Margarete Schramböck

Schramböck: „Warum sollen wir unsere Unternehmen sterben lassen?“

Im Fakt & Faktor-Interview blickt Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck auf die Krisenmonate zurück, erklärt, warum Förderungen weiterhin notwendig sind, und welche Entlastung für Unternehmen bei Meldepflichten kommen wird.

Die Wolken am Konjunkturhimmel verziehen sich – und das schneller als gedacht. Nach schweren Eintrübungen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie revidieren die WirtschaftsforscherInnen ihre Prognosen jetzt kräftig nach oben. Die OECD geht für das heurige Jahr in Österreich mittlerweile von einem Wachstum von 3,4 Prozent aus. Noch vor sechs Monaten lag dieser Wert bei nur 1,4 Prozent. Für Ende 2022 sagt man ein Plus von 4,2 Prozent und bereits das Erreichen des Vorkrisenniveaus voraus.

Ähnlich optimistisch fallen andere Vorschauen aus:  Die Österreichische Nationalbank erwartet heuer 3,9 Prozent Wachstum und kommendes Jahr 4,2 Prozent. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert 4,0 für dieses Jahr beziehungsweise 5,0 Prozent für 2020; das Institut für Höhere Studien (IHS) 3,4 beziehungsweise 4,5 Prozent. War es das also mit der Krise?

Schramböck im Fakt & Faktor-Interview

Andererseits liegt Österreich beim Wirtschaftswachstum aber unter dem Durchschnitt der 38 OECD-Staaten. Ist das nicht enttäuschend? Unternehmen fordern trotz milliardenschwerer Förderprogramme weitere Unterstützungen. Ist das nicht vermessen? Und wie geht es jetzt mit der Digitalisierung weiter? Diese und andere Fragen haben wir Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, im Fakt & Faktor-Interview gestellt.

Wien, Wirtschaftsministerium, Stubenring 1, Marmorsaal. Der Name täuscht. Die opulente, deckenhohe Wandvertäfelung ist gar nicht aus Marmor, sondern aus eingefärbtem Gips. Schramböcks Optimismus aber ist echt. „Ich freue mich, dass jetzt wieder alles aufgeht“, sagt die Ministerin. „Es wird eingekauft, es wird Urlaub gebucht in Österreich, es wird geschaut, dass man wieder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellt. Das zeigt auch, wie stark diese Wirtschaft war, bevor die Covid-Krise begonnen hat.“ Dieser Beginn liegt knapp eineinhalb Jahre zurück. Parallel zum ersten Lockdown setzten damals auch erste Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft ein.

Die Covid-Krise scheint überwunden. Wie fällt Ihre Bilanz der getroffenen Maßnahmen aus?

Wenn man rückblickend schaut, ist es anfangs ein bisserl holprig gewesen. Wir alle haben gelernt. Die Instrumente haben wir viel schneller als zum Beispiel Deutschland aufgestellt. Dort ist ja teilweise bis heute kein Geld geflossen. Und jetzt geht es wieder ins Wachstum zurück. Die Unternehmen haben mehr Aufträge als vor der Krise.

Das Wachstum kommt also schneller zurück als erwartet. Hättet Sie sich das gedacht?

Für mich war immer klar, dass nicht eintreten wird, was jene vorhergesagt haben, die von Insolvenztsunamis und so weiter gesprochen haben. Wir haben mit Garantien geholfen. Dass die Unternehmen jetzt so schnell wachsen, ist auch den großen Investitionsprogrammen geschuldet. Da sind wir ganz weit vorne mit dabei. Eine Investitionsprämie gibt es nur in Österreich – nicht in Deutschland und auch nicht in Italien. Sie wird für Ökologisierung und Digitalisierung genutzt, also für Zukunftsthemen. Und das Comeback ist nicht nur ein Comeback auf dem ursprünglichen Status, sondern auch eine Transformation. 

Schramböck
Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck: „Für mich war immer klar, dass nicht eintreten wird, was jene vorhergesagt haben, die von Insolvenztsunamis und so weiter gesprochen haben.“Foto: BMDW

Österreich liegt beim Wirtschaftswachstum aber deutlich unter dem OECD-Schnitt von 5,6 Prozent. Ist das nicht enttäuschend?

