Strom aus Wind zu erzeugen ist eine österreichische Erfindung. Heute macht allein die heimische Zulieferindustrie für den Windenergiemarkt jährlich einen Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Vielfach sind österreichische Unternehmen Weltmarktführer.
Und plötzlich muss die Geschichte umgeschrieben werden. Zumindest die der Windenergie. Denn die Annahme, dass es entweder der Franzose Charles de Goyon oder der Schotte James Blyth war, der 1886 weltweit zum ersten Mal mittels Windkraft Strom erzeugte, stimmt offensichtlich nicht. Die Pionierrolle steht einem Österreicher zu.
Laut einer Anfang August wiederentdeckten Zeichnung in einer Wochenzeitschrift des österreichischen Ingenieurs- und Architektenvereins war demnach weltweit Josef Friedländer der Erste, der mit einer Windkraftanlage Strom erzeugte. Er präsentierte eine entsprechende Turbine im Jahr 1883 auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in Wien.
Davor nutzte man die Kraft des Windes zwar zum Wasserpumpen oder Getreidemahlen, als Stromquelle galt Friedländers Konstruktion aber als Innovation. Mittlerweile stammen weltweit zwölf Prozent der Stromproduktion aus Wind- und Solarkraft. In der EU waren es im vergangenen Jahr sogar 22 Prozent. Tendenz: steigend – 2015 lag der Anteil bei 13 Prozent.
Windenergie aus 1371 Anlagen
Die wachsende Zahl an Anlagen treibt naturgemäß auch die Produktionsmenge in die Höhe. Und so lieferten im heurigen Juni – vor allem dank neuer großer Windparks in China, den USA und Marokko – alle weltweit aktiven Windkraftanlagen erstmals eine Erzeugungsleistung von über einem Terawatt – was laut Global Wind Energy Council der Kapazität von mehreren hundert Kernkraftwerken entspricht.
In Österreich haben die insgesamt 1.371 Windkraftanlagen zuletzt 8,2 Milliarden Kilowattstunden Strom für 2,3 Millionen Haushalte produziert. Allerdings gibt es dabei ein sehr starkes Ost-West-Gefälle. So stehen in Niederösterreich 762 und im Burgenland 445 Anlagen, in Tirol und Vorarlberg keine einzige. Insgesamt liefern sie elf Prozent des österreichischen Stromverbrauchs.
WIE FUNKTIONIERT EINE WINDKRAFTANLAGE?
- Ein Windrad nutzt die im Wind enthaltene Leistung und wandelt diese in elektrische Energie um.
- Das funktioniert, indem der Wind den Rotor in Drehung versetzt und den Wind in mechanische Energie umwandelt.
- Entscheidend für die Leistung ist die Höhe des Windrads. Denn in den bodennahen Schichten ist unter anderem wegen der vielen Hindernisse (Häuser, Bäume,…) die Luft sehr turbulent. Weiter oben bläst der Wind konstant und gleichmäßig. Daher baut man Windräder möglichst hoch.
- Mit jedem Meter, den ein Windrad höher gebaut wird, steigt der Stromertrag um ein Prozent.
- Mit einer Verdoppelung der Flügellänge steigt der Ertrag um das Vierfache.
- Die doppelte Windgeschwindigkeit erzeugt den achtfachen Ertrag, rechnet die IG Windkraft vor.
- Diese „Dreh-Energie“ wird dann mit Hilfe eines Generators in elektrische Energie umgewandelt.
- Von dort aus fließt die elektrische Energie ins Stromnetz.
Begonnen hat die Nutzung der Windenergie in Österreich vor 30 Jahren. Schon früher haben jedoch heimische Industriebetriebe das Potenzial erkannt und entsprechende Anlagen im Ausland mit Bauteilen beliefert. Heute gibt es rund 180 Zulieferer und Dienstleister, die in der Windenergie tätig sind – darunter auch Weltmarktführer.
Weltmarktführer aus Österreich
So sind in jeder dritten Anlage weltweit Automatisierungssysteme von Bachmann Electronic aus Vorarlberg verbaut. Es ist Ergebnis einer strategischen Neuausrichtung: „Im Jahr 2000 haben wir uns bewusst für das Thema erneuerbare Energie mit Schwerpunkt Wind als gesondert zu entwickelnde Zukunftsbranche entschieden. Heute sind wir in diesem Segment Weltmarktführer in Sachen Automatisierungstechnologie“, ist Geschäftsführer Bernhard Zangerl stolz.
Ähnliches hört man bei NKE in Steyr. „Der vor drei Jahren eingeleitete strategische Fokus auf nachhaltige Technologien wie Windkraft und Schienenverkehr fruchtet nun“, freut sich Geschäftsführer Matthias Ortner. NKE liefert Wälzlager für Getriebe und Generatoren in Windkraftanlagen.
Weltspitze im Segment innovativer Antriebsstranglösungen ist das Salzburger Familienunternehmen Geislinger. Entwickelt werden maßgeschneiderte Kupplungen, Dämpfer und Wellen, unter anderem auch für Windkraftanlagen. Sie kommen auf den weltweit größten Windturbinen zum Einsatz, sind unempfindlich gegenüber Kälte, Wasser und Salz.
Generatoren für Offshore-Anlagen
Als der führende Hersteller von Basismaterial für die riesigen Rotorblätter weltweit gilt Hexcel Composites aus Neumarkt, wo 200 der weltweit 6.000 Mitarbeiter:innen des Konzerns beschäftigt sind. Produziert werden leichte, bewährte, glas- und kohlefaserverstärkte Epoxidharz-Verbundwerkstoffe mit hoher Ermüdungsbeständigkeit. Sie sind für die Konstruktion der Rotorblätter erforderlich.
SKF Sealing Solutions Austria mit Sitz in Judenburg gilt wiederum als Kompetenzzentrum für gedrehte industrielle Dichtungen, die unter anderem in den Hauptlagern von Windkraftturbinen zum Einsatz kommen. In gleich neun von zehn Windkraftanlagen sind Hochspannungswiderstände von EBG, einem Tochterunternehmen der Miba-Gruppe aus Oberösterreich, installiert, und Elin Motoren im oststeirischen Weiz produziert seit Jahren Generatoren für Offshore-Windkraftanlagen. Erst im vergangenen Jahr gab es in diesem Segment den größten Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte.
Spezialtransporter für Riesenteile
Der Salzburger Kranhersteller Palfinger ist ebenfalls auf hoher See vertreten – und zwar mit hydraulischen Hebebühnen. Sie können beim Verladen schwerer Güter von Schiffen auf die schwimmenden Windkraftanlagen die anbrandenden Wellen ausgleichen. Für Transporte an Land hat das aus Oberösterreich stammende, auf Sonder- und Schwertransporte spezialisierte Logistikunternehmen Felbermayr Fahrzeuge mit eigenen Adaptern für den Transport von Windflügeln beziehungsweise Turmsegmenten in seiner Flotte.
Die gesamte Windbranche mit Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen bietet rund 5.000 Beschäftigten in Österreich einen Arbeitsplatz. Laut IG Windkraft bringt die Errichtung einer Windkraftanlage mit fünf Megawatt Leistung in Österreich heimischen Firmen ein Auftragsvolumen von ungefähr 3,2 Millionen Euro. Während der 20-jährigen Lebensdauer kommen noch rund 5,2 Millionen Euro für Wartung und Betrieb dazu. Die aus dem Wind generierte Wertschöpfung ist damit mehr als nur ein laues Lüfterl.