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Wienerberger: Riesenrohre gegen Naturkatastrophen

Der Ziegelkonzern Wienerberger setzt auf Innovation und Nachhaltigkeit. Dafür scannen Elektromikroskope Hauswände und digitalisierte Pumpstationen liefern Daten für das Wassermanagement von Städten.

Häuser unter Wasser, überschwemmte Straßen, Bäche, die zu reißenden Flüssen anschwellen. Entwurzelte Bäume, zerstörte Gebäude, „ertrunkene“ Fahrzeuge. Die Unwetter der letzten Wochen brachten Schäden in Millionenhöhe. Aber auch die Grenzen der Versorgungsinfrastruktur wurden aufgezeigt: Gekappte Strom- und Telefonleitungen, mit den Wassermassen überforderte Rohrleitungen und Kanalsysteme waren die Folge. 

„Die Unwetter haben gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Wassermanagement ist“, sagt Heimo Scheuch, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG. Das Traditionsunternehmen mit Stammsitz in Wien ist nicht nur der größte Ziegelproduzent weltweit und Marktleader bei Tondachziegeln in Europa, sondern zählt auch bei Rohrsystemen zu den führenden Anbietern in Europa.

Größte Rohrproduktion in Nordeuropa

Gestärkt wurde diese Position zuletzt durch geschäftliche Aktivitäten am skandinavischen Markt. So baut Wienerberger das Pipelife-Werk in Schweden zur größten Rohrproduktionsstätte Nordeuropas aus. Mehr als doppelt so groß wie bisher und mit dreifacher Produktionskapazität wird das neue Flaggschiff-Werk nach der Fertigstellung Mitte 2023 die größte Rohrfabrik in der Region sein. In Finnland errichtet Wienerberger indes einen weiteren Standort für Spezialprodukte wie Pumpstationen, Schächte und Tanks. Bereits vor zwei Jahren hat man zwei dänische Ziegelhersteller übernommen.

Wienerberger CEO Scheuch
Wienerberger-Vorstandschef Heimo Scheuch: „Wir haben Lösungen für den Klimawandel.“Foto: Wienerberger

Durch die Lage des schwedischen Werks in Ljung, rund 90 Kilometer östlich von Göteborg, können Metropolen wie Stockholm, Kopenhagen, Oslo und Helsinki mit modernster Rohrtechnologie versorgt werden. Die Anforderungen sind überall dieselben: Adäquate Produkte für organisch wachsende Siedlungsgebiete anbieten und Menschen und Sachwerte langfristig vor durch den Klimawandel bedingten Schäden bewahren. 

Rohre mit 3,6 Meter Durchmesser

Dafür braucht es eine Infrastruktur, die auf das Wachstum urbaner Zentralräume und auf große Wassermengen ausgelegt sowie Starkregenereignissen gewachsen ist, umreißt CEO Heimo Scheuch die Stoßrichtung. Mit noch größeren Rohrdurchmessern – bis zu 3,6 Meter Durchmesser – und größeren Rückstaukanälen sowie fernüberwachten, digitalisierten Pumpstationen stellt Wienerberger ganzheitliche Lösungen bereit, die auf diese Bedürfnisse zugeschnitten sind. In diesem Bereich erfolgten auch die jüngsten Expansionsschritte in England und Irland, wo Unternehmen übernommen wurden, die sich auf Regenwassermanagement (Ableitung, Reinigung, Lagerung, Aufbereitung als Brauchwasser) spezialisiert haben.

Das Potenzial ist groß, wenn zuletzt auch Corona Spuren in Form von Rohstoffengpässen hinterlassen hat. Im konkreten Fall betraf es Plastikgranulat, das für die Rohrproduktion notwendig ist. „Wir konnten aber zeitgerecht und in vollem Umfang liefern“, betont Scheuch. Als Erfolgsrezept nennt er langfristige Lieferverträge im Bereich der Energieversorgung und „operativ lokal gesteuerte Lieferketten“.

1,9 Milliarden Euro Umsatz 

„Wir haben Lösungen für den Klimawandel.“ Scheuchs Ansage bei der Präsentation der letzten Halbjahresbilanz war hörbar mit Stolz unterlegt. Auch, weil er neue Rekordzahlen vermelden konnte. Mit fast 1,9 Milliarden Euro Umsatz – plus 14 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr – liegt man bereits über Vorkrisen-Niveau. „Schuld“ daran ist vor allem auch das Stammsegment: Die Nachfrage nach Ziegel wächst nach der Corona-Delle wieder, sowohl im Bereich Neubau als auch bei Renovierungen und thermischen Sanierungen in den Kernmärkten Nordamerika und Europa.

Wienerberger Sanierung
Neubauprojekte und thermische Sanierungen von Altbestand ließen die Nachfrage nach Wienerberger-Produkten und die Umsatzzahlen des Konzerns in die Höhe wachsen.Foto: Wienerberger

Dazu kommen interne Prozessoptimierungen durch Digitalisierung und Innovationen. Zwei Beispiele: Durch ein Wärmepumpensystem zwischen Trocknen und Brennen der Ziegel können in sämtlichen 160 Ziegelwerken bis zu 80 Prozent der Energie eingespart werden. Und um die energetische Effizienz von Wänden zu untersuchen, kommen eigens entwickelte Elektromikroskope zum Einsatz.

100 Prozent Recycling und Sonderschichten

Zudem liegt bei sämtlichen Maßnahmen der Fokus auf Nachhaltigkeit. So sollen binnen der nächsten beiden Jahre sämtliche Komponenten im Produktportfolio recyclebar sein, kündigt Scheuch an. Bislang sind es bereits rund 80 Prozent. Bis 2023 will man so aus eigener Kraft den CO2-Ausstoß um 15 Prozent senken.

Generell will Wienerberger sich als Komplettanbieter positionieren. Denn Wasserversorger und Stadtverwaltungen kämpfen mit der zunehmenden Komplexität im Bereich Digitalisierung und beim Management ihrer Infrastrukturnetze. In „smarten Lösungen“, die nicht nur die Anlagen selbst, sondern auch Software und entsprechenden Cloud-Services umfassen, liege daher ein enormes Marktpotenzial, so Scheuch.

In der Ziegelproduktion ist schon jetzt von Krise nichts mehr zu spüren. Die während der Rezession 2009 eingemotteten Werke laufen längst wieder auf Hochtouren. Aufgrund der großen Sachfrage in einigen Ländern fahre man sogar Sonderschichten.

GUT ZU WISSEN

  • Die Wurzeln von Wienerberger reichen bis ins Jahr 1819 zurück. Damals erwarb der niederösterreichische Bauingenieur Alois Miesbach die staatliche Ziegelei am Wienerberg im Süden Wiens.
  • 200 Jahre später hat die Wienerberger AG gruppenweit 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 201 Produktionsstandorten in 29 Ländern und gilt als weltgrößter Ziegelproduzent.
  • In den 1990ern expandierte das Unternehmen nach Osteuropa, Großbritannien, Frankreich und in die Beneluxstaaten. Der Markteintritt in Nordamerika machte Wienerberger zum Global Player. 2009 wurde ein Werk in Indien eröffnet.
  • Nach einem anfänglichen Joint Venture übernahm Wienerberger 2012 den Kunststoffrohrspezialisten Pipelife zur Gänze, zwei Jahre später den österreichische Dachziegelhersteller Tondach Gleinstätten.
  • 2019 erwirtschaftete die Wienerberger-Gruppe einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro.
Credits Artikelbild: Wienerberger

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