Wenn wir das österreichische Wachstum anschauen, dann haben wir im ersten Quartal natürlich noch stark darunter gelitten, dass wir einen sehr hohen Anteil an Events haben. Denken Sie an die ganze Ballsaison in Wien und anderen Städten – die ist einfach weggefallen. Das sind Spezifika, die hat man in Österreich, aber in Deutschland nicht. Jetzt ist die Wachstumsrate in Österreich aber schon höher ist als jene in Deutschland und Italien. Und ich sage immer: Die Rechnung beim Wirt macht man erst am Schluss. Wir werden sehen, wie es am Ende des Jahres aussieht. Im Moment bin ich sehr zufrieden und stolz auf die österreichischen Unternehmen, dass sie sich so gut schlagen.

Trotz dieser milliardenschweren Förder- und Hilfsprogramme fordern die Unternehmen weiterhin Unterstützung vom Staat, beispielsweise Steuererleichterungen. Verstehen Sie das?

Ich verstehe das absolut, weil sie immer besser und stärker werden wollen. Und im Prinzip geht es darum, Arbeitsplätze in Österreich abzusichern und zu schaffen. Das haben die UnternehmerInnen genauso zum Ziel wie ich als Wirtschaftsministerin. Und darum verstehe ich das absolut.

Einige Instrumente wie der Härtefallfonds werden ausgeweitet, die Überbrückungsgarantien und auch die Kurzarbeit verlängert. Braucht es das noch?

Ja, das braucht’s noch für gewisse Branchen. Es wird jetzt aber notwendig sein, genau zu schauen und zu dosieren. Und das haben wir mit den Neuauflagen der Maßnahmen auch so gemacht. Wir wollen diese Instrumente nur noch gezielt jenen zu Verfügung stellen, die immer noch betroffen sind – der Städtetourismus beispielsweise oder die genannte Veranstaltungsbranche. Für die anderen hat es andere Instrumente gebraucht, wie eben die Investitionsprämie, damit sie ihre eigene Kraft nutzen können, um stärker aus der Krise hervorzugehen. 

Der Staatsschuldenstand lag vor Corona bei 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist durch die genannten großzügigen Fördermaßnahmen zur Krisenbewältigung auf 88 Prozent angestiegen. Ist das nicht besorgniserregend?

Ja, natürlich wäre das etwas gewesen, was wir im Regierungsprogramm anders vorgesehen hatten. Und wir sind ja in diese Krise auch stark, wirklich sehr, sehr stark hineingekommen, weil wir vorher gespart und an den richtigen Stellschrauben gedreht hatten. Was jetzt in der Krise notwendig war, war schnell zu reagieren und nicht irgendwelche Doktrinen zu haben und dabei zu bleiben. Es ging nicht, zu sagen, wir haben das immer so gemacht. Vielmehr mussten wir flexibel sein und uns darauf einstellen. Warum sollen wir unsere Unternehmen sterben lassen, wenn wir sie retten können? Das war das Allerwichtigste in dieser Phase.

Bürokratie
Teure Bürokratie: 4,3 Milliarden Euro geben österreichische Unternehmen für Meldeverpflichtungen aus. Künftig soll ein „Once only“-Prinzip gelten.Foto: adobe stock | Elnur

In der Krise wurde die Bedeutung der Digitalisierung für den Wirtschaftsstandort deutlich. Wie wollen Sie ausschließen, dass aus einem Mehr an Digitalisierung ein Mehr an Bürokratie wird?

Im Moment geben die österreichischen Unternehmen 4,3 Milliarden Euro pro Jahr für Informationsverpflichtungen aus. 4,3 Milliarden Euro für all die 230 Millionen Meldungen, die sie an verschiedene Behörden machen müssen! An Bund, Land, Gemeinde – immer wieder dasselbe in unterschiedlicher Form. Wenn Sie einen Betrieb übersiedeln, dann müssen Sie wissen, dass Sie sieben Behörden informieren müssen. Sie müssen wissen, was Sie den Behörden an Informationen geben müssen und müssen sie immer und immer wieder abgeben. Jetzt ist es uns gelungen, die rechtliche Grundlage zu schaffen und das „Once only“-Prinzip rechtlich zu verankern. 

Was bedeutet das?

Dass die Daten nur noch einmal abgegeben werden müssen – am Unternehmensserviceportal, das wir IT-mäßig noch bauen werden – und nicht immer und immer wieder. Das wird die Betriebe stark entlasten.

Credits Artikelbild: BMDW

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