Stefan Grafenhorst
Stefan Grafenhorst

Nachhaltigkeits-Experte Stefan Grafenhorst: „Wir müssen jeden Stein zweimal umdrehen“

Das Ziel „Klimaneutralität“ ist gerade für Anbieter von Kunststofflösungen kein einfaches. Die Greiner AG verfolgt den Weg zur Nachhaltigkeit jedoch konsequent – und konnte auf diesem mit der positiven Prüfung der Science Based Targets nun einen Meilenstein erreichen, wie Stefan Grafenhorst, Greiners neuer Vice President People & Sustainability, berichten kann.

Man schrieb das Jahr 2017, als Stefan Grafenhorst nach Österreich kam, um in der Greiner AG als Head of Sustainability „Nachhaltigkeit“ zu etablieren – ein Begriff, der damals noch nicht in den Köpfen der Menschen angekommen war. Er sei „eh bald wieder weg“, war demnach auch die verbreitete Meinung im Unternehmen, erinnert sich Stefan Grafenhorst heute. „Man dachte, da machen wir jetzt mal schnell was und dann ist es wieder vorbei.“

Zur Person

Stefan Grafenhorst, geboren und aufgewachsen in Münster, studierte Politikwissenschaft in Bremen, Straßburg und Südafrika. Nach dem Masterstudium in International Relations in Brüssel absolvierte er einen MBA an der Wirtschaftsuniversität Wien. Grafenhorst, Jahrgang 1980, arbeitete als Strategieberater in Brüssel, als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Bundestag sowie als Entwicklungshelfer für die Deutsche Gesellschaft für International Zusammenarbeit in Afrika, bevor er 2017 die Forcierung des nachhaltigen Transformationsprozesses der Greiner AG als Head of Sustainability übernahm. Im Februar 2023 bestellte ihn das Unternehmen zum Vice President People & Sustainability.

Doch Stefan Grafenhorst war nicht „bald wieder weg“. Ebenso wenig das Thema Nachhaltigkeit. Im Gegenteil. Der gebürtige Westfale stieg mittlerweile zum Vice President People & Sustainability auf; eine Position, die erst im Februar 2023 geschaffen wurde, um die enge Verbindung von Nachhaltigkeit und Human Resources (HR) innerhalb der Greiner AG zu verdeutlichen, wie Grafenhorst erklärt: „Die beiden Bereiche haben eines gemeinsam: Sie sorgen für eine Riesenveränderung.“

Fundamentale Veränderung

Im People-Bereich sei der Weg für Greiner allerdings noch ein weiter. „Aktuell arbeiten wir daran, im Unternehmen die Erkenntnis zu etablieren, Dinge radikal anders machen zu müssen. Hinsichtlich Aus- und Weiterbildung, Diversity, Inklusion. Es reicht nicht, wenn CEO oder CFO das gut finden. Man muss die Etagen darunter mit an Bord holen, bevor man irgendeine Policy macht, die dann auf der Website und später in der Schublade verschwindet.“ 

Stefan Grafenhorst
Stefan Grafenhorst sagt: „Es war klar: Was wir machen, ist in Teilen nicht nachhaltig, wir müssen etwas tun. So ist dann auch meine Stelle entstanden.“Foto: Greiner AG | Christian Huber

Die Corona-Krise habe die Veränderung des HR-Bereichs ebenso vorangetrieben wie die sich in die Pension verabschiedende Generation der Baby-Boomer, erzählt Grafenhorst. „Wir haben ein Problem, wir müssen jeden Stein zweimal umdrehen und schauen, ob er noch passt – für die neue Generation, für die neuen Gegebenheiten“, sagt Stefan Grafenhorst. „Wir haben mittlerweile einen Arbeitnehmer:innenmarkt und keinen Arbeitgeber:innenmarkt mehr. Das verändert alles. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Leute eine passende Führungskultur haben. Sonst gehen sie nach wenigen Wochen wieder.“

Stefan Grafenhorst: Blauer Planet – blauer Plan

Bei Nachhaltigkeit sei man bereits deutlich weiter: „Wir müssen nicht mehr darüber sprechen, ob Nachhaltigkeit relevant ist oder ob sie etwas kosten darf.“ Greiner-Chef Axel Kühner hätte bereits vor Jahren erkannt, dass „da eine Lawine auf uns zukommt“, wie Stefan Grafenhorst es ausdrückt. „Es war klar: Was wir machen, ist in Teilen nicht nachhaltig, wir müssen etwas tun. So ist dann auch meine Stelle entstanden.“ Was folgte, waren Nachhaltigkeitsschulungen für Einkäufer:innen, in der Produktentwicklung, im Finanzbereich. Zudem wurde mit dem „Blue Plan“ eine klassische Nachhaltigkeitsstrategie mit drei zentralen Säulen geschaffen: Kreislaufwirtschaft. Klimaschutz. Menschen. 

