Das Gesetz, das die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) regelt, steht vor einer Novelle. UnternehmensvertreterInnen fordern schnellere Verfahren – im Sinne der Klimaschutzziele.
Eigentlich gibt es klar festgeschriebene Fristen: Ein Verfahren muss in der ersten Instanz nach neun Monaten und in der zweiten Instanz binnen sechs Monaten abgeschlossen sein. Tatsächlich kommt es bei Umweltverträglichkeitsprüfungen – kurz: UVP – aber immer wieder zu deutlichen Verzögerungen. Zehn Jahre hat es beispielsweise beim Pumpspeicherkraftwerk im Tiroler Kühtai gedauert, 96 Monate beim Ringschluss der 380 kV-Leitung in Salzburg.
Die Wirtschaft klagt diesbezüglich über ein „Nadelöhr“, das angesichts der ehrgeizigen Klimaschutzziele zu einem Scheitern führen kann. Denn um die angepeilten CO2-Einsparungen in der Energiegewinnung selbst und der damit befeuerten Produktion erreichen zu können, braucht es einen raschen Infrastrukturausbau. Egal, ob bei Wasserkraft oder Windenergie, für emissionsarme Mobilität und energieintensive Industrieprozesse – bei vielen der Projekte braucht es eine UVP.
70 Milliarden Euro Investitionen
Um die CO2-Neutralität zu schaffen, müssen allein in Österreich 27 Terawattstunden zusätzliche Energie bereitgestellt werden. Der dafür notwendige Infrastrukturausbau umfasst allein bis 2030 Investitionen von knapp über 70 Milliarden Euro, rechnet Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf vor: „40 Milliarden Euro für Erzeugungsanlagen, 31 Milliarden für die öffentliche Infrastruktur.“
Heruntergebrochen auf konkrete Projekte bedeutet dieser Bedarf an Energie aus erneuerbaren „grünen“ Quellen, dass die kommenden acht Jahre jeden dritten Tag eine neue Windkraftanlage in Betrieb gehen müsste, jede zweite Minute ein zusätzliches Photovoltaik-Paneel, es unter anderem die Kapazität von sechs zusätzlichen großen Flusskraftwerken braucht und 250 Pilotanlagen für Wasserstoff, wie es derzeit gerade erst eine in Österreich gibt.
UVP und der „Wettlauf gegen die Zeit“
„Ohne diesem massiven Infrastrukturausbau schaffen wir die Klimawende nicht“, warnt Kopf und spricht von einem Wettlauf gegen die Zeit. Viele dieser Projekte müssen allerdings eine Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen. Verzögern und verlängern sich diese Verfahren, gefährden sie das Erreichen der Klimaschutzziele. Denn Einsprüche, Stellungnahmen, Gutachten oder andere juristische Instrumente blockieren die Wirtschaft, behindern den notwendigen Infrastrukturausbau, gefährden die Versorgungssicherheit und bremsen die Energiewende.
Deshalb drängen Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer und „Österreichs Energie“, die Interessensvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, jetzt auf eine Beschleunigung und Effizienzsteigerung von UVP-Verfahren. „Es braucht ein Maßnahmenbündel, das Investitionssicherheit bietet, die Akzeptanz erhöht und Verfahren beschleunigt“, heißt es. In einem Schulterschluss haben sie daher einen Forderungskatalog erarbeitet. Dessen Punkte sollen in die derzeit im Klimaschutzministerium laufenden Arbeiten zur Novelle des UVP-Gesetzes einfließen.
Überholspur für UVP-Verfahren
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, kritisiert vor allem die vorherrschende Praxis, Beschwerden als „strategisches Mittel, Infrastrukturprojekte auf die lange Bank zu schieben“ zu benutzen. So hätten in Einzelfällen Biber-Sichtungen, ein Foto von einem Storchennest oder gefundener Vogelkot schon für massive Verzögerungen gereicht. Zudem schlägt Neumayer eine verstärkte Nutzung digitaler Möglichkeiten im Verfahrensablauf und eine Erweiterung des Sachverständigenpools vor. Ein Zugriff auf ExpertInnen soll länderübergreifend möglich werden.
„Politik und Verwaltung stehen sich oft selbst im Weg“, kritisiert Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Österreichs Energie. Ihr schwebt eine Art „Überholspur“ bei Verfahren vor, auf der große Projekte von nationalem Interesse vorgezogen werden können – wie es auch auf europäischer Ebene bei wichtigen transnationalen Projekten üblich ist.
„Genehmigungs-, kein Verhinderungsverfahren“
Den WirtschaftsvertreterInnen ist auch die starke Parteienstellung von Bürgerinitiativen und NGOs ein Dorn im Auge. Nur in Österreich hätten Bürgerinitiativen ein Beschwerderecht, wobei das laut EU-Recht nicht notwendig wäre. Und NGOs könnten auch über ihren eigentlichen sachlichen Wirkungsbereich hinaus aktiv werden. Diesbezüglich brauche es mehr Transparenz, schlägt Neumayer eine verpflichtende Ausweisung von GroßspenderInnen vor.
All diese Vorschläge zielen nicht auf ein Zurückdrängen des Umweltschutzes, betonen die InteressensvertreterInnen. Vielmehr gehe es darum, „das UVP-Verfahren klimafit zu machen“. Ballast müsse abgeworfen, unnötige Verfahrensschleifen gestrichen und das Monitoring über die konkrete Verfahrensdauer verbessert werden. „Es handelt sich ja um ein Genehmigungs- und kein Verhinderungsverfahren“, formuliert Neumayer.