacken können – ein Meilenstein in der Verbrechensbekämpfung. Derzeitige Rechner würden Jahre benötigen, um eine Verschlüsselung zu knacken. Quantencomputer schaffen das in Höchstgeschwindigkeit. Gleichzeitig könnten sie aber selbst unlösbare Verschlüsselungen erstellen. Das ist genauso wichtig, da damit weiterhin gewährleistet werden kann, dass unsere Daten im Internet sicher verwahrt werden – beispielsweise bei Online-Einkäufen oder der vertraulichen Kommunikation mit FreundInnen.

Kooperationen in aller Welt

Kein Wunder also, dass in diesem Bereich gerade so viel Arbeit reingesteckt wird. Dank ihren vielversprechenden Forschungen kooperieren die Tiroler Experten und Expertinnen bereits mit unzähligen Unternehmen weltweit. An der Uni Innsbruck beispielsweise mit Atos, dem größten Computerdienstleister in Europa, mit Infineon bei der Chipherstellung für neue Quantencomputer sowie mit Forschungseinrichtungen von Australien bis Kanada

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