Pensionsystem

Warum unser Pensionssystem an der Kippe steht

Vergleichsweise hohe Pensionen, anteilsmäßig immer mehr PensionistInnen und immer weniger BeitragszahlerInnen lassen das heimische Pensionssystem wanken. Der Ruf nach stabilen Reformmodellen wird lauter.

Die im Kleid einer fast zweistelligen Inflationsrate durch den Alltag rollende Teuerungswelle lässt auch die Rufe nach überdurchschnittlichen Pensionserhöhungen laut werden. Das sorgt in der politischen Arena für heftige Debatten. Von einem „Wettbieten“ spricht Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Er ortet ein „Unverständnis für Systematik des Pensionssystems und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Finanzierbarkeit“.

Tatsächlich steht hinter der künftigen Leistbarkeit des heimischen Umlagesystems ein großes Fragezeichen. Die Rechnung, dass die aktiv im Berufsleben stehenden Personen durch ihre Pflichtbeiträge die aktuellen Pensionen finanzieren und sich selbst Ansprüche auf die eigene Pension sichern, geht sich nicht mehr aus. Um diese Lücke zu schließen, muss der Staat immer tiefer in seine Budgettaschen greifen.

Schieflage des Pensionssystems 

Laut Berechnungen der Alterssicherungskommission werden die öffentlichen Ausgaben für Pensionen von aktuell rund 24,2 Milliarden Euro auf rund 31 Milliarden Euro 2026 massiv ansteigen. Die Bundesmittel als steuerfinanzierter Zuschuss zur gesetzlichen Pensionsversicherung steigt damit von 2,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts im Jahr 2020 auf 5,5 Prozent des BIPs im Jahr 2050 an. Auch das kein sehr nachhaltiges Modell. Im Gegenteil: Geht es so weiter, verschlimmert sich die Schieflage des Pensionssystems und künftige Generationen werden noch stärker belastet.

Dazu kommt, dass die demografische Entwicklung diese Säule der Altersvorsorge zusätzlich ins Wanken bringt. Denn die Gesellschaft wird zwar zunehmend älter. So wird der Anteil der Über-65-Jährigen bis 2050 von derzeit 19 auf knapp 28 Prozent steigen. Gleichzeitig stagniert das faktische Pensionsantrittsalter aber auf dem Niveau der 1970er-Jahre.

Gesellschaft überaltert 

Während 1950 auf eine Person im Pensionsalter noch sechs Personen im erwerbsfähigen Alter kamen, sind es heute nur noch drei Personen. Und 2040 werden es nur noch zwei sein. Österreich liegt damit deutlich unter dem OECD-Schnitt und hinter Ländern wie Deutschland, der Schweiz und Schweden. Und der Trend kennt diesbezüglich nur eine Richtung.

So prognostizieren Untersuchungen von Statistik Austria und der EU-Kommission ein weitestgehendes Stagnieren der Zahl der Erwerbspersonen zwischen 15 und 64 Jahre bei rund 4,5 Millionen Menschen bis ins Jahr 2060. Parallel wird aber der Teil der nicht -erwerbstätigen Bevölkerung von derzeit 2,9 Millionen auf – je nach Prognosemodell – 3,2 und 4,9 Millionen anwachsen. Der Druck auf das Pensionssystem steigt damit weiter.

Neue Regeln für Generationenvertrag  

Haben im Jahr 2017 für jede Pensionistin beziehungsweise jeden Pensionisten noch 1,7 Erwerbstätige ins System einbezahlt, werden es im Jahr 2050 nur noch 1,29 sein, hat eine Studie der Agenda Austria schon vor zwei Jahren ergeben. So fließen von jedem Euro, der vom Bruttogehalt als Sozialversicherungsbeitrag einbehalten wird, laut Wifo 57 Cent in die Pensionsversicherung.

„Das ist weder treffsicher noch langfristig leistbar, sondern gleicht einer Zeitbombe für die nächsten Generationen.“

Matthias Unger, Junge Industrie

Aber wie lassen sich die über die Jahre größer gewordenen Risse im sensiblen Gesamtgefüge des sogenannten „Generationenvertrags“ kitten? Die Industrie drängt auf Automatismen wie jährliche Anpassungen oder ein sukzessives Anheben des Pensionsantrittsalters, um den sich regelmäßig wiederholenden Verhandlungspoker zu stoppen und durch mehr Fairness und Transparenz zu ersetzen.

Plus 5,8 Prozent bei Pensionen

Als Grundlage für die aktuellen Verhandlungen dient der sogenannte „gesetzliche Anpassungswert“. Er errechnet sich aus den durchschnittlichen Inflationswerten von August 2021 bis Juli 2022. Die Statistik Austria kommt damit für 2023 auf einen Wert von plus 5,8 Prozent. „Dieser Pensionsrucksack ist schon schwer genug. Anstatt der Jugend noch mehr aufzubürden, müssen wir notwendige Reformen im Pensionssystem endlich angehen“, drängt Neumayer.

Die Teuerung und drohende Armutsfälle bei den PensionistInnen über spontane Eingriffe in das Pensionssystem abfedern zu wollen, seit laut IndustrievertreterInnen jedenfalls der falsche Weg. „Das ist weder treffsicher noch langfristig leistbar, sondern gleicht einer Zeitbombe für die nächsten Generationen“, mahnt der Vorsitzende der Jungen Industrie, Matthias Unger.

Zudem wird eine wirksame Integration von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ein Schließen von Frühpensionslücken gefordert. Dass Letzteres wirkt, hat das Ende der sogenannten „Hacklerregelung“ (eine abschlagfreie Form der Frühpension) bewiesen: Nach zehn Jahren der Stagnation ist im Vorjahr das Pensionsantrittsalter wieder gestiegen: bei Männern auf 61,8 Jahre, bei Frauen auf 59,8 Jahre – und damit jeweils ein halbes Jahr später als noch 2020.

Credits Artikelbild: adobe stock | chockniti

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