Das Material, mit dem sie arbeiten, ist mehr als 5.000 Jahre alt, ihre Ausbildung hingegen ganz neu. Der Glasverpackungshersteller Vetropack entwickelte vor drei Jahren die Lehre zum/zur GlasverfahrenstechnikerIn und sagt damit dem Fachkräftemangel den Kampf an.
Wenn ich an Glas denke, fällt mir der Keller meiner Großeltern ein. Kühl war es dort, unheimlich und aufregend zugleich. Über eine enge, steile Treppe ging es hinunter. Bei jedem Schritt, den man machte, ächzte der Holzboden. Selbst bei uns Kindern. Doch war man erst einmal unten angekommen, offenbarte sich einem eine wahre Schatzkammer. Ein Raum voll mit Regalen, die bis oben hin mit Einmachgläsern und Saftflaschen gefüllt waren. Ein Glas dicht neben dem anderen, fein säuberlich beschriftet. Alles selbstgemacht. Das Zwetschkenkompott, die Erdbeermarmelade, der Holler- und der Ribiselsaft.
Glas boomt
Nun liegt das zugegebenermaßen schon ein paar Jahre zurück. Doch das, worauf die Oma der Autorin dieser Zeilen schon damals schwor, ist noch heute voll im Trend. „Glas boomt“, sagt Johann Eggerth. Und der muss es wissen. Ist er doch der Geschäftsführer von Vetropack Austria, Österreichs größtem Hersteller von Glasverpackungen für die Getränke- und Lebensmittelindustrie.
Es wird sogar mehr Glas gekauft als früher. Zu diesem Ergebnis kommt eine Verbraucherstudie, für die im Auftrag der Friends of Glass und des Europäischen Behälterglasverbands (FEVE) 10.000 Menschen aus 13 europäischen Ländern befragt wurden. „Dafür gibt es mehrere Gründe“, erklärt Johann Eggerth. „Zum einen die hervorragende Recyclingfähigkeit von Glas und das wachsende Umweltbewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher. Zum anderen punktet Glas vor allem auch im Bereich Gesundheit. Glas ist inert, es gibt daher keinerlei Wechselwirkung zwischen der Verpackung und dem abgefüllten Inhalt, was Glas als gesündesten Packstoff auszeichnet.“
Mehr als 1,4 Millionen Glasverpackungen produziert Vetropack Austria pro Jahr. Fast alles, was wir an Gläsern und Flaschen in unseren Kühlschränken oder Speisekammern stehen haben, stammt entweder aus dem Werk in Pöchlarn (Niederösterreich) oder jenem in Kremsmünster (Oberösterreich). An AbnehmerInnen mangelt es also nicht – was man von den Fachkräften nicht behaupten kann.
Mach’s dir selbst
Das mag angesichts der hohen Arbeitslosigkeit paradox klingen, doch Unternehmen klagen schon seit Längerem, dass nur wenige die Qualifikationen mitbringen, die in der Industrie benötigt werden. Deshalb beschloss Vetropack, etwas dagegen zu tun, und fing an, FacharbeiterInnen in den Unternehmen selbst auszubilden. Außerdem entwickelte die Firma 2018 den Lehrberuf „Glasverfahrenstechnik“ und setzte damit einen Meilenstein in der österreichischen Berufsausbildung.
Dafür wurde im Trainingszentrum in Pöchlarn eine eigene Lehrwerkstatt mit modernsten Maschinen eingerichtet, in der alle Abläufe der Glasproduktion simuliert und erlernt werden können. Denn auch wenn es sich bei Glas um ein jahrtausendealtes Material handelt, ist dessen Herstellung komplex und hochmodern, angefangen von den riesigen Schmelzwannen über die Maschinen, die die glühenden Glastropfen in Form blasen bis hin zu den Verpackungsanlagen. Das Steuern, Instandhalten und Programmieren von Maschinen und Robotern gehört daher ebenso zur technischen Ausbildung wie das Bearbeiten von Metallen für die Produktionsanlagen.
Vom Lehrling zum Glasexperten/zur Glasexpertin
„Unsere AbsolventInnen verfügen als ExpertInnen über alle Fähigkeiten und Kenntnisse, die man haben muss, um Glas herzustellen und zu verarbeiten. Ziel der dreieinhalbjährigen Ausbildung ist es, den Qualifikationsanforderungen an die zunehmend hoch technisierte, digitalisierte und automatisierte Produktion von Verpackungsglas, Isolierglas, Glasfassaden und anderen Gläsern vorausschauend zu begegnen“, so Johann Eggerth.
