Gmundner Keramik

Wir haben alle (diese) Tassen im Schrank!

Egal ob gestreift oder gepunktet: Viele Österreicher:innen verbinden die Gmundner Keramik aus dem Salzkammergut mit schönen Kindheitserinnerungen. Was dieses Stück österreichische Tischkultur so beliebt und zeitlos macht, fragen wir Marketingleiterin Eva Böhnisch.

Macht man in einem beliebigen Haushalt in Österreich das Küchenschränkchen auf, sind die Chancen ganz schön groß, ein Stück Keramik aus dem Salzkammergut zu finden. Denn das weiße Geschirr mit den grünen oder blauen Pünktchen und Streifen hat sich zu einem Synonym für heimische Tischkultur entwickelt – und das bereits seit unglaublichen 500 Jahren. Die Rede ist von Gmundner Keramik, die 1492 erstmals urkundlich erwähnt wurde und sich bis heute zu einer der größten Keramikmanufakturen Mitteleuropas entwickelte. Immerhin legen Umfragen nahe, dass 50 % aller Haushalte zumindest ein Stück Gmundner Keramik besitzen. Ihr Bekanntheitsgrad: 87 %.

Von Massenware ist das heimische Traditionsunternehmen aber dennoch meilenweit entfernt. Produziert wird nämlich seit dem Jahr 1843 an ein und demselben Standort im Salzkammergut. Rund 115 Beschäftigte schaffen hier bis zu 5.000 Stück Keramik pro Tag. Und nur 25 von ihnen dürfen als „Kerammaler:innen“ das traditionsreiche Handwerk des Flammens ausüben. Ein seltener Lehrberuf, der fest in Frauenhand ist. Immerhin, einen männlichen Kerammaler gibt es bei Gmundner Keramik.

Aber was macht nun den Zauber dieser beliebten Unikate aus, die so viele Menschen schon seit Jahrzehnten im Küchenschrank stehen haben? Wir sind ins Salzkammergut gereist und haben mit Gmundner Keramik-Marketingleiterin Eva Böhnisch gemeinsam über den Tellerrand geschaut.

Frau Böhnisch, viele von uns kennen Geschirr von Gmundner Keramik von den Großeltern oder Eltern. Aber auch immer mehr Junge kommen wieder auf den Geschmack und holen sich Gmundner in ihre modernen Wohnungen. Woran liegt es, dass dieses Design so zeitlos und beliebt ist hierzulande?

Eva Böhnisch: Unser Geschirr ist häufig mit sehr vielen schönen Erinnerungen aus Kindheitstagen verbunden. Wir verfolgen keine Trends, sondern setzen auf unsere Ikonen, die wir immer wieder neu interpretieren. Gmundner Keramik kauft man nicht aus einem Impuls heraus, sondern man kauft Geschirr für das ganze Leben.

Eva Böhnisch Gmundner Keramik
Auch Marketing-Leiterin Eva Böhnisch verbindet Gmundner mit Kindheitserinnerungen.Foto: Gmundner Keramik

Und alte Werte spielen eine immer größere Rolle im aktuellen Zeitgeist …

Eva Böhnisch: In den letzten Jahren spielen Themen wie Nachhaltigkeit und Regionalität eine sehr große Rolle. Bei uns wird jedes Stück bis heute von Hand und ausschließlich in Gmunden produziert.

Wie viel Arbeit steckt beispielsweise in einem Gmundner-Teller?

Eva Böhnisch: Von der Rohware bis zum perfekten Teller benötigt es über 60 einzelne Handgriffe und zehn verschiede Fertigungsschritte. Jedes Stück wird zweimal für zwölf Stunden gebrannt und von Hand bemalt. Gut Ding braucht eben Weile.

Was macht die Kunsthandwerkstechnik „Flammen“ so besonders?

Eva Böhnisch: Im 17. Jahrhundert begann man in Gmunden, weiße Keramiken mit stilisierten Blumen und abstrakten Mustern zu bemalen. Auf ganz spezielle Weise, in grüner Farbe. Das war die Geburt des Flammens. Dieses besondere Handwerk wurde 2021 sogar zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe ernannt. Es macht uns besonders stolz, die Träger:innen dieses Handwerks in unserem Haus zu haben und diese alte Technik an die nächsten Generationen weiterzugeben. Gmundner Keramik ist weltweit die einzige Manufaktur, die dieses Handwerk noch ausübt.

Das sogenannte „Flammen“ ist ja sogar ein Lehrberuf – wie viele Menschen melden sich pro Jahr für das Erlernen dieser Kunstfertigkeit an?

Eva Böhnisch: Bei uns kann man den Lehrberuf Kerammaler:in ergreifen, in dem man innerhalb von zwei Jahren auch das Flammen erlernt. Aktuell bilden wir sechs Kerammalerinnen aus und suchen aktuell noch einen Lehrling.

