Lenzing Gletscher

Rettungsdecke gegen den Gletscherschwund

Die Meldungen über den Zustand der Gletscher sind dramatisch, ihr Verschwinden aufgrund der Klimaerwärmung wohl nicht mehr aufzuhalten. Aber verzögern lässt es sich – dank einer Innovation aus Oberösterreich.

Die Ewigkeit ist endlich. Zumindest wenn sie das „ewige Eis“ betrifft. Denn egal, ob in Österreich, Italien, der Schweiz, Indonesien oder in der Antarktis: Die globale Klimaerwärmung lässt überall auf der Welt Gletscher in rasantem Tempo schrumpfen.

Mit diesem Schwund wachsen Gefahrenquellen. Denn abschmelzendes Eis und auftauende Permafrostböden führen zu Steinschlägen, Felsstürzen und Murenabgängen und gefährden dadurch Wohnraum, Tourismus, Infrastruktur sowie die allgemeine Sicherheit im alpinen Raum. Von den Folgen des Gletschersterbens sind demnach nicht nur hochalpine Zonen, sondern auch die Flüsse im Tal, der Wasserkreislauf insgesamt, Biodiversität und Schifffahrt und die Energiewirtschaft betroffen.

Gletscher: Schutz durch Geotextilien

Verhindern lässt sich das Abschmelzen angesichts der Rekordtemperaturen nicht mehr, verzögern und verlangsamen aber schon. Dafür werden Gletscherfelder in touristisch genutzten Gebieten zum einen beschneit – der Kunstschnee wirkt wie eine Isolierung. Zum anderen setzt man auf ein Abdecken der Eismassen mit sogenannten Geotextilien. 

Die verwendeten Vliese, die Eis und Schnee schützen sollen, wurden bisher allerdings aus erdölbasierten Fasern hergestellt. Die Problematik dabei: Mikroplastik, das nach dem Sommer zurückbleibt, fließt über die Bäche ins Tal und kann durch kleine Organismen und Tierchen in die Nahrungskette gelangen.

Tests mit biobasierten Planen

Eine Lösung dieses Problems kommt aus Oberösterreich. Der Faserspezialist Lenzing hat jetzt ein Vlies entwickelt, das aus cellulosischen Fasern, also Holz, besteht. Die Fasern werden in einem umweltfreundlichen Verfahren hergestellt und sind dank ihres botanischen Ursprungs in der Lage, sich abzubauen.

Lenzing Gletscher Bernd Köll
Die aus Zellulosefasern gefertigten Vliese bieten die nachhaltige Lösung für Gletscherschutz, erklärt Berndt Köll, Innovationsmanager bei Lenzing.Foto: Lenzing

Am Stubaier Gletscher wurde die Abdeckung mit dem neuen Material erstmals im Kleinen getestet. Das Ergebnis überzeugte: Vier Meter Eismasse konnten vor der Schmelze bewahrt werden. Aufgrund des Erfolgs wird das Projekt nun auf Feldversuche auf allen touristisch genutzten österreichischen Gletschern ausgeweitet. „Wir sehen das Projekt als zukunftsfähige Lösung für den Gletscherschutz – und das nicht nur in Österreich, sondern über die Landesgrenzen hinaus“, sagt Berndt Köll, Innovationsmanager bei Lenzing.

Vom Gletscher zum Garn

Der nachhaltige Gedanke soll sich auch nach dem Einsatz der Vliese im Hochgebirge fortsetzen. So könnten die Geotextilien nach dem Gebrauch wieder recycelt und zur Herstellung von Garn für Textilprodukte verwendet werden.

Aber nicht nur im Nährgebiet der Gletscher, sondern auch an den Gletscherzungen am unteren Ende kommen neue Technologien zum Einsatz, um die Gefahrenquellen, die durch das rasche Abschmelzen entstehen, zu minimieren. So vermessen und analysieren Forscher:innen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Innsbruck mithilfe von Drohnen die Gletschervorfelder.

Drohnen liefern Daten

Ziel ist es, den Transport von Sedimenten aus diesem Bereich Richtung Tal zu untersuchen. So lassen sich aus den bis zu eintausend Fotos, die beispielsweise am Jamtalferner in Tirol von den Drohnen gemacht werden, präzise 3D-Modelle ableiten, die Aufschluss über die Lage von einzelnen schmelzwassergespeisten Gebirgsbächen oder Schotterbänken geben.

Wichtig für die Forscher:innen ist dabei vor allem die Zusammensetzung, Größe und Lage der Sedimente an der Oberfläche. Dieser Mix ist entscheidend für den Geschiebetransport durch Niederschlag und Schmelzwasser: Ein grober Block bewegt sich nur in den seltensten Fällen, während feineres Material leichter ausgeschwemmt werden kann. Diese Analysemethode von Geröllablagerungen soll künftig die Einschätzung erleichtern, ob talauswärts eine Gefährdung durch den Gletscherschwund in den Gipfelregionen entsteht.

GLETSCHER VERSCHWINDEN

  • Einen größeren Gletscherschwund als im vergangenen Jahr hat es laut Alpenverein noch nie in der bis 1891 zurückreichenden Geschichte seines Gletschermessdienstes gegeben.
  • Beispielsweise habe die Pasterze am Fuß des Großglockners im Vorjahr allein im Bereich der Gletscherzunge ein Volumen von 14,7 Mio. Kubikmeter Eis verloren. Die Menge entspricht einem Eiswürfel mit einer Kantenlänge von 245 Metern.
  • Insgesamt verloren die österreichischen Gletscher laut Klimastatusbericht des Klimafonds im Jahr 2022 im Mittel drei Meter Eisschicht. Das war in etwa doppelt so viel Masse wie im Schnitt der vergangenen 30 Jahre.
  • Ähnlich die Dimension in der Schweiz, wo ein Volumenverlust von zehn Prozent seit 2022 gemeldet wird – so viel wie insgesamt in den Jahren 1960 bis 1990. Der Adamello-Gletscher, Italiens größter Gletscher im Trentino, hat seit 2015 einen Flächenverlust von 50 Hektar verzeichnet, was der Größe von 70 Fußballfeldern entspricht. Auch die Fläche des Marmolada-Gletschers ist seit dem Jahr 2000 um die Hälfte geschrumpft. Bis 2060 sollen laut Expert:innen bis zu 80 Prozent der Fläche der italienischen Alpengletscher verschwunden sein.
  • Und auch einer der wenigen tropischen Gletscher der Welt in der indonesischen Provinz Papua ist wegen der zunehmenden Erderwärmung in Gefahr. Expert:innen warnen, dass die Jahrtausende alte Eismasse am 4.800 Meter hohen Puncak Jaya schon 2025 vollständig geschmolzen sein könnte.
Credits Artikelbild: Lenzing
Lichtblick

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