Wasserstoff

Wasserstoff als „Schweizer Taschenmesser“

„Das Schweizer Taschenmesser der grünen Energiezukunft“: Als solches wird Wasserstoff in der aktuellen Studie „Hydrogen on the Horizon: Ready, almost set, go?“ bezeichnet. Für den Ausbau einer kohlenstoffarmen Wasserstoffwirtschaft bis 2070 sind allerdings ein paar Rahmenbedingungen nötig.

In der von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in Zusammenarbeit mit dem World Energy Council (WEC) und dem Electric Power Research Institute (EPRI) erstellten Arbeit wird das Zukunftspotenzial dieses Energieträgers unter die Lupe genommen. Denn tatsächlich kann Wasserstoff ein umweltfreundlicher Kraftstoff der Zukunft sein, der auch in sonnen- und windarmen Zeiten zur Verfügung steht.

530 Megatonnen Wasserstoff bis 2070

Die richtige Technologie zur klimafreundlichen Gewinnung von Wasserstoff ist bereits
vorhanden.
In der industriellen Nutzung besteht hier noch großes Potenzial, die Nachfrage wächst daher stetig. Sie wird sich laut Studie bis zum Jahr 2070 sogar auf 530 Megatonnen erhöhen. Das wäre das Siebenfache des derzeitigen Bedarfs. Dabei wird der Straßen-Mobilitätssektor den größten Wasserstoff-Abnehmer darstellen, gefolgt von der Luftfahrt, der Stahl- und Chemieindustrie. Derzeit sind die größten Abnehmer Asien, mit einem Anteil von 48 Prozent, sowie Amerika (22 Prozent) und Europa (19 Prozent).

Wie aber lässt sich das Potenzial von grünem Wasserstoff vollständig ausschöpfen? Und was ist notwendig, um eine umweltschonende Wasserstoffwirtschaft bis zum Jahr 2070
aufzubauen? Die Studie der PwC hat vier Grundpfeiler eruiert, die es dafür braucht.

Mehr Nachfrage, schnellere Entwicklung

Erster Pfeiler: die Nachfrage nach Wasserstoff ankurbeln. Eine kohlenstofffreie Zukunft zu ermöglichen, ist natürlich für jede Branche erstrebenswert. Laut Studie kristallisieren sich aber einige Sektoren heraus, die durch ihre höheren Emissionen priorisiert werden könnten. So werden die Raffinerie-Industrie, die Stahlerzeugung, die Energiegewinnung im Allgemeinen sowie die Zementindustrie und der Transportsektor angeführt. Sektorenübergreifende Zusammenarbeiten sollen dabei die Dekarbonisierung besonders vorantreiben. Ein weiterer Push-Faktor wäre ein sinkender Preis für Grünstrom bei gleichzeitig ansteigendem Erdgas-Preis.

Wasserstoff
Energiefresser Raffinerie-Industrie? Mithilfe von Wasserstoff als Energieträger, rückt das Ziel einer kohlenstofffreien Zukunft jedenfalls in unmittelbare Nähe.Foto: Adobe Stock | industrieblick

Zweiter Pfeiler: kein „Verzetteln“ in einer Farbdebatte. Bis die Produktion von grünem
Wasserstoff in großem Maßstab verfügbar ist, kann sogenannter „blauer“ Wasserstoff als
Zwischenlösung fungieren, um ausreichend kohlenstoffarme Wasserstoffmengen zu
erzeugen. Dabei handelt es sich um Wasserstoff, der zwar aus Erdgas hergestellt, dessen
CO2 -Emission aber gespeichert wird.
Die StudienautorInnen warnen aber davor, die
„Farbdebatte“ zu sehr zu übertreiben, weil sie wichtige Innovationen und damit praktikable und kosteneffiziente Technologien hemmen könnte.