In seiner langen Geschichte fokussierte sich das Unternehmen anfangs auf figurale Kunst. 1968 legte man das Hauptaugenmerk dann auf die Fertigung von jenem hochwertigen Tischgeschirr, für das Gmundner Keramik heute weltbekannt ist. Ist in Zukunft eine Rückkehr zur figuralen Kunst geplant?

Eva Böhnisch: Als echte Manufaktur sind wir in unserem Schaffen sehr vielfältig. Was viele nicht wissen: Wir produzieren auch andere Stücke aus Keramik, wie z. B. Keramikschirme für kunstvolle Lampen diverser Designer:innen.

Wir freuen uns auch, seit 2022 wieder Kunstschaffende in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Gemeinsam mit der OÖ Landes-Kultur GmbH haben wir die Academy of Ceramics Gmunden ins Leben gerufen. So findet man bei uns Ausstellungen sowie Arbeitsaufenthalte und Residencies für Kunstschaffende. Im Fokus steht dabei der persönliche Austausch untereinander.

Kaum ein Geschirr hat jemals so viel „Österreich“ in die Welt getragen wie die Gmundner Keramik. Wo auf der Welt sind Ihre Produkte erhältlich?

Eva Böhnisch: Handelspartner:innen befinden sich in Europa, aber auch in den USA, Japan und China. Das Besondere ist, dass wir direkt aus der Manufaktur in Gmunden versenden und das in die ganze Welt.   

In Zeiten, in denen man ein ganzes Geschirrset um Spottpreise bei bekannten skandinavischen Möbelhäusern kaufen kann: Hat sich die Wertschätzung für handgemachte Unikate in den letzten Jahren verändert?

Eva Böhnisch: Die Themen Nachhaltigkeit, Regionalität und Langlebigkeit beeinflussen auch das Kaufverhalten – es ist eine Trendbewegung. Wir setzen auf Handwerk und Individualität. Da wir alles vor Ort per Hand fertigen, bieten wir unserer Kundschaft eine Nachkaufmöglichkeit auf ältere, ausgelaufene Designs sowie individuelle Sonderanfertigungen oder Personalisierungen. Das schätzt unsere Kundschaft sehr. Bei uns kann man außerdem ab einem Stück personalisierte Produkte ordern – ob mit Initialen, verschiedenen Farben oder eigenen Designs. Und weil wir unsere Rohstoffe innerhalb der EU beziehen, sind wir in der glücklichen Lage, derzeit keine Engpässe mit unseren Lieferungen zu haben.

Sie meinten zu Anfang, viele von uns haben eine persönliche Geschichte oder Erinnerung, die mit einem Geschirrstück von Gmundner zu tun haben. Können Sie uns zum Abschluss noch eine persönliche Anekdote verraten?

Eva Böhnisch: Meine gesamte Kindheit ist eine wiederkehrende Erinnerung an Gmundner Keramik. Ich bin im Salzkammergut aufgewachsen, das bedeutet, dass jedes Familienmitglied das eine oder andere Stück in unterschiedlichen Designs besessen hat. Von meiner Urgroßmutter über meine Großeltern bis hin zu meinen Eltern. So erinnert mich das Design „Streublume“ an meine Großmutter und „Geflammt“ an meine Urgroßmutter. Glücklicherweise wurden viele alte Stücke aufgehoben. Am schönsten war es, als ich im Ausland gelebt habe und zufällig ein Stück Gmundner in einem Restaurant oder bei Bekannten zu Hause entdeckte. Ich war in der Sekunde gedanklich wieder daheim im schönen Salzkammergut.

Gmundner Keramik Africa Edition
Antilope statt Hirsch: Die neue Africa Edition ist eine Hommage an Namibia. Foto: Gmundner Keramik

Über Gmundner Keramik

1492 wird Gmundner Keramik erstmalig urkundlich erwähnt.

Im 17. Jahrhundert bemalt man Teller und Schüsseln erstmals mit kurzen, kräftigen grünen Strichen – das berühmte „Grüngeflammte“ entsteht.

1843 zieht die Manufaktur ins Hafnerhaus ein, wo sie heute immer noch ist.

1968 übernimmt Johannes Fürst Hohenberg die Gmundner Keramik Manufaktur und macht sie zum Nummer-eins-Geschirrhersteller in Österreich und darüber hinaus.

2018 geht die Manufaktur samt den 130 Mitarbeitenden an den Salzburger Unternehmer Markus Friesacher über.

Im Mai 2021 wurde das „Flammen von Keramik“ zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO ernannt.

2021 wird die Gmundner Keramik Manufaktur GmbH & Co KG mit dem Staatswappen ausgezeichnet.

Credits Artikelbild: Gmundner Keramik

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