Österreichs wichtigster Exportmarkt hat gewählt

Deutschland – und damit Österreichs wichtigster Handelspartner – hat gewählt. Ein Blick auf die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland zeigt: Corona hat Spuren hinterlassen.

Angela Merkel geht. Wer kommt, steht noch nicht fest. Was bleibt, sind jedenfalls enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Österreich. Daran wird sich wenig ändern, egal, wer künftig im Bundeskanzleramt in Berlin regieren wird.

Deutschland ist und bleibt mit Abstand größter Handelspartner und wichtigster Exportmarkt Österreichs. Umgekehrt ist Österreich für Deutschland immerhin der achtwichtigste Wirtschaftspartner. Das bilaterale Handelsvolumen überstieg im Jahr 2017 erstmals die 100-Milliarden-Euro-Grenze. 2019 wurde ein Rekordwert von 110 Milliarden Euro vermeldet. Dann kam Corona – und damit das Ende des Wachstums.

Corona lähmt Exportgeschäft

Im Zuge der internationalen Rezession geriet auch der Warenfluss zwischen Österreich und seinem großen Nachbarn im Norden ins Stocken. Gegenüber 2019 nahmen im vergangenen Jahr die Warenexporte nach Deutschland um 3,6 Prozent ab. Auch das Importvolumen reduzierte sich um 8,5 Prozent auf 50,5 Millionen Euro. Dramatischer war der Einbruch bei den Dienstleistungen, wo der Rückgang sowohl im Import als auch im Export bei rund 15 Prozent lag.

Das hat Spuren hinterlassen. Und die Situation in Deutschland strahlt auch auf österreichische Unternehmen aus. „Wenn Deutschland hustet, bekommt Österreich eine Verkühlung“: Der geflügelte Satz taugt zwar nicht zur Allgemeingültigkeit, branchenspezifisch schlagen Entwicklungen aber recht deutlich durch.

Lieferengpässe bremsen Autoindustrie

So ist Deutschland von den Folgen von globalen Lieferengpässen beispielsweise bei Halbleitern mehr als doppelt so stark betroffen wie Österreich. „Das erklärt sich durch unterschiedliche Schwerpunkte innerhalb der Industrie. Während die österreichischen Unternehmen in der Automobilbranche als Zulieferer agieren, werden in Deutschland die Autos endgefertigt“, heißt es in einer aktuellen Analyse der Österreichischen Nationalbank. Allein Österreichs Wirtschaft haben demnach die Lieferengpässe heuer im zweiten und dritten Quartal 750 Millionen Euro gekostet.

Wirtschaftsbeziehungen Deutschland
43 Prozent der Exporte der rot-weiß-roten Fahrzeugindustrie gingen 2019 nach Deutschland.Foto: adobe stock | BlackMediaHouse

Die Abhängigkeit von Deutschland funktioniert aber nicht nur bei wirtschaftlichen Verwundungen, sondern auch beim ökonomischen „Heilungsprozess“. So erholte sich Deutschlands Automobil- und Maschinenbauindustrie trotz oben genannter Schwierigkeiten zuletzt wieder spürbar. Davon haben auch österreichische Unternehmen profitiert, sind doch gerade in der Automobilindustrie die Verflechtungen am stärksten.

Österreichisches Know-how ist gefragt

Zahlen aus 2019 spiegeln das wider: 75 Prozent der Exporte der österreichischen Fahrzeugindustrie gehen ins europäische Ausland, 43 Prozent davon nach Deutschland, wobei sich diese Branche durch die E-Mobilität in einem radikalen Wandel befindet. Neue Chancen ergeben sich damit auch für die heimische Zulieferindustrie. Ähnliches gilt für die Luftfahrtindustrie.

