Von wegen Abfall: Richtig wiederverwertet, bekommt unser Müll ein zweites Leben in völlig neuer Form. Sechs innovative Praxisbeispiele aus der heimischen Recycling-Industrie, die überraschen.
Ob Papierzettel, Plastikbecher oder Verpackungsfolie – einmal weggeworfen, machen wir uns keine Gedanken mehr, was mit ihnen passiert. Aber die Dinge, die oft achtlos im Mistkübel landen, sind nicht einfach „weg“. Die Chance ist sogar groß, dass wir unseren Abfall irgendwann wiedersehen – manchmal sogar in überraschender Form. Dafür sorgen die über 3.000 Anlagen zur Verwertung und Beseitigung, die in Österreich täglich auf Höchsttouren laufen. Sie verwandeln Müll in neuen Rohstoff.
Durchschnittlich werden hierzulande beispielsweise fast 2,6 Millionen Tonnen Papierabfälle pro Jahr recycelt. Anlagen zur Herstellung von Kunststoffrezyklat verwerten ebenfalls eine beachtliche Menge von 200.000 Tonnen Kunststoffabfällen. Aus dem Joghurtbecher wird also wieder ein Joghurtbecher und aus Karton neuer Karton? Stimmt nur bedingt, denn viele Rohstoffe bekommen durch Wiederverwertung ein völlig neues zweites Leben. Hier sechs Beispiele.
Vom Altreifen zum Sportplatzbelag
Die Menge alter Reifen, die in Österreich pro Jahr entsorgt wird, ist beachtlich: 56.000 Tonnen – das entspricht dem Gewicht von rund 46.000 VW Golf. Die gute Nachricht ist, dass Altreifen vollständig stofflich wiederverwertbar sind.
Im Entsorgungsbetrieb angekommen, geht es beinahe zu wie in der Großküche: Aus den sortierten Altreifen werden zuerst handtellergroße „Reifenschnitzel“ gemacht, die anschließend zu feinem Gummimehl zermahlen werden. Im Zuge dessen werden auch Textil- und Stahlteile vom Gummi getrennt. Ungefähr 60 Prozent des so gewonnenen Rohstoffs sind am Ende Gummigranulat, der restliche Anteil sind Flusen und Draht. Damit können aus alten Reifen beispielsweise Gummimatten oder Beläge für Sportplätze hergestellt werden. Der Draht findet in der Stahlindustrie oder in Gießereien neue Verwendung, und die Flusen werden zum Brennstoff in der Zementindustrie.
Vom Notizblock zum Ziegel
Mit den Zetteln, auf die gerade noch eine Einkaufsliste oder Besprechungsnotizen geschrieben werden, könnte kurze Zeit später schon ein Haus gebaut werden.
Denn bei der Herstellung von Ziegeln wurden in Österreich allein im Jahr 2019 etwa 180.000 Tonnen Papierabfälle eingesetzt. Der größte Teil entfällt dabei auf Rückstände aus der Papier- und Zellstoffindustrie beziehungsweise aus der Altpapieraufbereitung. In einem Ziegel stecken außerdem noch Sägemehl und -späne sowie Ölsaatenrückstände.
Vom Elektroaltgerät zum Schmuckstück
Schmuck aus Elektroschrott klingt erst einmal nicht sonderlich attraktiv. Gemeint sind aber die wertvollen Metalle, die in vielen Elektrogeräten, wie z. B. Smartphones, stecken. Jährlich kommen österreichweit 82.400 Tonnen Elektroaltgeräte in kommunalen oder gewerblichen Sammelstellen zusammen.
Von dort geht die Reise zu Verwertungsanlagen und in den Schredder. Die brauchbaren Eisenmetalle fischt man mittels Magneten heraus. Das Schüttelsieb siebt die wertvollen Nichteisenmetalle wie Kupfer, Silber und Gold heraus. Diese werden dann erneut eingeschmolzen und als Rohstoff angeboten. Verarbeitet werden sie in weiterer Folge zum Beispiel zu Schmuckstücken.
Von der Kreditkarte zur Bremsbacke
Bargeldlos mit Karte zu zahlen, liegt im Trend. Wohin aber mit ausrangierten Kreditkarten? Jedenfalls nicht in den Hausmüll. Denn seit 2018 gelten Chipkarten als Elektrogeräte und müssen entsprechend entsorgt werden. Es reicht also nicht mehr, die Karte zu zerschneiden oder den Chip zu zerstören und dann alles in den Müll zu werfen. Denn der Chip auf der Karte enthält nicht nur persönliche Daten, sondern auch wertvolle Edelmetalle, die wiederverwertet werden können: Kupfer beispielsweise – ein weitverbreiteter Alltagsbegleiter. Das Metall ist unter anderem in Klimaanlagen, Wasserleitungsrohren, Elektrokabeln und Essbesteck, in Bremsbacken, Nockenwellen und Pedallagern sowie Smartphones verbaut. In alle diesen Teilen können die winzigen Komponenten aus der alten Kreditkarte ein Comeback feiern.
Vom Plastikbecher zum Gartenstuhl
Vor allem im Sommer häufen sich im Plastikmüll nicht nur Joghurtbecher, sondern auch Pflanztöpfe mit Setzlingen für Hochbeet, Gemüsegarten oder Blumenkiste.
Korrekt entsorgt, landen sie in speziellen Aufbereitungsanlagen, wo man sie reinigt und sortenrein trennt. Zerkleinert und eingeschmolzen entstehen aus dem Plastikmüll Kunststoffgranulate, die wieder aufgeschmolzen und in neue Formen gepresst werden. Aus dem Pflanztopf aus der Gärtnerei wird so beispielsweise ein neues Gartenmöbelstück.
Vom Restmüll zum Fahrrad
Sogar aus den unzähligen Bestandteilen des Restmülls kann noch Nützliches rausgeholt werden. Besonders wertvoll sind dabei die winzig kleinen Metallstückchen, die sich in vielen Produkten und Verpackungen verstecken. Diese sogenannten Metallverbundstoffe sind noch mit anderen Materialien verbunden, müssen also zuerst von ihnen in einer modernen Filteranlage getrennt werden. Was dabei rauskommt: Eisen, Aluminium, Zink und Messing. Aus dem recycelten Aluminium können dann beispielsweise Rohre für Wasserleitungen produziert werden – oder der Rahmen eines neuen Fahrrads.