Was einst als kleine FH in Wien mit rund 60 Studierenden begann, soll nun zur Science City ausgebaut werden, um dem Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich zu begegnen.
Bettensperren in Spitälern. Lange Wartezeiten auf Operationen. Überlastetes Personal. In kaum einer anderen Branche bekommen wir den Fachkräftemangel so stark zu spüren wie im Gesundheits- und Pflegebereich. Denn der demografische Wandel trifft diese Branche gleich doppelt: Zum einen wird die Bevölkerung immer älter und immer mehr Menschen brauchen Pflege, zum anderen macht die starke Pensionierungswelle auch vor dem Gesundheitspersonal nicht halt und es gibt immer mehr Stellen, die nicht nachbesetzt werden können. Allein in Wien werden bis 2030 mehr als 9.000 zusätzliche Mitarbeiter:innen im ambulanten Bereich und in der Langzeitpflege gebraucht.
Moderne Hochschule mit Fokus auf Zukunftsthemen
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, muss man daher möglichst schnell an vielen Schrauben drehen. Unter anderem ist es notwendig, die Ausbildungsplätze im Gesundheits- und Pflegebereich aufzustocken. Und genau das passiert gerade an der FH Campus Wien. Mit mehr als 8.000 Studierenden an drei Standorten und fünf Kooperationsstandorten zählt sie zu den größten und vielfältigsten Fachhochschulen Österreichs. Das Studienangebot reicht von Technik oder Bauen und Gestalten bis hin zu Gesundheitswissenschaften und Angewandte Pflegewissenschaft.
„Wir verstehen uns als moderne Hochschule für angewandte Wissenschaften, die sich aktiv mit den drängenden Themen unserer Zeit auseinandersetzt“, erklärt Wilhelm Behensky, Vorsitzender der Geschäftsleitung der FH Campus Wien, im Interview mit dem Magazin „iv Positionen“. Dazu zähle etwa der Fachkräftemangel in allen Bereichen und Branchen, ganz besonders aber in der Pflege. „Wir waren 2008 die Ersten in ganz Österreich, die ein Gesundheits- und Krankenpflegestudium angeboten haben“, so Wilhelm Behensky.
Die FH Campus Wien in Zahlen (Stand Studienjahr 2021/22)
- gegründet 2001
- rund 8.000 Studierende
- 3.000 Erstsemestrige
- rund 20.000 Absolvent:innen
- mehr als 60 Studien- und Lehrgänge in berufsbegleitender und Vollzeitform
- 7 Departments (Angewandte Pflegewissenschaft, Applied Life Sciences, Bauen und Gestalten, Gesundheitswissenschaften, Soziales, Technik sowie Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit, Politik)
- 273 hauptberuflich Lehrende und Forschende
- 065 nebenberuflich Lehrende und Forschende
Auf dem Weg zur Science City
Im Jahr 2009 bezog die FH Campus Wien den heutigen Hauptstandort auf dem Alten Landgut in Wien Favoriten. Mit dem wachsenden Angebot an Studiengängen stieg aber auch der Platzbedarf, und bereits nach wenigen Jahren war der rund 37.000 Quadratmeter große Campus zu klein geworden. Seitdem wird das Areal ständig ausgebaut und ist jetzt schon – obwohl noch gar nicht fertig – der größte FH-Standort Österreichs. Das langfristige Ziel aber ist, den Campus sukzessive zu einer Science City zu erweitern und die Ausbildungsplätze in den Bereichen Gesundheit und Pflege zu verdoppeln.
Erst im November wurde nach einer Rekordbauzeit von nur 16 Monaten das neue Gebäude für die Studiengänge der Applied Life Sciences und Pflegewissenschaften eröffnet. Seit Februar ist die zweite Erweiterung in Bau: das House of Health, also das Haus der Gesundheitswissenschaften. Rund 42.000 Quadratmeter wird das neue Zentrum messen. Ab Herbst 2024 sollen hier Gesundheits- und Pflegekräfte ausgebildet werden.
Pflegen üben im Living Lab der Science City
Neben Funktionsräumen für Ergo- und Physiotherapie sowie Logopädie wird es im House of Health auch ein Living Lab geben, eine mehr als 50 Quadratmeter große Wohnung, wo Studierende Fertigkeiten und komplexe Abläufe im Bereich der Heimpflege und -therapie unter realistischen Bedingungen üben und festigen können. Und das unter anderem mit realen technischen Geräten wie Monitoren oder Infusionsgeräten und multifunktionalen Übungsdummies. Durch diese besondere Art der praktischen Lehre gewinnen Studierende schon früh einen Einblick in die Herausforderungen, die der zukünftige Beruf mit sich bringt.
Gut zu wissen: 140 Erdwärmesonden, Solarpaneele und E-Bike-Ladestationen
Nicht nur in Hinblick auf den Fachkräftemangel bemüht man sich beim Bau des House of Health um zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen, sondern auch in Sachen Energieversorgung. So wurden in wochenlangen Bohrungen 140 Erdwärmesonden in 190 Metern Tiefe auf einer Länge von 27 Kilometernverlegt. Diese sollen sicherstellen, dass der Wärmebedarf im neuen Gebäude zu 85 Prozent und der Kältebedarf zu 75 Prozent abgedeckt werden können. Am Dach des House of Health sind PV-Anlagen zur solaren Energiegewinnung angebracht. 24 Ladestationen für E-Bikes und Scooter sowie 260 Stellplätze für Fahrräder sollen Lehrende und Studierende außerdem dazu animieren, das Auto stehen zu lassen und stattdessen in die Pedale zu treten.
Bis Sommer 2027 soll die Science City fertig sein und mit rund 5.000 Studierenden pro Jahr in den Gesundheitswissenschaften und der Angewandten Pflegewissenschaft dem Fachkräftemangel entgegenwirken und gleichzeitig unsere Gesundheitsversorgung sichern.