Agrana Stärke

Stärke vom Feld als Stärkefeld

Kartoffeln und Weizen sind nicht nur wertvolle Lebens- und Futtermittel, sondern aufgrund der Stärke, die sie beinhalten, auch wichtige Industrierohstoffe. Von einem Weltmarktführer aus Österreich werden sie zu Baumaterial und Benzinzusatz verarbeitet.

Einen Schönheitswettbewerb unter Pflanzen würde sie nicht gewinnen. Krautiger Wuchs, ausgefranste Blätter auf kurzen Stielen, unförmige Knolle: Rein optisch gehört die Kartoffel nicht zu den anmutigsten Gewächsen zwischen Wald, Wiese, Acker und Gemüsebeet. Und dann wurde sie 2022 auch noch zur „Giftpflanze des Jahres“ gekürt. Die Stärke des Nachtschattengewächses liegt woanders.

In Sachen Nutzwert gehört sie nämlich zu den wertvollsten Pflanzen. Allein im Jahr 2021 wurden weltweit rund 376 Millionen Tonnen geerntet. Damit gilt die Kartoffel als eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt, zudem findet sie aufgrund ihres hohen Stärkeanteils auch als Futtermittel und Industrie-Rohstoff Verwendung. Davon profitiert unter anderem der österreichische Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana.

Agrana: Kartoffelstärke im Zement

Das Unternehmen gilt als Weltmarktführer bei Fruchtzubereitungen sowie europäischer Marktführer bei Bio-Stärken. In Gmünd wird dafür Österreichs einzige Kartoffelstärkefabrik betrieben. Hier stellt man mit rund 420 Mitarbeiter:innen nicht nur Stärke für den Lebensmittelbereich (z.B. Püree, Kartoffelteigmischungen, Säuglingsnahrung) her, sondern auch für technische Anwendungen, beispielsweise in der Bau-, Kosmetik- und pharmazeutischen Industrie.

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Allein 2022 wurden bei Agrana 222.000 Tonnen Stärke- und Biostärkeindustriekartoffeln verarbeitet.Foto: Agrana

Die Kartoffel kann nämlich nicht nur Chips und Pommes, sondern auch Gips und Kleber. So sorgen technische Spezialstärken in der bauchemischen Industrie in Form von Stärkeether sowohl in Gips- und Gips-Kalkhydrat als auch in Zement- und Zement-Kalkhydrat-Baustoffen für die gewünschte Konsistenz. Aufgrund der guten Klebeeigenschaften wird Stärke auch in der Klebstoffindustrie als Alternative zu synthetischen Klebstoffen verwendet und als „Green Glue“ bezeichnet.

Getreide als Biotreibstoff…

Die Nachfrage steigt. „Technische Industrien setzen vermehrt – auch aufgrund gesetzlicher Vorgaben – auf biobasierte Materialien und wählen Stärke als nachhaltige Alternative zu erdölbasierten Produkten“, begründet Agrana-Technikvorstand Norbert Harringer den jüngsten Ausbau des Standorts in Gmünd. 23 Millionen Euro fließen hier in die Errichtung einer zusätzlichen Walzentrocknungsanlage. Mit Inbetriebnahme im Juli 2025 erhöht sich bei Agrana die Produktionskapazität von technischen Stärken um ein Drittel.

Aber auch auf anderen Äckern erntet die Agrana Pflanzen für die Nutzung abseits von Trog und Teller. So werden in der Bioraffinerie im niederösterreichischen Pischelsdorf nicht nur hochwertige Lebens- und Futtermittel (unter anderem 100.000 Tonnen Weizenstärke, 23.500 Tonnen Weizenprotein), sondern auch Produkte für die technische Industrie produziert – beispielsweise 240.000 m³ Bio­ethanol. Es wird dem Superbenzin beigemengt. Dafür werden ausschließlich Reststoffe verwendet, die per se für die menschliche Ernährung unbrauchbar sind, wird seitens der Agrana betont.

… und Industrierohstoff

Der Produktionsprozess folgt einer kaskadenartigen Nutzung. Es beginnt mit dem Vermahlen des Getreides. Dabei fällt als Nebenprodukt zunächst Kleie an, die zu Futtermitteln für die Landwirtschaft weiterverarbeitet wird. Das für die Weiterverarbeitung aufbereitete Mehl gelangt dann in die Stärkefabrik, in der eine Trennung von Protein und Stärke vorgenommen wird. Diese Stärke wird einerseits in der Nahrungsmittelindustrie (etwa in Form von Gluten), andererseits in der Papierindustrie verwendet.

Bioethanol Tanken E10
Bioethanol aus Getreide wird dem fossilen Superbenzin seit April verpflichtend beigemengt.Foto: adobe stock | Tom Bayer

Die Stärkekörner, die dafür nicht verwertbar sind, bilden wiederum die Grundlage zur Fermentierung in der Bioethanol-Anlage. An diesem Ende der Wertschöpfungskette als Nahrungsmittel startet die „Karriere“ der Pflanzen als Treibstoff. Denn seit April wird dem Superbenzin an den Zapfsäulen in Österreich bis zu zehn Prozent Ethanol, auch „E10“ genannt, beigemengt. Das bereinigt die CO2-Bilanz des Treibstoffs ein wenig und reduziert laut einer Studie der Technischen Universität Wien auch die Feinstaubemissionen von Benzinmotoren.

Weltweit größte Anlage

Österreich ist diesbezüglich nicht von arabischen Scheichs oder anderen Staaten abhängig, sondern kann seinen Bioethanol-Bedarf selbst decken. Dafür verantwortlich ist neben der Agrana-Anlage in Pischelsdorf mit einer Produktionskapazität von etwa 250.000 Kubikmeter auch die Zellstofffabrik von Austrocel in Hallein. Deren Bioethanol wird aus Reststoffen der Zellstofferzeugung hergestellt. Der Prozess basiert im Wesentlichen auf der Umwandlung des in der anfallenden Braunlauge enthaltenen Zuckeranteils in Alkohol. Dies geschieht mithilfe moderner Hefeorganismen in einer Fermentationsanlage.

In Hallein hat man damit Erfahrung. Schon zwischen 1941 und 1988 wurde hier Bioethanol hergestellt. Anfangs fand der Gärprozess in offenen Holzbottichen statt, die tägliche Produktionsmenge lag bei rund 6.000 Litern. Die neue, seit Ende 2020 laufende Anlage, in die 42 Millionen Euro investiert wurden, schafft bis zu 30 Millionen Liter pro Jahr und ist damit die weltweit größte ihrer Art.

GUT ZU WISSEN

  • Agrana ist Weltmarktführer bei Fruchtzubereitungen und Europas Marktführer bei Bio-Stärken.
  • 1988 als Dachgesellschaft für die österreichische Zucker- und Stärkeindustrie gegründet, hat sich das Unternehmen vom ausschließlich österreichischen zu einem global tätigen Unternehmen weiterentwickelt und seinen Umsatz nahezu verzehnfacht.
  • An 55 Standorten sind insgesamt rund 9.000 Mitarbeiter:innen beschäftigt.
  • Der börsenotierte Konzern ist – nach zuletzt massiven Abschreibungen aufgrund des Russland- und Ukrainegeschäfts – im Geschäftsjahr 2022/23 bei einem Umsatz von 3,63 Milliarden Euro (+25,4 Prozent) mit einem Konzernergebnis von 24,7 Millionen Euro wieder in die Gewinnzone zurückgekehrt.
Credits Artikelbild: Agrana

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