AT&S Mikroelektronik Produktion

Winzige Chips mit großem Wachstumspotenzial

43 Milliarden Euro will die EU in den Auf- und Ausbau ihrer Mikroelektronik-Industrie investieren. Klingt viel, ist im Vergleich mit den USA und vor allem Asien aber wenig. Zu wenig?

Sie stecken überall drinnen: in Smartphones, Bankomat- und Kreditkarten, in Kraftwerken, Autos und Fabrikanlagen, Flugzeugen und Kaffeemaschinen. Ohne mikroelektronische Bauteile wäre der Alltag in den meisten Teilen der Erde nicht mehr vorstellbar.

Insgesamt kommt allein die Chip-Industrie auf ein Weltmarktvolumen von rund 560 Milliarden Euro. Da die winzigen Teile in große Anwendermärkte hinein ausstrahlen, ergibt sich hochgerechnet ein Anteil von 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, rechnet Sabine Herlitschka, Vorstandschefin von Infineon Austria, vor.

Somit ist die Mikroelektronik zu einer Schlüsseltechnologie geworden – mit allen Schattenseiten. Beispielsweise herrscht ein massives Ungleichgewicht, was die globalen Produktionskapazitäten angeht. Die größten Mikrochiphersteller kommen entweder aus Asien (Südkorea, Taiwan) oder aus den USA. Allein der Weltmarktführer TSMC aus Taiwan produziert die Hälfte des Weltmarkts.

CHIPS-PRODUKTION

Ein Chip besteht aus Leiterbahnen, die auf das Trägermaterial Silizium aufgebracht werden. Um diese hauchdünne Schicht mit den Schaltkreisen zu versehen, werden in mehr als tausend Produktionsschritten rund 400 Chemikalien und 50 verschiedene Apparate benötigt.

Europäische Produzenten? Keine unter den Top Ten. Das schafft Abhängigkeiten und Verletzbarkeit, spürbar zuletzt während der Corona-Pandemie: Lieferketten wurden brüchig, die Versorgung mit Chips brach in manchen Branchen zusammen, Produktionen mussten gedrosselt werden oder standen überhaupt still.

43 Milliarden Euro für Mikroelektronik

Nicht erst diese Malaise hat vor allem in Europa die Alarmglocken schrillen lassen und auf politischer Ebene zu hektischer Betriebsamkeit geführt. Das Ergebnis: der European Chips Act, ein 43 Milliarden schweres Förderpaket, das europäischen Herstellern unter die Arme greifen und damit den Marktanteil ihrer Produkte bis 2030 von zehn auf zwanzig Prozent heben soll.

„Das ist viel zu klein gedacht“, monierte zuletzt AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer beim Exporttag in Wien. Ein Vergleich macht das augenscheinlich. Die USA investieren 280 Milliarden Euro, 52 davon in die Investitionsförderung, der Rest in Technologieentwicklung und Innovation. In Asien sind es sogar 700 Milliarden Euro. Allein Südkorea hat vor zwei Jahren angekündigt, 400 Milliarden Euro für Förderungen mobilisieren zu wollen, in China sind es 130 Milliarden.

Klotzen statt Kleckern

Angesichts dessen, so Gerstenmayer, sei es illusorisch, in einer diversifizierten Industrie wie der Mikroelektronik mit ihren komplexen Lieferketten an eine „Deglobalisierung“ zu glauben, also daran, wesentliche Teile nach Europa zurückholen zu können. Vielmehr müsse man sich darauf konzentrieren, Stärkefelder zu besetzen, weiterzuentwickeln und zu verteidigen. Die Mikroelektronik ist längst ein strategisches Kernprodukt geworden.

Mikroelektronik Größenvergleich
Mikroelektronik im Größenvergleich: Die winzigen Bauteile sind ständige Begleiter im Alltag, vom Smartphone über die Kaffeemaschine bis zum Auto und der Kreditkarte.Foto: adobe stock | Giedrius

Um gegenüber der internationalen Konkurrenz nicht ins Hintertreffen zu geraten, „dürfen wir daher nicht kleckern, sondern müssen richtig klotzen“, drängt Infineon-Vorstandschefin Sabine Herlitschka und bedauert: „In Europa sind wir diesbezüglich aber meist sehr defensiv.“

Österreich an OECD-Spitze

Herlitschka verweist auf Österreichs Anteil in Nischen für Spezialanwendungen in der Halbleiterindustrie. Sie nennt Sicherheitslösungen, Sensorik und Leistungselektronik als Beispiele für europäische Stärkefelder, die auch für die Umsetzung des Green Deals wesentlich seien. Dazu kommen Packaging-Lösungen wie jene von AT&S. „Da sind andere von uns abhängig“, verweist sie auf Technologieführerschaft heimischer Unternehmen.

Stellt man einen internationalen Vergleich an, kommt dem Land nämlich seine verhältnismäßig geringe Einwohner:innenzahl zugute. So liegt der Beitrag der Halbleiterindustrie an der nationalen Wertschöpfung, bei der Beschäftigung sowie bei Investitionen in Forschung und Entwicklung – hochgerechnet auf die Pro-Kopf-Quote – an der Spitze der OECD-Länder.

China als Supermacht

Auf europäischer Ebene müsse man sich indes überlegen, in welche Anwendungen und in welche Technologien man investieren will, um global führend zu werden. Aktuell sei Europa in keinem der wesentlichen Abschnitte der Wertschöpfungskette führend. Ziel müsse es daher sein, so Gerstenmayer, Innovationszentren im höchsten Technologiesegment hier anzusiedeln. „Wir müssen da Europa ein Stück weiterdenken“, mahnt er.

An Nachfrage wird es im digitalen Zeitalter angesichts des rasant wachsenden Bedarfs in der Autoindustrie (Elektromobilität, autonomes Fahren) und Energiewirtschaft (Solarzellen) jedenfalls nicht mangeln. Ein Problem bleibt: China hat nicht nur Zugriff auf die dafür notwendigen Rohstoffe, sondern kann sich seine Lieferketten über seine Marktmacht auch selbst aufbauen.

GUT ZU WISSEN

  • Eine Billion Mikrochips wurden allein im Jahr 2020 weltweit hergestellt. In Taiwan, Singapur und Südkorea werden 75 Prozent aller Chips produziert. Der EU-Anteil beträgt nur zehn Prozent.
  • In Österreich arbeiten rund 65.000 Beschäftigte in fast 200 Unternehmen in der Elektronikbranche.
  • AT&S mit Hauptsitz in Leoben entwickelt (in Österreich) und produziert (in Asien) sogenannte IC-Substrate. Das sind Verbindungsstücke zwischen Halbleitern (Chips) und Leiterplatten.
  • Infineon produziert in seinem Werk in Villach Halbleiterchips und forscht und entwickelt an drei Standorten (Villach, Graz, Linz) an neuen Technologien.
Credits Artikelbild: AT&S

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