Es sind noch Plätze frei
Derzeit bildet Vetropack 28 Jugendliche zum/zur GlasverfahrenstechnikerIn aus. Zwölf weitere möchte das Unternehmen heuer noch aufnehmen, wobei die Pandemie die Suche erschwert. Während die Rekrutierung für den Standort Pöchlarn gut läuft, sind am Standort Kremsmünster noch Plätze frei.
Glas ist inert, es gibt daher keinerlei Wechselwirkung zwischen der Verpackung und dem abgefüllten Inhalt, was Glas als gesündesten Packstoff auszeichnet.
Johann Eggerth, Geschäftsführer von Vetropack Austria
Wirken werden diese Maßnahmen erst langfristig, dessen ist man sich bewusst. Dennoch sind sie enorm wichtig, denn das Qualifikationsniveau steigt, und es wird immer schwieriger, technische Positionen extern zu besetzen. Doch nicht nur beim Fachpersonal handelt Vetropack vorausschauend, auch in den Bereichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit leistet der Glasverpackungshersteller Pionierarbeit.
ÖsterreicherInnen beim Recycling vorne
So stellte der Schweizer Mutterkonzern in den 1970er-Jahren als erster ein Recyclingsystem für Altglas auf.Heute setzen alle Standorte auf Sammel- und Aufbereitungssysteme. Wenn es ums Mülltrennen geht, zählen die ÖsterreicherInnen übrigens zu den Fleißigsten in Europa. „Etwa 80 Prozent des in Österreich gesammelten Altglases wird in den beiden Vetropack-Werken Pöchlarn und Kremsmünster zu neuen Glasverpackungen recycelt. Die Altglas-Sammelleidenschaft der ÖsterreicherInnen ist über die Jahre kontinuierlich gestiegen und brachte im Jahr 2020 mit 270.000 Tonnen Altglas einen neuen Rekord“, freut sich Johann Eggerth.
So leicht kann Nachhaltigkeit sein
Der große Vorteil von Glas ist, dass man es immer und immer wiederverwerten kann, ohne dass es dabei an Qualität einbüßt. Eine unendliche Geschichte sozusagen. Sogar eine Crash-Diät kann Glas nichts anhaben. „Leichtglas“ nennt sich die abgespeckte Version, die dank ihrer Gewichtsreduktion nicht nur leichter zu tragen, sondern auch ressourcenschonender ist.
„Bis zu 20 % Gewichtseinsparung sind der Durchschnitt, bei manchen Glasbehältern fällt die Reduktion noch deutlicher aus. In punkto Festigkeit und Stabilität stehen die Leichtgewicht-Glasflaschen ihren schwereren Vorgängermodellen aber um nichts nach. Denn durch innovative, auf numerischen Verfahren basierende Simulationen können mögliche Schwachstellen schon im Vorfeld der Flaschenproduktion ausgeschaltet werden“, sagt Johann Eggerth.
Etwa 80 Prozent des in Österreich gesammelten Altglases wird in den beiden Vetropack-Werken Pöchlarn und Kremsmünster zu neuen Glasverpackungen recycelt.
Johann Eggerth
Eine 0,75-Liter-Weinflasche wiegt in der Leichtglas-Ausführung z.B. um 50 Gramm weniger, das entspricht etwa dem Gewicht eines mittelgroßen Hühnereis. Das mag nach nicht viel klingen, bei einer Anzahl von einer Million Flaschen kann man so aber 50 Tonnen Glas einsparen und den CO2-Verbrauch um 35 Tonnen reduzieren. Manchmal ist weniger eben mehr. Auch beim Glas. Nur nicht in der Vorratskammer meiner Oma.
Über Vetropack
Vetropack zählt zu den führenden europäischen Herstellern von Verpackungsglas und betreibt in der Schweiz, Österreich, Kroatien, Tschechien, der Slowakei, der Ukraine, Italien und Moldawien insgesamt neun Werke.
- Die erste Glasstätte wurde 1911 von Henri Cornaz mitten im Weingebiet des Lac Léman in St-Prex in der Schweiz errichtet.
- 1986 wurde mit der Übernahme des Glaswerkes Pöchlarn in Niederösterreich die Vetropack Austria GmbH gegründet. Mit zwei Schmelzwannen verfügt das Werk über eine Produktionskapazität von 470 Tonnen Verpackungsglas pro Tag.
- 1993 übernahm Vetropack die Glashütte Lutzky Glas in Kremsmünster, Oberösterreich. In den drei Schmelzwannen werden täglich 670 Tonnen Verpackungsglas produziert.
- Insgesamt beschäftigt Vetropack 3882 MitarbeiterInnen und stellt 4,86 Milliarden Stück Verpackungsglas jährlich her.
- In Österreich waren 2020 709 MitarbeiterInnen angestellt.