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Europa statt China! air up® verlagerte die Fertigung ihrer Tritantrinkflaschen zu Greiner Packaging nach Österreich. Grund: Die nachhaltigen Produktionsoptionen von Greiner.Foto: Greiner AG

Ein Meilenstein auf Greiners Weg zur Nachhaltigkeit war die Einreichung der Science Based Targets, mittels derer Unternehmen wissenschaftsbasiert Klimaschutz- und Emissionsreduktionsziele umsetzen können. Die Methodik wurde von der Science Based Target Initiative (SBTi) entwickelt, diese prüft auch die Einreichung der teilnehmenden Wirtschaftstreibenden. Das Ergebnis für Greiner, wie Stefan Grafenhorst stolz erzählt, ist erfreulich: „Wir haben das finale Approval bekommen. Jetzt geht es darum, sich hier Schritt für Schritt vorwärtszubewegen.“ Die Herausforderungen seien große: „Unsere Emissionen liegen zu 90 Prozent bei Materialien, Logistik, End of Life. Bisher waren unsere Klimaziele im Grunde aber auf unseren Strombereich beschränkt. Der jetzige Gamechanger: Wir haben für all unsere Emissionen ein Ziel.“

Greiner AG
Das Greiner Headquarter in Kremsmünster wird derzeit auf Grünstrom umgestellt.Foto: Greiner AG

Die Umstellung auf Grünstrom werde an allen Standorten in vier, fünf Jahren abgeschlossen. Weiters gehe es darum, in der Produktion emissionsärmere Materialen zu verwenden. „Außerdem müssen alle Produkte, die bei uns das Haus verlassen, recyclingfähig werden. Und ein großer Bereich ist Inbound- und Outboundlogistik. Hier stehen wir mit unseren Logistikpartnern in intensiver Diskussion.“

Fit für die Zukunft

Greiners Credo lautet: „Bis 2030 sollen alle Mitarbeiter:innen fit für die Herausforderungen der Zukunft sein.“ 12.0000 Mitarbeiter:innen sollen sich über Weiterbildung, aber auch über die Führungskultur weiterentwickeln, um die ausgegeben Ziele zu erreichen. „Wenn wir von linearer Produktion auf eine zirkuläre umstellen, werden wir viel neues Wissen brauchen, das wir heute noch nicht haben.“ Mittels internem Weiterbildungsprogramm mache man jährlich 20 Personen aus dem Unternehmen zu Klimabotschafter:innen in der großen Greiner-Welt. „Das sind 140 Standorte in über 34 Ländern“, erklärt Stefan Grafenhorst. „Wenn wir glauben, ein kleines Team im Headquarter könne die Herausforderungen lösen, werden wir grandios scheitern. Ich brauche die Leute da draußen – auch, um Fragen zu den Sorgen und Nöten der Mitarbeiter:innen zu beantworten.“

Berechtigte Kritik – in beide Richtungen

Womit wir wieder bei den Veränderungen wären – die nicht nur die Greiner AG betreffen. „Manche Unternehmensbereiche oder Produkte können wir uns als Gesellschaft nicht erlauben, die wird es in wenigen Jahren nicht mehr geben. Andere Bereiche, in denen man ohne Kunststoff nicht auskommt, kann man dekarbonisieren. Hier werden wir aber investieren müssen“, so Stefan Grafenhorst, der selbstkritisch abschließt: „Die Kunststoffindustrie hat einige Jahrzehnte geschlafen. Da verändert sich gerade sehr viel, aber es gibt Riesennachholbedarf. Viele Unternehmen haben mit einer linearen Ökonomie gutes Geld verdient. Kritik ist daher berechtigt. Aber ich fordere ein, dass man sich mit dem, was wir machen, auseinandersetzt. Dass wir wirklich investieren. Dass wir Lieferanten mit mehr als 500.000,- Euro Umsatz auf ihre Nachhaltigkeitsperformance prüfen. Ja, man kann immer fordern, dass es schneller geht. Aber ich erwarte mir, dass man sich anschaut, was wir schon alles tun. Und nicht einfach sagt: ‚Plastikindustrie ist bescheuert, die brauch’ ich nicht.‘“

Über Greiner AG

Die Greiner AG mit Sitz im oberösterreichischen Kremsmünster ist weltweiter Marktführer für Kunststoff- und Schaumstofflösungen. Die Unternehmensgruppe – eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft – operiert aus einer klassischen Holdingstruktur mit weltweit mehr als 11.600 Mitarbeiter:innen bei einem Gesamtumsatz von 2.331 Millionen Euro in drei Kompetenzbereichen: Greiner Packaging, Greiner Bio-One und NEVEON.

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