Impfung

Wie Betriebe die Impfquote erhöhen können

Pflicht oder Prämien? Lotterie oder Lockdown? Mit stockendem Erfolg versucht der Staat, die Impfquote in die Höhe zu treiben. Was können Unternehmen machen, um die Impfbereitschaft unter MitarbeiterInnen zu erhöhen?

Der erhoffte Anstieg blieb aus: Die Impfquote hat auch durch verschiedenste staatliche Anreizmodelle oder Zutrittsverbote (für Ungeimpfte) noch nicht die von ExpertInnen erwünschte Höhe erreicht. Damit coronabedingte Quarantänemaßnahmen oder Krankenstände nicht vorübergehend zu Personalmangel beziehungsweise Produktionsausfällen führen, greifen daher auch Unternehmen zu Geldprämien oder anderen Belohnungssystemen für impfwillige MitarbeiterInnen. 

Aber ist das auch sinnvoll? Welche Maßnahmen können die Impfbereitschaft tatsächlich erhöhen? Wie hoch müssen Bonuszahlungen sein? Warum können Anreize auch Ärger erzeugen? Und welche Aktionen bergen die Gefahr, zu verpuffen oder ein nachhaltiges Anspruchsdenken zu bewirken? Die Verhaltensökonomin und Psychologin Katharina Gangl gibt Tipps und erklärt die Denkmuster hinter den Handlungen.

Impfquote: Zwei Arten der Motivation

Die Vorteile einer hohen Impfquote unter der Belegschaft liegen nach heutigem Stand der Wissenschaft auf der Hand: Weniger MitarbeiterInnen fallen aufgrund von Quarantänebestimmungen oder Krankenständen aus. Die Schlagkraft des Betriebs bleibt erhalten. Das bringt nicht nur einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der von Corona-Einschränkungen betroffenen Konkurrenz, sondern ist auch ein gesellschaftlicher Beitrag zur Pandemiebekämpfung.

Katharina Gangl kennt aber auch die individuellen Motive hinter der Impfbereitschaft. Die Wissenschafterin der Universität Wien spricht von „intrinsischer“, also von einer aus sich selbst kommenden Motivation: Man ist von der Impfung überzeugt, freut sich, dass es sie gibt und lässt sich impfen. Es gibt aber auch die „extrinsische“ (von außen kommende) Motivation: Man lässt sich impfen, um sich eine Belohnung (Geld, Zutrittserlaubnis) zu sichern. Je nach Zielpublikum können die beiden Anreizsysteme unterschiedlich wirken. Sie können sich verstärken, neutralisieren, sich aber auch gegenseitig abschwächen bis zerstören.

Lob als Motivations-Booster

Gangl liefert ein Beispiel: „Habe ich mich zunächst freiwillig impfen lassen und bekomme plötzlich Geld dafür, kann es sein, dass ich auch künftig dafür Geld haben möchte.“ – Der extrinsische Motivator (Geld) hat die intrinsische Motivation also zerstört. Extrinsische Motivatoren, die zufällig (Lotteriegewinn, Zufallskontrollen) und immateriell (zusätzliche Urlaubstage, Gutscheine) sind, wirken sich dagegen weniger negativ auf die intrinsische Motivation aus, gibt die Wissenschafterin zu bedenken.

Auch einmalige Bonuszahlungen wirken weniger negativ auf die intrinsische Motivation als permanente Prämien. Gangl verweist aber vor allem auf die Wirkkraft von – echtem, ehrlichen und authentischem – Lob als vertrauensbildende Maßnahme. „Damit kann man sogar intrinsische Motivation aufbauen. Und es kostet nicht viel.“

Was bringt Zwang?

Bei der konkreten Umsetzung kann man als Unternehmen – wie auch der Staat – entweder einen niederschwelligen Zugang oder die Variante „Zwang“ wählen. Eine Verpflichtung lässt sich über die Hausordnung oder den Arbeitsvertrag durchsetzen. Das hat den Vorteil, dass ImpfskeptikerInnen, die ihre Meinung ändern, es aber nicht zugeben wollen, ohne Gesichtsverlust impfen lassen können. Nachteilig für die Unternehmer kann sein, dass sich die Situation radikalisiert, Mitarbeiter das Gefühl haben, ihre eigene Freiheit werde eingeschränkt, und sie kündigen.  

Ein niederschwelliger Zugang – keine Anmeldung, keine Wartezeiten, Impfaktionen im Betrieb – erfordert zwar einen vergleichsweise hohen logistischen und bürokratischen Aufwand, funktioniert aber nach der Formel „je einfacher, desto besser“, sagt Gangl. Auch persönlich gehaltene Einladungen und Erinnerungen erhöhen die Motivation. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Impfquote um bis zu zehn Prozent erhöht, wenn bereits ein konkreter Impftermin mitgeliefert wird.

Vom Aktionismus zum Automatismus

Auch Impfprämien oder Anreizsysteme wie Lotterien müssen gut überlegt sein „Derartige Belohnungen sind gut, wenn man kurzfristig etwas erreichen will“, bestätig Gangl. Sie bringen aber weniger, wenn in einem Unternehmen die Impfquote ohnehin schon sehr hoch ist. Außerdem: Prämien können ein Anspruchsdenken erzeugen, dass es sie in Zukunft immer gibt. Außerdem müssen sie eine relevante Höhe haben. Diese Schwelle kann je nach Unternehmen oder Grundverdienst unterschiedlich hoch liegen.

Zudem können Zahlungen auch als Angriff auf die Moral interpretiert werden, warnt die Verhaltensökonomin. Der diesem Ärger zugrunde liegende Gedanke: „Was bilden die sich ein, ich lasse mir doch nicht meine Werte abkaufen!“ Derartige Interpretationsspielräume zeigen die Notwendigkeit begleitender vertrauensbildender Maßnahmen, sagt Gangl. Was es braucht? „Eine ideologie- und emotionsfreie sowie wertschätzende Kommunikation und ein breites begleitendes Aufklärungs- und Informationsangebots.“ 

Credits Artikelbild: adobe stock | shintartanya

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