Eigenes Versorgungsnetz für Wasserstoff aufbauen

Dritter Pfeiler: Infrastruktur schaffen. Mit Wasserstoff kann grüne Energie endlich in großem Umfang gespeichert werden. Ein essenzieller Punkt ist daher die richtige Infrastruktur, um einen sicheren Transport zu ermöglichen. Möglich wäre es laut Studie, den Wasserstoff über die bereits bestehende Gasinfrastruktur zu transportieren. Laut Gasfernleitungsnetzbetreibern sei das teilweise bereits ohne größere technische Probleme möglich. Für die Zukunft wäre dieser Anteil allerdings zu gering, komplizierte Umbauarbeiten wären nötig.

Wasserstoff
Damit Wasserstoff sich in Zukunft tatsächlich durchsetzen kann, muss die Energieinfrastruktur ausgebaut werden – inklusive effektiver Speichermöglichkeiten.Foto: Adobe Stock | Malp

Kosteneffizienter wäre es, eine dedizierte Wasserstoffinfrastruktur zu haben. Dadurch
könnten regionale Leitungen rund um sogenannte Wasserstoffhubs errichtet oder sogar eine pan-europäische Wasserstoffinfrastruktur aufgebaut werden. Dieses 23.000 Kilometer lange Netz würde zu 75 Prozent aus existierenden Gasinfrastrukturen und zu 25 Prozent aus neuen Wasserstoffrohren bestehen. Die Kosten? Rund sechs Milliarden Euro.

Klare Ziele, strategische Förderungen

Vierter Pfeiler: regulatorische Rahmenbedingungen zur Marktstärkung. Es braucht
Wasserstoffstrategien mit klaren Zielen und einer begleitenden Förderkulisse. Dass dies
wichtig und vor allem möglich ist, zeigt ein Beispiel in Großbritannien. Die britische
Regierung hat sich das klare Ziel gesetzt, im Bereich der Offshore-Windindustrie weltweit
führend zu werden, indem sie Ziele definiert und Investitionen durch sogenannte Carbon
Contracts for Difference (CfDs), ein anderes Wort für Subvention, ermöglicht.

Und es funktioniert: Nachdem das Projekt Anfang der 2000er-Jahre startete, erreichte
Großbritannien im Jahr 2020 eine Offshore-Windkapazität von etwa 10 Gigawatt. Nun strebt die britische Regierung an, bis 2030 sogar 40 Gigawatt zu erreichen. Des Weiteren werden mannigfaltige Förderungen und auch die Einführung einer CO2 -Besteuerung als wirksame Maßnahmen zur Entwicklung eines Wasserstoffmarktes genannt.

Stehen wir also am Beginn eines „Wasserstoffjahrzehnts“? Wenn es nach der Studie der PwC geht, kann man das mit einem klaren „Ja“ beantworten. Demnach sei es wahrscheinlich, dass der noch junge Markt für kohlenstoffarmen – also „grünen“ – Wasserstoff mit der richtigen Unterstützung jetzt hochfahren und bis 2030 durchstarten wird.

GUT ZU WISSEN

  • Wasserstoff-Brennstoffzellen halfen bereits in den 60er-Jahren, den ersten Menschen zum
    Mond zu bringen.
  • Richtig in Gang kam die Umsetzung des Potenzials von Wasserstoff aber nie. Das änderte
    sich in den letzten Jahren. Die Notwendigkeit, unsere Kohlenstoffemissionen zu verringern
    oder gar auf Null zu setzen, brachte Wasserstoff wieder ernsthaft ins Spiel.
  • Die Studie beruht auf dem Review verschiedener Energieszenarien, PwC-Analysen und einer
    umfassenden Recherche des WEC zu nationalen Strategieentwicklungen.
  • Befragt wurden dazu 38 ExpertInnen aus 23 Ländern, auf die 61 Prozent der globalen
    Gesamtprimärenergieversorgung und rund 70 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts
    entfallen, darunter die USA, Japan, Südkorea, Deutschland und Frankreich.

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