Fachliches Know-how, Innovationsstärke und die geografische Nähe liefern zudem für die österreichischen Maschinen- und Anlagenbauer gute Möglichkeiten, am Aufschwung in Deutschland zu partizipieren. Gefragt sind vor allem auch IT-Lösungen für die zunehmende Digitalisierung in Produktionsabläufen. Denn laut der International Federation of Robotics ist Deutschland in der EU mit rund 221.500 Industrierobotern die am stärksten automatisierte Volkswirtschaft.

Bei den großen Zukunftsthemen wie Energieeffizienz, Green Steel, Sustainable Production, Umwelttechnologie, Predictive Maintenance und Smart Manufacturing können Zulieferer mit innovativen Lösungen punkten, heißt es in einer Analyse der österreichischen Außenwirtschaft. Der deutsche Markt, zehnmal so groß wie der österreichische, bietet jedenfalls entlang der Wertschöpfungskette viele Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, die sehr intensiv genutzt werden.

Wirtschaftsbeziehungen Deutschland
Deutschland ist und bleibt mit Abstand größter Handelspartner und wichtigster Exportmarkt Österreichs. Im Zuge der Krise geriet der Warenfluss allerdings ins Stocken.Foto: adobe stock | flyinger

Exporte: 40 Prozent nach Bayern

So ging 2020 insgesamt knapp ein Drittel der österreichischen Exporte nach Deutschland. Damit liegt das Nachbarland in der österreichischen Exportstatistik deutlich vorne. Sehr deutlich. Die Exporte nach Deutschland waren nicht nur viermal so hoch wie jene in die auf Platz zwei im Ranking gelegenen USA. Nach Deutschland wird zudem so viel exportiert wie nach Amerika, Asien, Afrika und die europäischen Nicht-EU-Staaten zusammen. Wobei es auch deutschlandintern eine klare Gewichtung der Zielmärkte österreichischer Exporte gibt: Rund 40 Prozent der Deutschland-Exporte gehen nach Bayern.

Neben der räumlichen ist es auch die kulturelle und sprachliche Nähe sowie die sehr ähnlichen Sozialstandards, die Berührungsängste erst gar nicht aufkommen lassen, aber direkte Vergleiche so reizvoll machen. Beispiel Arbeitskosten, also die Summe aus Bruttoverdienst plus Lohnnebenkosten: Da liegt Deutschland laut Statistischem Bundesamt mit 36,70 Euro pro Stunde ganz knapp hinter Österreich (36,80 Euro) im EU-Mittelfeld, aber deutlich über dem EU-Schnitt von 28 Euro. Am höchsten war der Wert in Dänemark, wo es umgerechnet 46,90 Euro waren. Dahinter folgen Luxemburg (41,80 Euro), Belgien (41,40 Euro), Schweden (39,80 Euro) und Frankreich (38,10 Euro). Zum Vergleich: Die geringsten Kosten gibt es in Bulgarien (6,40 Euro) und Rumänien (7,70 Euro).

Fachkräftemangel hüben wie drüben

Das führt in Deutschland zu einem Problem, das man auch in Österreich kennt: Fachkräftemangel. Laut dem Arbeitgeberverband werden bis 2025 deutschlandweit 2,9 Millionen Fachkräfte fehlen. Insbesondere besteht Bedarf im IT-Bereich sowie im Sozial- und Gesundheitswesen.

Noch aber brummt der Konjunkturmotor. Zuversicht und Zuwachsraten kehren zurück. Die Ausfuhren nach Deutschland stiegen laut Statistik Austria im ersten Quartal 2021 um sechs Prozent, die Importe immerhin um 2,6 Prozent. Das Vorkrisenniveau dürfte heuer aber noch nicht erreicht werden, prognostizieren WirtschaftsforscherInnen. Es bleibt ein herausfordernder Weg zurück. Egal, wer in Berlin regiert.

Credits Artikelbild: Bundestag | CDU | Die Grünen | SPD

Das könnte dich auch interessieren

Lichtblick

Dir gefällt, was du hier liest?

Einfach "Fakt & Faktor" als Newsletter abonnieren!

Jetzt abonnieren