Getzner Stoffe

Stoffe aus dem „Ländle“ für Westafrika

Die Textilindustrie in Vorarlberg hat eine lange Tradition – und teilweise überraschende KundInnen. So liefert Getzner unter anderem Stoffe nach Westafrika, an die Schweizer Polizei und die ÖBB.

Es war Liebe auf den ersten Blick. „Unsere Damaststoffe sind sofort gut angekommen“, erzählt man bei Getzner Textil in Bludenz. Das war in den späten 1970er-Jahren – und der Beginn einer bis heute anhaltenden Geschäftsbeziehung mit einer überraschenden Adresse: Westafrika. 

Getzner war damals eine der treibenden Kräfte, als die florierende Vorarlberger Textil- und Stickereiindustrie begann, ihre Fühler auch Richtung Afrika auszustrecken. Eine nachhaltige strategische Entscheidung. Man investierte in neue Technologien und überzeugt damit bis heute durch Stoffe mit einem seidigen, waschbeständigen Glanz, höchster Qualität, ansprechenden Designs und harmonischen Kombinationen aus mehr als 160 verschiedenen Farben.

32.000 Meter Stoff pro Tag

Unternehmensintern ist das Afrikageschäft mittlerweile der Wachstumsmotor bei Getzner. Allgemein gilt das Traditionsunternehmen aus dem „Ländle“ mittlerweile als führender Hersteller afrikanischer Bekleidungsdamaste. Angst vor Billigkonkurrenz aus Asien hat man nicht: „Mehr als 40 Jahre Erfahrung – das muss erst einmal jemand aufholen, das lässt sich nicht so einfach kopieren“, gibt man sich selbstbewusst. Und investiert weiterhin. Allein am Stammsitz in Bludenz fließen aktuell 28 Millionen Euro in den Ausbau der Lagerinfrastruktur, in Maschinentechnologie sowie in eine robotergestützte Packstraße.

„Wir wollen bewusst in Europa einkaufen und hier konfektionieren“, betont man und setzt im Sinne von nachhaltigen Lieferketten auf möglichst kurze Wege. So webt man weiterhin ausschließlich an sieben europäischen Standorten in der Schweiz, in Deutschland und am Headquarter in Bludenz. 710 Webmaschinen sind insgesamt im Einsatz, die im vergangenen Jahr 78 Millionen Laufmeter Gewebe hergestellt haben. Allein in der Weberei in Bludenz laufen pro Tag rund 32.000 Meter Gewebe für Afrikadamaste, Modestoffe und technische Textilien vom Band.

Rekordumsatz trotz Krisen-Umfeld

Das Geschäft blüht, auch wenn die allgemeinen Preiserhöhungen auf dem Markt spürbar sind. Vor allem auch im direkten Wettbewerb mit der Konkurrenz aus Asien oder Indien, die diesbezüglich verschont geblieben ist. „Das ergibt eine extreme Schieflage“, sagt Geschäftsführer Roland Comploj: „Das Geschäftsjahr war dementsprechend von einer starken Dynamik und unvorhergesehenen Entwicklungen geprägt.“

Trotz dieses schwierigen allgemeinen Marktumfeldes konnte die Firmengruppe im Geschäftsjahr 2021 aber einen Rekordumsatz in Höhe von 416 Millionen Euro erzielen. Das entspricht einem Plus von 4,8 Prozent gegenüber 2020.

Von der Polizei bis zur Luftlinie 

Neben der Abteilung „Africa“ beschäftigt man sich auch in anderen Geschäftsfeldern laufend mit dem Erforschen von Trends und Neuheiten und sorgt mit Innovationen für den Erhalt und Ausbau von Produktbereichen. Damit hat man sich einen Ruf als Spezialist für innovative Gewebe und Stoffe für unterschiedlichste Anwendungen erarbeitet.

Die von Getzner Textil produzierten Modestoffe sind buntgewebt oder stückgefärbt, aus Baumwolle oder Mischungen. Aus ihnen entstehen Hemden und Blusen für unterschiedliche Zwecke – von der Designerkollektion bis zur Berufsbekleidung. Dieser Expertise für Stoffe für die sogenannte „Corporate Fashion“ vertrauen unter anderem Lufthansa, McDonald’s, Volkswagen, Spar, Mercedes-Benz und die Schweizer Polizei sowie Krankenhäuser, für die man Stoffe für die hygienisch anspruchsvolle OP-Kleidung produziert.

Sitzbezüge für die ÖBB 

Auf die Bus-, Bahn- und Automobilindustrie spezialisiert hat sich wiederum das Tochterunternehmen Herbert Kneitz GmbH. Am Standort Bad Mitterndorf am Eingang zum Salzkammergut werden hochwertige und multifunktionale Sitzbezugsstoffe entwickelt und produziert. Zu den Abnehmern der Sitzbezugsstoffe gehören viele renommierte Fahrzeughersteller und in weiterer Folge Verkehrsunternehmen. So sitzt man in den Zügen der ÖBB oder in Flixbussen, aber auch in Modellen verschiedener deutscher Automarken auf Textilien, die in der Obersteiermark produziert werden.  

Darüber hinaus entwickelt Getzner unterschiedliche Gewebe für die Industrie, für Sports Equipment oder für die Architektur – unter der Eigenmarke „acunic” beispielsweise spezialisierte Produkte für den Akustikbereich. Es handelt sich dabei um schallabsorbierende Textilien, die der Verbesserung der Raumatmosphäre dienen.

Getzner Stoffe
Der durchschnittliche Garnverbrauch an Kett- und Schussfäden bei Getzner Textil innerhalb von 24 Stunden entspricht einer Schnur, die sich mehr als 25-mal um die Erde wickeln lassen würde.Foto: Getzner | Mühlbacher

Knapp 1.500 MitarbeiterInnen sind aktuell im Unternehmen beschäftigt. Darunter befinden sich auch 60 Lehrlinge. Seit Beginn setzt man intensiv auf die Nachwuchsförderung im eigenen Haus. Aktuell nimmt das etwas Druck aus dem generellen FacharbeiterInnenmangel, die Rekrutierung junger Menschen wird aber zunehmend schwieriger. Zum einen aufgrund der demografischen Entwicklung, zum anderen, da in der benachbarten Schweiz ein höheres Gehaltsschema gilt und im nahen Deutschland die Lebenserhaltungskosten günstiger sind als in Vorarlberg.

GUT ZU WISSEN

  • Getzner wurde 1818 gegründet, das heutige Textilunternehmen 1980 ausgegliedert.
  • Aktuell beschäftigt man 1.476 MitarbeiterInnen, die zuletzt einen Umsatz von 416 Millionen Euro erwirtschaftet haben.
  • Vom Headquarter in Bludenz aus leitet man Vertretungen in 30 Ländern weltweit. Die Exportquote liegt bei 96 Prozent.
  • 2001 hat Getzner ein eigenes Fernwärmenetz in Betrieb genommen. Seitdem versorgt der Textilbetrieb zahlreiche öffentliche Gebäude in der unmittelbaren Umgebung des Hauptfirmensitzes sowie das örtliche Frei- und Hallenbad mit Wärme.
Credits Artikelbild: Getzner | Marcel Hagen

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