Weinviertelleitung

Weinviertel: Neue Leitung für grünen Strom

Die neue „Weinviertelleitung“ der Austrian Power Grid AG (APG) ermöglicht es, die gesamte Windenergie Niederösterreichs österreichweit nutzbar zu machen.

Es ist ein wenig wie mit dem Blut, das durch die Adern eines Körpers fließt: Engpässe, Verstopfungen oder gar Unterbrechungen schaden den zu versorgenden Organen und sollten daher vermieden werden. Ähnlich verhält es sich mit Strom. Funktionieren Leitungen nicht, schwächt bis schadet das dem Gesamtorganismus. Der Vorteil bei Stromleitungen: Sie lassen sich erneuern. Das ist gerade in Niederösterreich passiert.

Um 200 Millionen Euro wurde bei der sogenannten „Weinviertelleitung“ alt gegen neu getauscht. Der Grund: Die Bestandsleitung war über 70 Jahre in Betrieb und den Anforderungen der Gegenwart, vor allem aber der Zukunft nicht mehr gewachsen. Die neue Leitung der APG wird künftig zwischen Seyring (Gemeinde Gerasdorf) und dem Umspannwerk in Neusiedl an der Zaya als leistungsstarke 380-kV-Leitung geführt.

Weinviertelleitung bringt Windenergie

Die beiden Orte liegen an der Verbindungsroute von Wien Richtung Brünn (Tschechien). Ab dem ebenfalls neu errichteten Umspannwerk Zaya „spaltet“ sich die Leitung auf: Einerseits gibt es eine Anbindung an das niederösterreichische 110-kv-Netz, andererseits ab dem Knotenpunkt eine neue 220-kV-Leitung Richtung Staatsgrenze. Die Weinviertelleitung ist damit ein zentraler Baustein der Energieversorgung für zahlreiche Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen in der Ostregion.

„Mit diesem Netzausbau wird die im Weinviertel produzierte Windenergie aber auch für ganz Österreich nutzbar“, streichen die beiden APG-Vorstände Gerhard Christiner und Thomas Karall die Vorteile der neuen Hochspannungsleitung heraus. Tatsächlich können über sie künftig bis zu 3.000 Megawatt erneuerbare Energie aus Niederösterreich ins überregionale Netz der APG eingespeist werden. Diese Anschlussleistung entspricht jener von acht Donaukraftwerken. „Die Weinviertelleitung ist damit essenziell für die energiewirtschaftliche Leistungsfähigkeit Österreichs und eine Voraussetzung für die weitere Integration von Wind- und Sonnenenergie“, betont das EVN-Vorstandsduo Stefan Szyskowitz und Franz Mittermayer.

Weniger Masten, kürzere Leitung

Die Planungen an dem Projekt hatten 2016 begonnen, konkreter Baustart war im Herbst 2019 – wobei es sich nicht nur um einen Ausbau, sondern genaugenommen auch um einen Abbau gehandelt hat. Denn die neue Leitung kommt mit 53 Masten weniger aus und ist um 15 Kilometer kürzer als die alte. Möglich ist das, da die ersten elf Kilometer der alten Leitung ersatzlos demontiert werden konnten, weil die neue mit einer bereits bestehenden Leitung verknüpft und dort eingespeist wird. Dazu kommt ein optimierter Trassenverlauf etwas weiter westlich durch unbesiedeltes Gebiet.

Weinviertelleitung_Umspannwerk
Das neue Umspannwerk der Weinviertelleitung: Energie aus den Windrädern wird hier eingespeist und kann österreichweit verteilt werden.Foto: APG | Sonja Kadlec

Die Dimensionen des Projekts sind dennoch beeindruckend. 202 Masten verteilen sich auf einer Länge von 62 Kilometern. Die beiden 380/110-kv-Trafos im APG-Umspannwerk in Neusiedl an der Zaya sind knapp dreizehn Meter lang und zehn Meter hoch und wiegen jeweils rund 300 Tonnen. Kostenpunkt: rund vier Millionen Euro pro Anlage. Die Riesentrafos wurden per Zug vom Siemenswerk in Weiz nach Hohenau an der March gebracht.

Monatelange Millimeterarbeit

Vom Bahnhof ging es die letzten rund zehn Kilometer per Sondertransport über den Straßenweg. Allein das Abladen dauerte einen halben Tag. Anschließend wurden sie mithilfe von Führungsschienen Millimeter für Millimeter auf ihre Fundamente gezogen. Die Montage bis zur endgültigen Inbetriebnahme dauerte mehrere Monate. Insgesamt entstanden in der Bauphase 2.100 Arbeitsplätze, davon fast 600 direkt in Niederösterreich.

Die „Weinviertelleitung“ gilt aufgrund der schnellen Umsetzung von der Planung bis zur Inbetriebnahme und ihrer Leistungsdaten als Musterbeispiel und wichtiger Baustein, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele zu erreichen. Projekte ähnlicher Art und mit vergleichbarer Bedeutung für die Versorgungssicherheit und den Wirtschaftsstandort lassen dagegen bereits Jahre auf sich warten. „Damit legen wir uns unnötige Steine in den Weg hin zu unseren Klimazielen“, kritisiert Peter Koren, Vizegeneralsekretär der Industriellenvereinigung, die zähen Genehmigungsverfahren und mahnt: „Wenn wir die erste Etappe in den verbleibenden acht Jahren erreichen möchten, müssen wir diese Steine schleunigst beseitigen und dringend einen Zahn zulegen.“

GUT ZU WISSEN

  • Die Austrian Power Grid (APG) steuert als Stromnetzbetreiberin das überregionale Stromtransportnetz. Sie betreibt ein Leitungsnetz mit einer Gesamtlänge von rund 3.400 Kilometer. Zum Vergleich: Die Außengrenzen Deutschlands sind 3.700 Kilometer lang.
  • Bundesweit investierte die APG allein im Jahr 2021 rund 357 Millionen Euro in den Aus- und Neubau der Netzinfrastruktur. Bis 2031 werden es rund 3,5 Milliarden Euro sein.
  • Für den Transport und die Verteilung von Strom in Niederösterreich verfügt „Netz NÖ“, die Tochtergesellschaft des Landesenergieversorgers EVN, über ein Leitungsnetz mit einer Gesamtlänge von rund 53.100 Kilometer Mittel- und Niederspannungsleitungen und ca. 1.406 Kilometer 110-kV-Leitungen.
Credits Artikelbild: APG | Sonja Kadlec

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